Pleite-Investor vor Gericht Darum geht es im Prozess gegen René Benko

SDA

14.10.2025 - 16:51

Prozess gegen Signa-Gründer Benko hat begonnen

Prozess gegen Signa-Gründer Benko hat begonnen

STORY: Am Landesgericht Innsbruck hat am Dienstag der erste Insolvenz-Prozess gegen den früheren Immobilien-Tycoon und Signa-Gründer Rene Benko begonnen. Laut Anklage soll der 48-Jährige im Zuge seiner Insolvenz als Einzelunternehmer Vermögen beiseitegeschafft und so Gläubiger geschädigt haben. Benko weist die Vorwürfe zurück.  Es ist der erste öffentliche Auftritt Benkos, der im Januar festgenommen wurde und sich seither in Untersuchungshaft befindet. Er wurde unter grossem Medieninteresse in den Gerichtssaal geführt und äusserte sich vor Prozessbeginn nicht. Dem Gericht zufolge sind rund 70 Journalisten aus dem In- und Ausland akkreditiert. Für den ersten Verhandlungstag sind die Eröffnungsplädoyers von Anklage und Verteidigung sowie die Befragung Benkos geplant. Am Mittwoch sollen Zeugen vernommen werden. Sofern keine weiteren Beweisanträge gestellt werden, könnte es dem Gericht zufolge am Mittwoch ein Urteil geben. Der Prozess in Innsbruck gilt als Auftakt der juristischen Aufarbeitung der Signa-Insolvenz. Die Pleite des Immobilien- und Handelskonzerns ist die grösste in der österreichischen Nachkriegsgeschichte. In dem aktuellen Verfahren geht es jedoch nur um einen kleinen Teil der Vorwürfe. Im Fall einer Verurteilung drohen Benko ein bis zehn Jahre Haft. Die Entscheidung über eine Fortdauer der Untersuchungshaft hängt nicht unmittelbar vom Ausgang des Prozesses ab. Benko stieg vom Schulabbrecher zum Milliardär auf. Er  baute mit Hilfe prominenter Investoren eines der grössten Immobilienimperien in Europa auf. Zu den prestigeträchtigen Objekten zählten der Hamburger Elbtower, die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe oder das Chrysler Building in New York. 

14.10.2025

Nach der Sigma-Pleite steht Ex-Milliardär René Benko im ersten Prozess vor Gericht. Welche Vorwürfe werden gegen ihn erhoben – und was hat der 48-Jährige zu befürchten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Keystone-SDA

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Vor fast zwei Jahren ging das Sigma-Imperium des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko pleite.
  • Nun muss sich der 48-Jährige in einem ersten Prozess vor Gericht verantworten.
  • Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess, seinen Ursachen und den potenziellen Folgen für Benko.

Knapp zwei Jahre nach dem Zusammenbruch seines Signa-Imperiums muss sich Firmengründer und Ex-Milliardär René Benko vor Gericht verantworten. Die Justiz ermittelt zu zahlreichen Verdachtsmomenten gegen den 48-jährigen Immobilienunternehmer. 

Der auf zwei Tage anberaumte erste Prozess vor dem Landgericht Innsbruck wurde zwar nach lediglich zwei Stunden auf Mittwoch vertagt, weil Benko sich nicht umfassend zu den Vorwürfen äussern wollte.

Es soll jedoch der überschaubare Auftakt zur strafrechtlichen Aufarbeitung der grössten Pleite in der österreichischen Geschichte werden. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:

Welche Vorwürfe stehen im Raum?

Benko soll Vermögenswerte beiseitegeschafft haben, um sie vor seinen Gläubigern zu verbergen. Das nennt man in Österreich betrügerische Krida. Die angeklagte Schadenssumme beträgt 660'000 Euro (rund 613'000 Franken).

Benko soll laut Staatsanwaltschaft einen «wirtschaftlich nicht vertretbaren» Miet- und Betriebskostenvorschuss für vier Jahre für ein Haus in Höhe von 330'000 Euro (rund 335'000 Franken) bezahlt haben. Ausserdem habe er einer Angehörigen 300'000 Euro (rund 278'000 Franken) geschenkt. Der Strafrahmen reicht bis zu zehn Jahren Haft.

Wie hat der Prozess begonnen?

Benko äusserte sich knapp zu seinen persönlichen Verhältnissen. Er verfüge über kein Einkommen, zu Schulden und Vermögen wollte er sich nicht äussern. Zu den beiden Punkten der Anklage bekannte er sich «nicht schuldig».

Die Staatsanwaltschaft führte aus, dass Benko sich trotz der drohenden Insolvenz seines Immobilien- und Handelsimperiums Signa geweigert habe, seinen luxuriösen Lebensstil aufzugeben. Er habe an sich und nicht an die Interessen der Gläubiger gedacht.

Aus Sicht der Verteidigung hat Benko dagegen alles versucht, sein Lebenswerk zu retten. Der Investor habe «bis zur körperlichen Selbstaufgabe» gekämpft. Die beiden Anklagepunkte seien rechtlich nicht haltbar, so sein Verteidiger Norbert Wess. Gerade das für zehn Jahre – davon vier im Voraus bezahlt – erworbene Mietrecht stelle einen Wert dar. Somit liege keine Schädigung der Gläubiger vor.

Benko war im dunklen Anzug, weissem Hemd und roter Krawatte erschienen. Er wirkte deutlich schmäler als zuletzt. Das mediale Interesse am ersten öffentlichen Auftritt seit Beginn seiner U-Haft war gross. Rund 70 Journalistinnen und Journalisten verfolgten den Auftakt.

Welche Ermittlungen gibt es sonst noch?

Insgesamt gibt es in Österreich 14 Ermittlungsstränge. Neben der betrügerischen Krida spielen der Verdacht der Untreue und des schweren Betrugs eine zentrale Rolle. «Es ist noch unklar, wann eventuelle weitere Anklagen erhoben werden», sagt der Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Martin Ortner.

Rund 15 Verdächtige sind im Visier der Justiz. Ermittelt wird auch in Deutschland und Italien – unter anderem wegen des Verdachts der Geldwäsche.

Was hat Benko zu befürchten?

Die Höchststrafe für alle Delikte, zu denen die Justiz gegen ihn ermittelt, beträgt jeweils zehn Jahre. Da Haftstrafen in Österreich nicht addiert werden dürfen, bliebe es im Fall des 48-Jährigen selbst bei mehreren Verurteilungen bei insgesamt höchstens zehn Jahren Haft.

Der erste Prozess gegen Investor René Benko wurde zwar sogleich vertagt, soll aber am Mittwoch fortgesetzt werden.
Der erste Prozess gegen Investor René Benko wurde zwar sogleich vertagt, soll aber am Mittwoch fortgesetzt werden.
Expa/Johann Groder/APA/dpa

Sollte diese Höhe nach ersten Urteilen erreicht werden, würden die restlichen Verfahren gegen Benko eingestellt.

Welche Dimension hat die Signa-Pleite?

Das auf Immobilien und Handel spezialisierte Signa-Imperium bestand aus nicht weniger als 1130 Gesellschaften. Eine Konzern-Bilanz hat die Signa niemals vorgelegt. Offenkundig vertrauten die Investoren auf die von Benko versprochenen Gewinn-Perspektiven.

Inzwischen laufen Hunderte von Insolvenzverfahren. Die Forderungen belaufen sich nach Angaben des Kreditschutzverbands KSV von 1870 auf rund 27 Milliarden Euro (rund 25,1 Milliarden Franken), von denen 9 Milliarden (rund 8,36 Milliarden Franken) anerkannt worden seien. Darin sind alle Forderungen enthalten, die Signa-Gesellschaften untereinander erheben. Der wirtschaftliche Schaden rein für externe Auftragnehmer ist noch nicht bezifferbar.

Wie sieht es mit Forderungen gegenüber Benko selbst aus?

Auch in seiner Insolvenz als Unternehmer sieht sich Benko immensen Forderungen gegenüber. Laut Gläubigerschutzverband Creditreform belaufen sich die Forderungen auf 2,7 Milliarden Euro (rund 2,51 Milliarden Franken). Anerkannt sind rund 45 Millionen Euro.

Wie wurde Benko zum Milliardär?

In der Schule in Innsbruck fiel er auf – durch Fehlstunden und glänzendes Netzwerken. Statt sein Abitur zu machen, zog er es vor, erstes Geld mit dem Ausbau von Dachböden zu verdienen. Früh gelang es ihm, Investoren von seinem Geschäftstalent zu überzeugen.

Seine 1999 in Signa umbenannte Immobilienfirma war eine der grössten in Österreich. Benko galt als Workaholic, der morgens um fünf Uhr aufstand und bis Mitternacht arbeitete. Für Aufsehen sorgte 2004 die Übernahme des Kaufhauses Tyrol in Innsbruck.

In Wien entwickelte er in bester Innenstadtlage das «Goldene Quartier». Er beteiligte sich später an Gebäuden wie dem Chrysler Building in New York, dem Nobelkaufhaus Selfridges in London oder dem Elbtower in Hamburg. Zu seinen Glanzzeiten wurde Benkos Vermögen – beflügelt von steigenden Immobilienpreisen – auf fast fünf Milliarden Euro (rund 4,46 Milliarden Franken) geschätzt.

Wie war sein Lebensstil?

Benko machte sich in der Öffentlichkeit insgesamt ziemlich rar. Aber immer wieder lud er die Spitzen aus Gesellschaft und Politik zu seinen Events ein. Er wurde in der Society geschätzt.

Sein Lebensstil war dem Niveau im Jetset angemessen. Er hatte eine 62-Meter-Jacht und einen Privatjet zur Verfügung, wohnte in einem riesigen Haus mit mehreren Tausend Quadratmetern Nutzfläche in Innsbruck, und seine Büros waren exquisit möbliert. Zum Unmut der Öffentlichkeit schien er auch nach der Pleite zumindest teilweise an diesem Stil festzuhalten.

Was wurde Benko zum Verhängnis?

Im Immobiliengeschäft sind die Zinskosten für Kredite ein entscheidender Faktor. Als die Zinsen nach einer langen Niedrigzins-Phase wieder stiegen, geriet die Signa rasch in Schwierigkeiten. Benko versuchte noch, Geld von alten und neuen Investoren aufzutreiben. Neben den riesigen Problemen im Immobilienbereich gilt der Einstieg ins Handelsgeschäft mit dem Kauf von Karstadt und Kaufhof als schwere Belastung.

Benko habe sich mit dem Investment in den stationären Handel in Deutschland auch eine Art Denkmal im grossen Nachbarland setzen wollen, vermuten Beobachter. In Österreich war Benko mit Kika/Leiner in den umkämpften Möbelhandel eingestiegen. Das Unternehmen ist mittlerweile insolvent.

Wie geht es weiter?

Nach dem aktuellen Prozess werden voraussichtlich weitere folgen. Bei der Aufarbeitung der Signa-Pleite müssen die Insolvenzverwalter Vorgänge melden, die strafrechtlich relevant sein könnten. Die Staatsanwaltschaft verfolgt dann diese Hinweise. Die Beteiligten gehen davon aus, dass die Verfahren viele Jahre dauern könnten.