Stress für Biden: US-Republikaner erobern Kongresskammer
US-Präsident Joe Biden wird die verbleibenden zwei Jahre seiner Amtszeit ohne Mehrheit im Kongress regieren müssen. Die Republikaner kommen auf mehr als die Hälfte der 435 Sitze Repräsentantenhaus. Die Demokraten behalten die Mehrheit im Senat.
17.11.2022
Nach einem Sieg im Senat haben die Demokraten von US-Präsident Joe Biden bei den Kongresswahlen ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren – allerdings knapper als erwartet.
Die Republikaner kommen künftig auf mehr als die Hälfte der 435 Sitze in der Kongresskammer, wie die US-Sender CNN und NBC sowie die Nachrichtenagentur AP am Mittwoch (Ortszeit) auf Grundlage von Stimmauszählungen und Prognosen berichteten.
Ein solcher Ausgang war vorhergesagt worden – allerdings wird die republikanische Mehrheit am Ende weit knapper als erwartet ausfallen. Und im wichtigen Senat behalten die Demokraten das Sagen. Mit einem geteilten Kongress wird das Regieren für Biden in den kommenden beiden Jahren aber auf jeden Fall schwieriger. Ausserdem können die Republikaner Untersuchungen von Biden und seiner Politik anstrengen.
Bei den «Midterm»-Wahlen in der Mitte von Bidens Amtszeit wurden am Dienstag vergangener Woche alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Ausserdem wurden in zahlreichen Bundesstaaten die wichtigen Gouverneursämter neu besetzt. Die Auszählung der Stimmen zog sich in mehreren Rennen lange hin, wegen sehr knapper Ergebnisse und wahlrechtlicher Besonderheiten in einigen Bundesstaaten.
Wählende bestrafen Biden für Wirtschaftslage
Bei den Zwischenwahlen in der Mitte der Amtszeit eines US-Präsidenten bekommt dessen Partei üblicherweise einen Denkzettel verpasst. Der Präsident steht selbst nicht zur Wahl, die Abstimmung gilt aber als eine Art Referendum über dessen Politik. Biden hatte innenpolitisch zuletzt unter anderem die Inflation im Land zugesetzt – insbesondere steigende Spritpreise sorgten für Unzufriedenheit. Und schon zuvor hatte Biden mit dramatisch schlechten Umfragewerten zu kämpfen.
Vor der Wahl war eine Erfolgswelle für die Republikaner vorausgesagt worden, und ein Debakel für die Demokraten. Doch beides blieb aus. Stattdessen schnitten die Demokraten insgesamt unerwartet stark ab.
Sie sicherten sich die Mehrheit im Senat – was von besonderer Bedeutung ist, weil wichtige Personalien auf Bundesebene – etwa Botschafter, Kabinettsmitglieder oder Bundesrichter – dort bestätigt werden. Die Möglichkeit, weiter Nominierungen durchzusetzen, ist Biden in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit also sicher. Durch den Verlust der Kontrolle über das Repräsentantenhaus dürfte es für den Präsidenten in den kommenden zwei Jahren aber unbequem werden.
Republikaner können im Repräsentantenhaus blockieren
Mit ihrer neuen Macht im Repräsentantenhaus können die Republikaner in Zukunft Gesetzesvorhaben nach Belieben blockieren. Denn in den Gesetzgebungsprozess sind beide Kongresskammern eingebunden.
US-Präsident Joe Biden wird in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit auf Gegenwind aus dem Kongress treffen. Die Republikaner errangen eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus, wie US-Fernsehsender und die Nachrichtenagentur AP in der Nacht zum Donnerstag auf Basis ausgezählter Stimmen und Prognosen meldeten. Damit können sie Gesetzesinitiativen aus dem Weissen Haus blockieren und Untersuchungen Bidens und seiner Politik anstrengen.
Zugleich zogen die Amerikaner bei den Zwischenwahlen vergangene Woche in vielen Fällen Demokraten insbesondere den von Ex-Präsident Donald Trump unterstützten radikalen Republikanern vor. Entgegen den Erwartungen behielten die Demokraten die Kontrolle über den Senat und haben sogar die Chance, ihre Mehrheit dort auszubauen. Und im Abgeordnetenhaus werden die Republikaner statt des erhofften überwältigenden Sieges nur knapp über der nötigen Mehrheit von 218 Stimmen liegen.
Die Demokraten liegen inzwischen bei 210 Sitzen. Damit sind nur noch sieben Sitze offen. Der knappe Vorsprung macht es für den bisherigen republikanischen Minderheitsführer Kevin McCarthy schwieriger, Siege bei Abstimmungen zu erzielen. Er braucht für Initiativen die Stimmen sowohl gemässigter Republikaner als auch rechter Trump-Getreuen. Noch unklar ist, wie die Ankündigung Trumps, ins Rennen um eine zweite Amtszeit zu gehen, die Dynamik bei den Republikanern beeinflusst.
Biden reicht Republikaner*innen die Hand
Biden betonte in einem Glückwunsch-Schreiben an McCarthy, er sei bereit, mit den Republikanern im Abgeordnetenhaus zusammenzuarbeiten, «um Ergebnisse für arbeitende Familien zu erreichen». Die Wahl habe demonstriert, dass die Menschen politische Gewalt und die von Trump vorangetriebenen Behauptungen über einen ihm gestohlenen Wahlsieg ablehnten.
McCarthy wurde diese Woche zwar als Anführer der Republikaner in der Kammer bestätigt. Er bekam dabei aber nur 188 Stimmen, während 31 republikanische Abgeordnete für den rechten Herausforderer Andy Biggs stimmten. Um die Demokratin Nancy Pelosi im Januar auf dem Chefposten der Kammer abzulösen, braucht McCarthy die Mehrheit des gesamten Repräsentantenhauses.
Eine Patt-Situation bei den Republikanern könnte ungewöhnliche Folgen haben. So sagte der republikanische Abgeordnete Don Bacon, er wäre dann bereit, mit Demokraten zusammenzuarbeiten, um einen moderaten Republikaner zum Vorsitzenden der Kammer zu wählen. Der Posten ist die Nummer drei in der politischen Rangfolge in den USA nach dem Präsidenten- und dem Vizepräsidenten-Amt.
Jetzt drohen parlamentarische Untersuchungen aus der anderen Ecke
McCarthy betonte, mit dem Sieg im Kongress sei die Zeit vorbei, in der nur eine Partei in Washington regiere. «Wir haben Nancy Pelosi gefeuert.» Pelosi betonte, dass die Demokraten weiterhin viel Einfluss neben einer «mageren Mehrheit» der Republikaner haben würden. Ob die 82-Jährige die Demokraten auch in der Minderheit weiter führen will, ist offen. Ihr Ehemann Paul Pelosi war vor wenigen Wochen bei einem Angriff auf das Haus des Paars in San Francisco schwer verletzt worden und sie sagte, dass dies die Entscheidung über ihre politische Zukunft beeinflussen werde.
Mit der Mehrheit im US-Senat können Demokraten dort Initiativen von Republikanern aus dem Repräsentantenhaus stoppen. Die Republikaner haben aber auch damit gedroht, diverse parlamentarische Untersuchungen gegen Demokraten anzustossen: etwa zur Lage an der Grenze zu Mexiko, zur FBI-Durchsuchung beim früheren republikanischen Präsidenten Donald Trump oder zu Geschäften von Bidens Sohn Hunter. Sie könnten womöglich auch Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Kabinetts anstrengen. Damit können sie Biden und seiner Regierung in den kommenden zwei Jahren das Leben schwer machen.
Und dem Repräsentantenhaus kommt in Haushaltsfragen besonderes Gewicht zu. Die Republikaner drohten damit, eine Anhebung der Schuldenobergrenze oder Finanzhilfen für die Ukraine zu blockieren. Beobachter sehen das lediglich als Mittel, um den Demokraten an anderer Stelle ein Entgegenkommen abzutrotzen. Es dürfte für Biden aber schwieriger werden, selbst solche Vorhaben durchzusetzen, die üblicherweise parteiübergreifend beschlossen werden.