Sauerstoff wird knapp Corona-Welle trifft Myanmar nach Putsch im Mark

AP/toko

12.7.2021 - 20:37

Menschen in Myanmar warten auf Sauerstoff.
Menschen in Myanmar warten auf Sauerstoff.
EPA/LYNN BO BO/Keeystone

Gewalt, Chaos, Krise: Das geschwächte Myanmar wird von einer neuen Corona-Welle überrollt. Und dem staatlichen Gesundheitssystem trauen viele nach dem Militärputsch vom Februar nicht mehr.

Seit Stunden steht Soe Win an, um Sauerstoff für seine Corona-kranke Grossmutter zu kaufen. «Ich warte seit fünf Uhr heute Morgen», sagt der junge Mann in der myanmarischen Metropole Yangon. «Sauerstoff ist knapper als Geld.»

Nach dem Militärputsch im Februar und der brutalen Niederschlagung von Protesten dagegen ist Myanmar nicht gewappnet für eine Corona-Welle, die seit Mai für eine dramatische Zunahme der Krankheitsfälle sorgt. Viele, wie Soe Wins Grossmutter, leiden zuhause, weil sie kein Bett in einem Spital finden – oder weil sie den staatlichen Kliniken nicht trauen.

Vor dem Putsch, als die demokratisch gewählte Aung San Suu Kyi noch De-facto-Regierungschefin war, gab es eine Reihe von Corona-Massnahmen. Beim Einsetzen der zweiten Welle im Spätsommer vergangenen Jahres gab es strenge Reisebeschränkungen, Yangon wurde praktisch abgeriegelt. Suu Kyi wandte sich immer wieder im Fernsehen in eindringlichen Worten an die Bevölkerung und erläuterte die Massnahmen. Impfdosen aus Indien und China wurden bestellt.



Weniger als eine Woche nach den ersten Spritzen für Mitarbeiter des Gesundheitswesens wurde Suu Kyi abgesetzt und festgenommen. Bei den landesweiten Protesten gegen den Sturz Suu Kyis, die von Soldaten brutal niedergeschlagen wurden, standen Ärzte und Gesundheitspersonal mit an der Spitze. Die Bewegung rief zum Widerstand gegen das Regime auf und forderte auch staatliche Angestellte auf, die Kooperation mit der Militärregierung zu verweigern.

Zwar setzten die Militärspitäler ihre Arbeit fort, Vertrauen in sie aber fehlte weitgehend. Ärzteschaft und Pflegekräfte, die sich gegen das staatliche System wandten, versuchten es mit provisorischen eigenen behelfsmässigen Gesundheitseinrichtungen, wofür ihnen wiederum die Festnahme drohte. Die Impfkampagne stockte.

Lange Schlangen für Sauerstoff

«Unter Suu Kyi arbeiteten die Regierung und Freiwillige zusammen, um die Krankheit unter Kontrolle zu bekommen», sagt Zeyar Tun, Gründer der Aktivistengruppe Clean Yangon. «Aber es ist schwer zu sagen, was die Zukunft unter Militärherrschaft bringt», erklärt er. Denn: «Kein vernünftiger Mensch mit einem guten Herzen und dem aufrichtigen Wunsch nach Wahrheit würde unter der Herrschaft der Junta arbeiten wollen.»

Fotos und Berichte über Angehörige von Covid-19-Patienten, die in langen Schlangen für Sauerstoff anstehen, werfen nun ein Schlaglicht auf den Zusammenbruch des Gesundheitswesens, während Corona um sich greift.

Schulen schliessen für zwei Wochen

«Unsere UN-Kollegen vor Ort berichten aus Myanmar, dass ihnen der rasante Anstieg der gemeldeten Covid-19-Fälle Sorgen bereitet», erklärt UN-Sprecher Stephane Dujarric in New York. Ein starker Corona-Ausbruch hätte verheerende Folgen für die Menschen und die Wirtschaft, laute die Einschätzung des UN-Teams in Myanmar.

Ende vergangener Woche ordnete das Gesundheitsministerium die Schliessung der Schulen für zwei Wochen an. In besonders schwer betroffenen Vierteln mehrerer Städte, darunter Yangon, gibt es Anweisungen, zuhause zu bleiben. Zur Versorgung der Kranken wurden provisorische Feldkliniken aufgebaut, der neue Machthaber General Min Aung Hlaing wies Sauerstoffproduzenten an, die Kapazitäten ihrer Werke auf Höchstleistung zu fahren.

Offiziell wurden bis zum Wochenende fast 190'000 Corona-Infektionen und mehr als 3750 Tote in dem 55-Millionen-Einwohner-Land registriert. Die Zahlen steigen alarmierend schnell. Und die Dunkelziffer dürfte viel, viel höher sein.

AP/toko