Seehandel China übernimmt mit den Häfen in Europa auch die Kontrolle

Von Gabriela Beck

28.10.2022

Grünes Licht für chinesischen Einstieg beim Hamburger Hafen

Grünes Licht für chinesischen Einstieg beim Hamburger Hafen

Grünes Licht für chinesischen Einstieg beim Hamburger Hafen

26.10.2022

Mit der Beteiligung der Staatsreederei Cosco am Hamburger Hafen wächst der Einfluss Chinas auf den weltweiten Seehandel. Und die Abhängigkeit Europas wird grösser.

Von Gabriela Beck

Nun ist es beschlossene Sache: Trotz grosser politischer Bedenken kann der Reedereiriese Cosco beim Hamburger Hafen einsteigen. Allerdings darf der chinesische Staatskonzern nur 24,9 Prozent statt der ursprünglich gewünschten 35 Prozent am Containerterminal Tollerort übernehmen. Auch Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen darf sich das Unternehmen nicht einräumen lassen.

Die Hoffnung der Politiker: Durch die Minderheitsbeteiligung könne China keinen inhaltlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Offen bleibt vorerst, wie sich der Cosco-Konzern zu der neuen Sachlage verhält.

Kompromiss trotz massiver Bedenken

Der Entscheid ist die Folge eines Kompromisses, auf den sich unter dem Druck des Kanzleramts am Mittwoch das Bundeskabinett in Berlin verständigte. Einige Ressorts stimmten nur zähneknirschend zu. Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte den chinesischen Einstieg mit Blick auf die Erfahrungen mit russischen Gaslieferungen komplett untersagen – wie auch andere Ministerien, die ebenfalls vor Risiken für die kritische Infrastruktur und einer zunehmenden Abhängigkeit von China warnten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) liess Kritik zurückweisen mit dem Hinweis auf die gigantischen Ausmasse des Hamburger Hafens – von dem das betroffene Terminal nur einen kleinen Teil ausmache.

Wahr ist aber auch: Im grössten deutschen Seehafen Hamburg läuft rund ein Drittel des Containerverkehrs im China-Geschäft. Würde ein grosser Akteur wie Cosco seine Schiffe abziehen, wäre dies ein empfindlicher Schlag für den Hafen. Zugleich will man in Hamburg nicht den Anschluss verlieren.

Abhängigkeit von China ist längst da

Denn gegenüber den Häfen in Rotterdam und Antwerpen, an denen Cosco ebenfalls Terminalanteile besitzt, hatte der Hamburger Hafen zuletzt Marktanteile verloren. Das macht die bereits bestehende Abhängigkeit Deutschlands deutlich: Hätte die Politik eine Beteiligung der chinesischen Staatsreederei am Hamburger Hafen komplett verweigert, hätte der chinesische Konzern Warenströme auch gezielt an Hamburg vorbeisteuern können, so die Befürchtung.

Und der wirtschaftliche Druck könnte steigen, da auch die Häfen von Genua und Triest mit chinesischer Hilfe derzeit ihre Kapazitäten ausbauen. Aber damit nicht genug: Cosco ist die drittgrösste Container-Reederei der Welt und hält bereits Beteiligungen an 14 europäischen Häfen.

Der Hafen von Piräus befindet sich sogar vollständig unter chinesischer Kontrolle, seit der Konzern 2016 die Mehrheit an der Hafengesellschaft erworben hatte. Dort wächst die Kritik an harten Arbeitsbedingungen. Lokale Behörden und Umweltorganisationen werfen Cosco vor, sich nicht an Auflagen zu halten und die Meeresumwelt zu schädigen.

Im Jahr 2016 hatte China nicht viel Konkurrenz um Piräus: Der Hafen war nur schwach ausgebaut, galt als nicht besonders kundenfreundlich.
Im Jahr 2016 hatte China nicht viel Konkurrenz um Piräus: Der Hafen war nur schwach ausgebaut, galt als nicht besonders kundenfreundlich.
PANTELIS SAITAS/KEYSTONE

China lenkt die Frachtströme weltweit

Auch an den Häfen in Seebrügge und Valencia hält Cosco Mehrheitsanteile. Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) befinden sich Schätzungen zufolge bereits zehn Prozent der Hafenkapazitäten Europas in der Hand des chinesischen Staatsunternehmens.

«Das mittelfristige Problem besteht darin, dass Cosco ein zentraler Akteur in der chinesischen Strategie der maritimen Seidenstrasse ist, weil der Konzern über die vielen Hafenbeteiligungen eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Abwicklung des Handels, des globalen Transports erreichen kann», so die Einschätzung von Rolf J. Langhammer, Handelsexperte am IfW in einem Statement zum Hamburger Cosco-Einstieg.

China ist schon jetzt in der Lage, weltweit Frachtströme zu lenken und dadurch sowohl wirtschaftlichen als auch politischen Einfluss auszuüben.

Und Cosco ist nicht der einzige chinesische Staatskonzern, der in europäische Häfen investiert: Auch das Staatsunternehmen China Logistics hat sich bereits in Wilhelmshaven und in Duisburg eingekauft.

Einseitige Deals zum Nachteil Europas

Mehr noch als die wachsende Abhängigkeit von China bereitet Wirtschaftsökonomen Jens Bastian die Einseitigkeit dieser Deals Sorge: «Gibt es ein deutsches, ein griechisches, ein belgisches Unternehmen, das einen Anteilseigner in einem chinesischen Hafen darstellt? Nein, null», sagt er der «Tagesschau». «Das heisst, wir haben hier eine Einseitigkeit des Vorgehens, das ich wirklich für krass halte.»

Cosco sei nicht nur ein weiteres multinationales Unternehmen, das einfach nur eine Rendite anstrebt – sondern ein Instrument der chinesischen Regierung, um deren strategische Ziele voranzutreiben, sagt Analyst Jacob Gunter der Deutschen Presse-Agentur.

Er teilt damit die Einschätzung von Expert*innen, die das langfristige Ziel Chinas darin sehen, die Kontrolle über die gesamten Liefer- und Wertschöpfungsketten Europas zu erhalten. Der zunehmende Aufkauf europäischer Infrastruktur durch den autoritären Staat erhöht jedenfalls das Erpressungspotenzial.

mit Material von dpa