Brasilien Bolsonaro will Wahlergebnis doch nicht akzeptieren

dpa

23.11.2022 - 05:11

Brasilien: Bolsonaro räumt Wahlniederlage nicht ausdrücklich ein

Brasilien: Bolsonaro räumt Wahlniederlage nicht ausdrücklich ein

Zwei Tage hatte Jair Bolsonaro nach der verlorenen Präsidentenwahl geschwiegen, jetzt hat der unterlegene Amtsinhaber seine Bereitschaft für eine friedliche Machtübergabe in Brasilien signalisiert – ohne jedoch seine Niederlage explizit einzugeste

02.11.2022

Vor rund drei Wochen wurde Bolsonaro abgewählt, die Wahlbehörde rief den linken Ex-Staatschef Lula zum Sieger aus. Mit Verweis auf einen Softwarefehler verlangt Bolsonaros Partei nun eine Annullierung eines grossen Teils der Wahlstimmen. Doch Experten winken ab.

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Rund drei Wochen nach seiner Abwahl haben Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro und seine Partei Beschwerde gegen das Ergebnis eingelegt. Sie verlangten am Dienstag von der Wahlbehörde, die meisten der an elektronischen Wahlgeräten abgegebenen Stimmen für ungültig zu erklären. Die Partido Liberal berief sich dabei auf einen Softwarefehler, der laut unabhängigen Experten jedoch keinen Einfluss auf die Verlässlichkeit der Wahlergebnisse hatte.

Die Wahlbehörde hat bereits Bolsonaros Kontrahenten, den linken Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva, zum Sieger der Stichwahl Ende Oktober ausgerufen. Er bezwang den rechten Amtsinhaber mit einem Stimmanteil von 50,9 Prozent, Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent. Es war der knappste Ausgang eines Präsidentschaftsrennens seit Brasiliens Rückkehr zur Demokratie im Jahre 1985.

Selbst zahlreiche Verbündete Bolsonaros haben das Ergebnis inzwischen akzeptiert, er selbst hat seine Niederlage bisher nicht öffentlich eingestanden – was offenbar Tausende seiner Anhänger dazu veranlasst, bei Protesten im ganzen Land seinen Verbleib an der Macht zu fordern.

Gericht: Ohne überarbeiteten Antrag keine Prüfung

Am Dienstag sagten der Vorsitzende der Partido Liberal, Valdemar Costa, und ein von der Partei angeheuerter Prüfer vor Reportern in Brasilia, ihre Untersuchung habe ergeben, dass alle Wahlgeräte von vor 2020 – also fast 280'000 oder rund 59 Prozent aller bei der Stichwahl am 30. Oktober genutzten Maschinen – keine individuellen Identifizierungsnummern in internen Protokollen aufwiesen. Wie dies das Wahlergebnis hätte beeinflussen können, erklärten zwar weder Costa noch der Gutachter. Doch ist in der Beschwerde von einer «irreparablen Diskrepanz aufgrund einer Störung» die Rede, die die Glaubwürdigkeit der Resultate infrage stelle.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. (Archivbild)
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. (Archivbild)
Bild: Keystone/AP Photo/Eraldo Peres

Falls Bolsonaro und seine Partei ihren Willen bekämen, würden auf ihn 51 Prozent der verbliebenen gültigen Stimmen entfallen, was ihm die Wiederwahl sichern würde, sagte der Anwalt Marcelo de Bessa, der den 33 Seiten starken Antrag im Namen des abgewählten Staatschefs und dessen Partido Liberal eingereicht hat.

Der Vorsitzende des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, verfügte umgehend, dass das Gericht das Gesuch erst prüfen werde, wenn Bolsonaros Partei binnen 24 Stunden einen überarbeiteten Antrag stelle, der um Ergebnisse der ersten Wahlrunde am 2. Oktober ergänzt sei. In der ersten Runde hatte die Partido Liberal mehr Sitze in beiden Kongresskammern gewonnen als jede andere Partei.

Irrelevantes Hauptargument

Das Hauptargument für die Beschwerde Bolsonaros wiesen Experten als irrelevant zurück. Jedes Wahlgerät könne mühelos mit anderen Mitteln identifiziert werden, etwa über die Stadt oder den Wahlbezirk, sagte Wilson Ruggiero, Professor für Computertechnik und digitale Systeme an der Polytechnischen Schule von São Paulo.

Diego Aranha, Professor für Systemsicherheit an der Universität Aarhus in Dänemark, pflichtete seinem Kollegen bei. «Es untergräbt die Verlässlichkeit oder Glaubwürdigkeit in keiner Weise», sagte er der Nachrichtenagentur AP telefonisch. «Der zentrale Punkt, der Korrektheit garantiert, ist die digitale Signatur, die mit jedem Wahlgerät in Verbindung steht.» Die Maschinen mögen zwar keine individuellen Identifizierungsnummern in ihren internen Protokollen aufweisen, doch tauchten die Nummern auf gedruckten Belegen auf, die die Gesamtheit aller Stimmen für den jeweiligen Kandidaten zeigten. Im Übrigen sei der Fehler auch nur dank Bemühungen der Wahlbehörde entdeckt worden, für mehr Transparenz zu sorgen, sagte Aranha.