Polit-Experte zu USA–China Wie werden Biden und Xi miteinander auskommen?

Von Sven Hauberg

19.1.2021

Joe Biden (links), damals Vizepräsident unter Barack Obama, und der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einem Treffen in Peking im Jahr 2013.
Joe Biden (links), damals Vizepräsident unter Barack Obama, und der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einem Treffen in Peking im Jahr 2013.
Bild: Keystone

«Der Ton wird sich verändern»: China-Experte Matt Ferchen erklärt im Interview, wie Joe Biden als neuer US-Präsident mit Peking umgehen wird.

Zwei Supermächte auf Konfrontationskurs: Unter Donald Trump waren die Beziehungen zwischen den USA und China auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Wird Joe Biden die Politik seines Vorgängers fortsetzen? Im Interview spricht Matt Ferchen vom Mercator Institute for China Studies, Europas wichtigster China-Denkfabrik, über die Politik des designierten US-Präsidenten.

Joe Biden war acht Jahre lang US-Vizepräsident. Was wissen wir aus dieser Zeit über seinen Blick auf China?

Wir müssen uns die gesamte Karriere von Joe Biden anschauen. Schon als Senator hat er sich stark in Fragen der Aussenpolitik engagiert. Er versteht und kennt einige der Schlüsselfiguren der chinesischen Politik, darunter auch Xi Jinping. Und er hat seine eigenen Ansichten darüber, wie man mit China umgehen sollte. Allerdings haben sich seitdem die Rahmenbedingungen verändert: durch die Präsidentschaft von Donald Trump, dessen Politik Biden zu einem Stück weit erbt, aber auch dadurch, wie Xi Jinping China geprägt hat.

Zur Person
Matt Ferchen war von 2008 bis 2017 Fakultätsmitglied des Fachbereichs Internationale Beziehungen an der Tsinghua Universität in Peking und von 2011 bis 2019 Wissenschaftler am Carnegie-Tsinghua Center for Global Policy. Heute forscht er beim Berliner Mercator Institute for China Studies unter anderem zu den sino-amerikanischen Beziehungen.
25 NOV 2019, BERLIN/GERMANY:
Mitarbeiterfotos merics, Mercator Institute for China Studies
IMAGE: 20191125-01
Mercator Institute for China Studies/www.marco-urban.de

Was heisst das konkret?

Biden wird eine ganzheitlichere Sichtweise auf China haben und die Beziehungen zwischen China und den USA nicht mehr isoliert betrachten: Er wird stattdessen mit Partnern in Europa und Asien gemeinsam an einer China-Politik arbeiten.

Biden hat im Vorwahlkampf gesagt, dass er Xi Jinping sehr gut kennt – und ihn gleichzeitig einen «Ganoven» genannt. Wie kommen die beiden Politiker persönlich miteinander zurecht?

Schwer zu sagen. Trump hat eine grosse Sache aus seiner persönlichen Beziehung zu Xi Jinping gemacht. Er hat Xi sehr früh in Florida empfangen, wenig später war er in China zu Besuch. Und er hat immer gesagt, dass diese gute persönliche Beziehung helfen kann, Spannungen zwischen den beiden Ländern zu verringern. Und trotzdem haben sich die Beziehungen zwischen den USA und China verschlechtert. Wie Biden das handhaben wird, bleibt abzuwarten. China will die persönlichen Beziehungen zwischen den Ländern auf jeden Fall schnell wiederherstellen und stabilisieren. Peking will wissen, mit wem sie verlässlich kommunizieren können – sowohl auf der obersten Regierungsebene als auch auf den unteren Levels. Das war eine ihrer grossen Sorgen während der Trump-Zeit: Mit wem sollen sie sprechen, und was wollen die eigentlich?

Wie schnell wird sich das normalisieren?

Ich glaube nicht, dass sich die Beziehung zwischen den beiden Ländern in kurzer Zeit grundlegend ändert. Das dauert und bedarf grosser Anstrengungen von beiden Seiten. Die Biden-Regierung braucht eine konsistente Botschaft, die sie China vermittelt. Aber das ist nicht leicht.

Welche Rolle spielt dabei Kamala Harris?

Man weiss noch nicht wirklich, wie ihr Ansatz in der Aussenpolitik aussieht und wer ihre Berater sind. Aber das sollten wir genau beobachten, denn Biden ist kein junger Mann mehr. Ich glaube, dass die Biden-Regierung all diese Fragen im Team bearbeiten wird. Anthony Blinken, der designierte Aussenminister, wird dabei eine Rolle spielen. All die Berater von Biden haben ihre eigenen Themen, für die sie eintreten: Einige fahren eine klassische Politik und konzentrieren sich auf eher militärische Fragen, etwa in der Taiwan-Frage, im Umgang mit Nordkorea und angesichts der chinesischen Politik im Südchinesischen Meer. Anderen geht es um Themen wie den Klimawandel – John Kerry etwa, der sich im Biden-Team um dieses Feld kümmert.

In der Corona-Pandemie hat Donald Trump China zum Sündenbock gemacht. Teilt Biden diese Meinung?

Der Ton wird sich verändern. Die designierten Mitglieder der Biden-Regierung haben klargemacht, dass sie verbal abrüsten und China, anders als Trump, nicht mehr als existenzielle Gefahr darstellen wollen – auch nicht in Bezug auf die Corona-Krise. Die USA werden ausserdem wieder der WHO beitreten. Entscheidend aber ist, und darauf sind viele ausserhalb der USA nicht vorbereitet: Die Biden-Regierung wird ihre Priorität auf die Innenpolitik legen und nicht mehr um aussenpolitische Themen kreisen. Sie wird sich sofort um den Kampf gegen das Coronavirus kümmern und um die Erholung der Wirtschaft. Diese Themen werden die Agenda dominieren.



Was heisst das für den Handelskonflikt mit China, den Trump losgetreten hat?

Das Biden-Team ist der Meinung, dass der Handelskonflikt der amerikanischen Mittelschicht schadet sowie amerikanischen Arbeitern und Landwirten. Und unter diesem Gesichtspunkt werden sie auch ihre Aussen- und China-Politik machen – weg vom Ansatz, anderen Ländern Strafzölle aufzuerlegen und Strafmassnahmen auszusprechen, die der Erholung der eigenen Wirtschaft schaden könnten. Die Handelspolitik wird sich eher um die Frage drehen, wie die Wirtschaft grüner werden kann.

Und wie wird Biden auf die chinesischen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang sowie auf die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong reagieren?

Man wird auf jeden Fall eine konsequentere Politik verfolgen. Fragen wie Menschenrechte und Demokratisierungen werden Themen sein, die um ihrer selbst willen angesprochen werden, nicht mehr nur im Rahmen von Handelskonflikten. Menschenrechtsfragen sind Kernelemente der US-Aussenpolitik. Man wird sich ausserdem enger mit Europa absprechen, um eine gemeinsame, übereinstimmende Botschaft an China zu senden. Aber auch Abschreckungsmassnahmen sind denkbar. Etwa, dass Washington diejenigen chinesischen Staatsbürger, die an der Niederschlagung der Hongkonger Proteste beteiligt waren, bestraft – durch Einreisesperren zum Beispiel.

Die Trump-Regierung hat zuletzt angekündigt, Importe von Baumwolle und Tomaten aus Xinjiang zu verbieten. Wird die Biden-Regierung hier mehr erreichen können?

Es gibt eine Grenze für das, was die USA oder jedes andere Land in Xinjiang erreichen können. Es ist nicht leicht, China dazu zu bringen, sein Verhalten grundlegend zu verändern – in Xinjiang oder in anderen Bereichen. Das ist dem Biden-Team bewusst.

Ein anderer Konfliktherd ist Taiwan. Trump und sein Team haben die Beziehungen zu dem Inselstaat, der von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird, gestärkt. Es gab ein direktes Telefonat zwischen Trump und der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen, und zuletzt haben hochrangige US-Politiker Taiwan besucht. Wird Biden diese Politik fortsetzen?

Nein, das wird er nicht. Natürlich sind viele im Team von Biden für enge Beziehungen zu Taiwan; die Politik von Trump haben sie aber als zu provokant empfunden. Die Frage ist: Wie kann Taiwan ein enger Partner sein, ohne China zu provozieren und den Konflikt zu verschärfen? Die Taiwaner wollen natürlich so viel Unterstützung durch die USA wie nur möglich. Sie wollen aber auch nicht, dass die Beziehungen zu Peking ins Schwanken gebracht werden. Das Schwierigste für die Biden-Regierung wird es sein, einen Tonfall zu treffen, der einerseits eine starke US-Unterstützung für Taiwan signalisiert, andererseits aber auch mehr Stabilität bringt und das Risiko eines bewaffneten Konflikts verringert.



In den letzten vier Jahren, vor allem aber durch die Corona-Krise und Trumps Weigerung, seine Wahlniederlage anzuerkennen, hat das Image der USA weltweit stark gelitten. Wie blicken die Chinesen heute auf das Land?

Die letzten Jahre haben Kräfte entfesselt und Momente geschaffen, die sicher nicht zu einem positiven USA-Bild beigetragen haben. Auf der anderen Seite aber zieht es noch immer viele Chinesen, vor allem wohlhabendere, in die USA. Sie wollen, dass ihre Kinder in den USA studieren, oder sie wollen dort Geschäfte machen. Sobald die Biden-Regierung die Visa-Beschränkungen lockert und sich die Corona-Situation entspannt, wird wieder eine Art Normalität einkehren. Die USA haben ihre Anziehungskraft nicht verloren – trotz allem, was Trump kaputtgemacht hat.

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