Noch immer macht der Frachter «Ever Given» keinen Wank und blockiert den Suezkanal. Was das für den Ölpreis und das hiesige Benzin heisst. Experten ordnen ein.
Er steckt fest. Noch immer. Und niemand weiss, für wie lange noch. Die Rede ist vom quer gestrandeten Frachter «Ever Given» im Suezkanal, dieser wichtigen Schifffahrtsstrasse zwischen Asien und Europa.
Schlepperboote versuchen weiter, das Schiff freizubekommen. Die Suezkanal-Behörde macht keine Angaben dazu, wie lange die Arbeiten noch dauern könnten.
Der Schiffverkehr: eingestellt. Was also hat das für Konsequenzen? Immerhin gelangen rund 12 Prozent des globalen Frachtvolumens durch den Suezkanal. «Was das für den Ölhandel und -preis bedeutet, ist schwierig zu sagen, weil es keine vergleichbaren Fälle gibt», sagt Stefan Legge. Der Volkswirtschafter ist Projektleiter und Dozent an der Uni St. Gallen.
Eines der weltgrössten Frachtschiffe
Die «Ever Given» fährt nach Informationen des Schiffsradars vesselfinder.com unter der Flagge Panamas. Sie sei aus China gekommen und auf dem Weg nach Rotterdam in den Niederlanden. Sie gehört zu den grössten Containerschiffen der Welt. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer. 2020 durchfuhren nach Angaben der Suezkanal-Behörde fast 19'000 Schiffe den Kanal. Pro Tag sind das im Schnitt gut 50 Stück. (dpa)
Seine Einschätzung: Der Ölpreis werde sich nicht dramatisch verteuern, weil es Alternativen gebe. Komme dazu: «Es werden kaum Kosten gescheut werden, um diese Route baldmöglichst wieder befahrbar zu machen.» Für einzelne Firmen oder Branchen wird es gleichwohl kurzfristig unangenehme Folgen wie Lieferengpässe geben. «Dramatische Konsequenzen für den Welthandel oder die Schweiz sehe ich aber nicht.»
Legge macht ein Beispiel: «Vielleicht hat Digitec kurzfristig weniger Monitore, aber das wird vorübergehen.» Selbst wenn der Suezkanal wieder befahrbar sei, dauere es, bis sich der Stau vor dem Durchgang – und dann erneut in den europäischen Häfen – auflöse. Schon jetzt warten über 100 Schiffe vor dem Suezkanal.
«Preisanstieg an Zapfsäule nie ausgeschlossen»
Ähnlich klingt es bei Avenergy Suisse, dem Interessenverband der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe. «Der Unfall hat auf die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Mineralölprodukten keinen unmittelbaren Einfluss», sagt Sprecher Daniel Schindler. Das liege am ausgeklügelten Versorgungssystem, das auf verschiedenen Pfeilern stehe. Es fusse auf Import, Handel, Verteilung, Logistik, Eigenproduktion und Pflichtlagerhaltung.
«Zwar kann man Preisanstiege an der Zapfsäule nie ausschliessen», sagt Schindler. Die Preissteigerung von Benzin und Diesel sei in der Schweiz aber jeweils deutlich weniger ausgeprägt als der Anstieg der Rohölpreise.
«Einmal Suezkanal kostet über 100'000 Franken»
Gleichwohl, die Blockade kostet: «Bei Containerschiffen ist es ähnlich wie bei Flugzeugen, die verdienen nur Geld, wenn sie in Bewegung sind», sagt Legge von der Uni St. Gallen. Die Reedereien stünden vor der Frage, wie lange warten, bevor sie Alternativrouten befahren. «Ich gehe davon aus, dass für die nicht eingehaltenen Lieferverträge zum Teil nun Versicherungen einspringen müssen.»
Die Befreiung des Kanals könne zwischen Tagen und Wochen variieren, sagt auch Legge. Einerseits müsse die Natur mitspielen mit dem Wasserstand, um den Frachter loszubekommen. «Andererseits: Da niemand auf so etwas vorbereitet war, musste nur schon das Equipment, um das Schiff zu befreien, zuerst vor Ort gebracht werden.»
Kommt dazu: «Einmal durch den Suezkanal durchzufahren, kostet je nach Schiff und Transportgewicht über 100'000 Franken.» Das ist so teuer, weil mögliche Ausweichrouten für die Betreiber ebenfalls ins Geld gehen.
Die Ausweichroute um Afrika herum wäre die andere Möglichkeit. «Je nach Schifftyp kann das aber schnell zehn bis vierzehn Tage mehr dauern.» Neben der Zeit werde dabei vor allem der zusätzliche Energieverbrauch teuer. Heisst? «Durch den Suezkanal zu fahren, kommt ein Schiff zwischen 100'000 und 500'000 Franken günstiger, als um Afrika herumzufahren», sagt Legge. Fazit: «Wir haben es hier mit einem Geld-, nicht mit einem Warenproblem zu tun.»
Suezkanal war nur fünfmal nicht befahrbar
In 151 Jahren ist der Suezkanal laut Legge nur fünfmal zu gewesen. 1967 nach dem Sechstage-Krieg war die Verbindung acht Jahre nicht passierbar – Vergleiche zu heute lassen sich daraus laut Legge nicht ziehen. «Ohne historische Parallele sind mögliche Folgen schwieriger abzuschätzen.»
Ein Schlepper zieht das Frachtschiff, das in der Nacht zum Mittwoch auf Grund gelaufen ist und seither die wichtige Schifffahrtsstrasse zwischen Asien und Europa blockiert.
Ein Bagger versucht, das vordere Ende des Containerschiffs Ever Given zu befreien, nachdem es im südlichen Ende des Suezkanals auf Grund gelaufen war.
Dieses Satellitenbild zeigt das Frachtschiff MV Ever Given, das im Suezkanal auf Grund gelaufen ist.
Blockade im Suezkanal: Schlepperboote setzen Arbeit fort - Gallery
Ein Schlepper zieht das Frachtschiff, das in der Nacht zum Mittwoch auf Grund gelaufen ist und seither die wichtige Schifffahrtsstrasse zwischen Asien und Europa blockiert.
Ein Bagger versucht, das vordere Ende des Containerschiffs Ever Given zu befreien, nachdem es im südlichen Ende des Suezkanals auf Grund gelaufen war.
Dieses Satellitenbild zeigt das Frachtschiff MV Ever Given, das im Suezkanal auf Grund gelaufen ist.