ChinaDie Partei sucht Nachwuchs für die nächsten 100 Jahre
AP/toko
4.7.2021 - 13:03
Überbordend feierte die Kommunistische Partei in China den 100. Jahrestag ihrer Gründung. Um auch künftig in einem sich wandelnden China die Oberhand zu behalten, bildet sie an eigenen Schulen neue Kader aus. In den Lehrplänen werden allerdings einige dunkle Kapitel totgeschwiegen.
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04.07.2021, 13:03
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Mit geraden Rücken und erhobenen Köpfen zitieren drei Dutzend KP-Mitglieder mit roten Krawatten ein Gedicht von Revolutionsführer Mao Tsetung. «Wir stehen aufrecht, selbst wenn wir von zahllosen feindlichen Kräften umringt sind!», erklären sie. «Zusammen werden wir den Feind besiegen!» Die Männer und Frauen hoffen auf leitende Posten in der Kommunistischen Partei Chinas und nehmen dazu an einem zweiwöchigen Kurs der Partei-Führungsakademie im Zentrum des Landes teil.
Ausbildungszentren wie das in Jinggangshan spielen 100 Jahre nach Gründung der Partei eine wichtige Rolle für die Regierung von Präsident Xi Jinping, die ihre Kontrolle über eine sich wandelnde Gesellschaft ausweiten will. Hier werden ehrgeizige Mitarbeiter von Staatsunternehmen und aus Regierungsbüros geschult, die aus 95 Millionen Parteimitgliedern ausgewählt werden. Leitbild ist eine idealisierte Version des frühen Revolutionseifers der KP aus der Zeit, bevor sich Maos Guerillas 1949 landesweit den Weg an die Macht erkämpften.
Teilnehmer Zhou Xiaojing, der bei der chinesischen Zentralbank in der Stadt Zehngzhou arbeitet, beschreibt Jinggangshan als «spirituellen Schock und eine Art Taufe». «Als ich hierher kam, hatte ich das Gefühl, dass mein Glauben als Mitglied der Kommunistischen Partei stärker geworden ist», sagt der 49-Jährige, der seit 2009 Parteimitglied ist. Die Ausbildung empfinde er als «durstlöschend».
Die Anwärter betonen ihr Interesse am Dienst für die Allgemeinheit, doch wer für einen höheren Parteiposten ausgewählt wird, erhält auch Vorteile wie mehr Einfluss und schnellere Beförderungen in Staatsbetrieben, Ministerien und an Universitäten. Die Parteischulen dienten der Förderung ergebener Mitglieder und sollten sicherstellen, dass diese die oberste Führung und die Partei-Ideologie nicht in Frage stellten, sagt der Politologe Willy Lam von der Chinesischen Universität in Hongkong.
Xi, der seit 2012 Generalsekretär der KP ist, hatte im Februar eine Kampagne zur verstärkten Vermittlung von Wissen über die Parteigeschichte gestartet. Ausgespart bleibt dabei aber unter anderem die durch Maos Politik ausgelöste Hungersnot von 1959 bis 1961, die bis zu 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Auch die Millionen Toten der Kulturrevolution 1966 bis 1976, die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989, Machtkämpfe innerhalb der Partei sowie Korruptionsvorwürfe finden keine Erwähnung. Xi hoffe, dass «die Partei den Mythos wahren kann, immer korrekt und brillant darin gewesen zu sein, Chinas Position in der Welt zu fördern», sagt Lam.
Der Campus in Jinggangshan, Schauplatz eines historischen Gebirgskampfes von Maos Armee, ist einer von dreien der Führungsakademie, die sich an Entscheider und Parteirepräsentanten richtet. Laut einem Zeitungsbericht von 2016 verfügt die KP landesweit über 2900 Ausbildungszentren auf verschiedenen Regierungsebenen. Zum 18 Hektar grossen Campus in Jinggangshan gehören Schlafräume, ein Auditorium, eine Bibliothek und eine Cafeteria. Die Teilnehmer des zweiwöchigen Kurses verbringen täglich von halb neun morgens an sechseinhalb Stunden im Seminarraum.
«Dieser Geist der Aufopferung und Hingabe zur Partei und den Menschen ist sehr bemerkenswert und tiefgehend», sagt die Teilnehmerin Wei Yanju, stellvertretende Vorsitzende des Frauenverbands in der östlichen Provinz Shandong. «Ich hoffe, dass jeder hierher kommen kann, um China zu verstehen und zu erkennen, wie überlegen und grossartig China ist.» Parteimitglieder müssen jedes Jahr mindestens an 32 Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen. Für manche Führungspositionen sind 56 Tagungen notwendig.
«Parteivertreter wissen, dass es auf eine strahlende Zukunft für sie in der Partei hindeuten könnte, wenn sie zu bestimmten Kursen an einer Parteischule geschickt werden», erklärt Charlotte Lee vom Berkeley City College, die sich in einem Buch mit dem Thema befasst hat. «Im Gegenzug müssen sie ihre Loyalität und bestimmte Fähigkeiten unter Beweis stellen.»
Jahrzehnte werden übersprungen
Ausländische Journalisten wurden vor den Feierlichkeiten der Partei zur Gründung 1921 am Donnerstag zu einer Tour über den Campus von Jinggangshan eingeladen. Vor einem Hörsaal wurden Fotos von Xi gezeigt, während ein Dozent über die Reden des Präsidenten sprach und die Bedeutung von Parteigeist und -geschichte betonte. Die Parteigeschichte zu studieren sei die «Pflicht jedes Parteimitglieds, Kaders, der Masse und der Jugend», sagte Professor Chen Shenghua, Leiter des Forschungszentrums für parteigeschichtliche Bildung an der Akademie.
Eines der wichtigsten Ausbildungsziele für Parteimitglieder ist es laut Lehrplan, «Xi Jingpins Gedanken über den Sozialismus mit chinesischer Ausprägung zu studieren und in der neuen Ära anzuwenden». Ein Plan für höherrangige Mitarbeiter sieht vor, dass Parteitheorie und -geist mindestens 70 Prozent der Unterrichtseinheiten ausmachen müssen.
Im Mittelpunkt des Lehrplans in Jinggangshan stehen die frühen Tage der Partei von 1928 bis 1935 und Maos Kämpfe mit der nationalistischen Regierung. Die folgenden Jahrzehnte werden übersprungen, und es geht nahtlos mit modernen Erfolgen im Kampf gegen die Armut und das Coronavirus weiter. «Unter der Führung des Partei-Zentralkomitees mit Genosse Xi Jingping an der Spitze haben wir das gesamte Land mobilisiert», sagte Dozent Liu Qiufu. «Und wir haben den Krieg gegen die Epidemie gewonnen.»