Afghanistan Biden setzt Taliban unter Druck – Lage in Kabul bleibt chaotisch

SDA

21.8.2021 - 11:29

US-Präsident Joe Biden äußert sich zu den Evakuierungen aus Afghanistan. Foto: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa
US-Präsident Joe Biden äußert sich zu den Evakuierungen aus Afghanistan. Foto: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa
Keystone

US-Präsident Joe Biden will die Taliban unter Druck setzen und Hilfen für Afghanistan während ihrer Herrschaft an «harte Bedingungen» knüpfen. So werde man genau verfolgen, wie die Islamisten ihre Landsleute und dabei speziell Frauen und Mädchen behandeln, sagte Biden in einer Ansprache am Freitag (Ortszeit). Die USA würden sich mit ihren Verbündeten abstimmen, um auf die Taliban internationalen Druck auszuüben. Zugleich sei es auch im Interesse der Islamisten, die Afghanen nicht gegen sich aufzubringen. «Sie versuchen, eine gewisse Legitimität zu gewinnen. Sie werden einen Weg finden müssen, wie sie das Land zusammenhalten.»

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Biden zufolge stehen die USA in Kontakt mit den Taliban, um den Zugang zum Flughafen der Hauptstadt Kabul zu gewährleisten. Sollten die Islamisten die Evakuierungsaktionen stören oder US-Truppen angreifen, werde es eine «starke Reaktion» geben, drohte er. Zwar würden US-Amerikaner an Checkpoints zum Flughafengelände nicht aufgehalten. Allerdings sei die Situation rund um den Flughafen eine andere. Bis man es dorthin geschafft habe, gelte «das Überleben des Stärkeren», schilderte CNN-Reporterin Clarissa Ward, die bis zuletzt zu den wenigen ausländischen Journalisten vor Ort zählte und am Freitag ebenfalls ausgeflogen wurde.

Rund um den Flughafen herrschen seit der Machtübernahme der Taliban chaotische Zustände, die Lage ist extrem gefährlich. Auch zwei Deutsche wurden in der Nähe des Geländes verletzt. Einer der beiden wurde bereits ins usbekische Taschkent ausgeflogen. Der andere war transportfähig, hielt sich aber am Freitagabend nach Angaben des Auswärtigen Amts weiterhin in Kabul auf.

Um das gefährliche Gedränge vor den Einlasspunkten zu umgehen, sollen US-Medienberichten zufolge 169 Amerikaner mit Helikoptern aus einem Hotel in unmittelbarer Nähe zum Flughafen gebracht worden sein. Doch selbst dort mussten Tausende Menschen weiter ausharren, weil die Evakuierungsflüge zwischenzeitlich gestoppt worden waren. Grund dafür war nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, dass es in Katar keine Kapazität mehr gegeben habe, die Ankunft und Weiterreise weiterer Reisender abzuwickeln. Deshalb versuchen die USA weitere Länder dafür zu gewinnen, aus Afghanistan ausgeflogene Menschen vorübergehend aufzunehmen und eine sichere Durchreise zu organisieren.

Die Bundesregierung hatte mit den USA vereinbart, dass deren Truppen den US-Militärstützpunkt im pfälzischen Ramstein als Drehkreuz für die Evakuierungsflüge nutzen können. Erste Flüge seien dort bereits gelandet, sagte ein Sprecher des US-Aussenministeriums. Es seien Hunderte Menschen verschiedener Nationalitäten angekommen, darunter auch afghanische Staatsangehörige, sagte eine ranghohe Militärvertreterin dem Sender CNN. Ramstein sei aber nur eine Zwischenstation – eine langfristige Unterbringung sei nicht geplant.

Auch die Evakuierungsaktion der Bundeswehr läuft weiter. In der Nacht zu Samstag hoben in Kabul erneut mehrere Militärmaschinen vom Typ A400M ab, um Schutzbedürftige in die usbekische Hauptstadt Taschkent auszufliegen, wie die Bundeswehr auf Twitter schrieb.

Die Machtübernahme der Taliban geht auch an vielen Bundeswehr-Soldaten, die am Hindukusch im Einsatz waren, nicht spurlos vorbei. «Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan haben bei etlichen Veteraninnen und Veteranen zu einer Retraumatisierung geführt», sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Einsatzveteranen, David Hallbauer, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Viele frühere Soldatinnen und Soldaten stellten die Sinnfrage, sagte Hallbauer. «Sie haben den Eindruck, dass ihr monatelanger, harter Einsatz – oft unter Todesangst – letztlich vergebens war, und Erfolge aus 20 Jahren Afghanistan-Einsatz jetzt von den Taliban mit einem Schlag zunichte gemacht werden.»