Schweizerischer Erdbebendienst «Das Beben war stark – aber nicht überraschend»

Jenny Keller

28.3.2025

Patient*innen aus vielen Krankenhäusern wurden in Bangkok schnell ins Freie transportiert.
Patient*innen aus vielen Krankenhäusern wurden in Bangkok schnell ins Freie transportiert.
Sakchai Lalit/AP/dpa

Ein Erdbeben der Stärke 7,7 hat Teile von Thailand und Myanmar erschüttert. Was ist bekannt – und was bedeutet das Ereignis aus geologischer Sicht? Der Schweizerische Erdbebendienst ordnet ein.

Jenny Keller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das Beben kam für die Bevölkerung ohne Vorwarnung. Es ereignete sich allerdings entlang einer aktiven geologischen Verwerfung, die Nord-Süd durch Myanmar verläuft.
  • Die Verwerfung liegt an der Grenze zwischen der Indischen und Eurasischen Platte – einer bekannten seismischen Gefahrenzone.
  • Minuten nach dem Hauptbeben der Stärke 7,7 kam es zu einem Nachbeben mit Magnitude 6,4 – gefolgt von mehreren weiteren kleineren Beben.
  • Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) erklärt, dass Frühwarnsysteme wie in Japan oder Italien ein sehr dichtes Netz an seismischen Stationen erfordern – ein solches gibt es in Südostasien derzeit (noch) nicht.

Ein starkes Erdbeben mit Epizentrum in Myanmar hat die Region Südostasien erschüttert. blue News hat bei Paolo Bergamo vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED) nachgefragt, wie sich das Beben wissenschaftlich einordnen lässt – und was es für den globalen Katastrophenschutz bedeutet.

Der Experte betont: «Ein Beben dieser Stärke ist für die Region nicht aussergewöhnlich.»

Das Epizentrum des Bebens lag in etwa 10–20 Kilometern Tiefe – «die genaue Bestimmung ist schwierig, da es in der Region nur wenige Messstationen gibt», so Bergamo.

Keine Vorzeichen – aber ein erwartbares Ereignis

Die Stärke des Bebens war so gross, dass die Erschütterungen bis nach Bangkok (über 1000 Kilometer südlich) und bis in die chinesische Provinz Yunnan deutlich spürbar waren. In Bangkok stürzte mindestens ein Gebäude ein.

Signifikante seismische Vorzeichen vor dem Beben gab es laut Paolo Bergamo vom SED nicht. «Derzeit gibt es keine Aufzeichnungen über signifikante seismische Aktivitäten vor dem Ereignis», sagt er.

In den sieben Tagen zuvor wurde in der Region kein Beben mit einer Magnitude über 3 registriert. Allerdings sei die seismische Überwachung vor Ort nicht besonders dicht. Kleinere Vorbeben könnten daher unbemerkt geblieben sein.

Tektonisch hochexplosive Zone

Dennoch war das Beben aus geologischer Sicht nicht überraschend. Laut dem Erdbebendienst sind Beben dieser Stärke für die Region grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Seit 1900 gab es dort mindestens sechs weitere Beben mit einer Magnitude von 7 oder mehr.

So etwa im Januar 1990 ein Beben der Stärke 7,0, das 32 Gebäude zum Einsturz brachte. 1912 ereignete sich südlich des jetzigen Epizentrums ein Beben mit Stärke 7,9.

Das Beben ereignete sich entlang der Sagaing-Störung, einer bedeutenden geologischen Verwerfung, die in Nord-Süd-Richtung durch Myanmar verläuft. Diese Störung ist Teil eines komplexen Systems an der Grenze der Indischen und Eurasischen Platte – einer der geologisch aktivsten Zonen Asiens.

Nur wenige Minuten nach dem Hauptbeben kam es etwa 30 Kilometer südlich zu einem Nachbeben der Stärke 6,4. Eine Stunde später folgten drei weitere kleinere Beben mit einer Stärke von 4,5 in etwa 70 Kilometer Entfernung nördlich des Epizentrums. «Auch in den nächsten Tagen und Wochen ist mit weiteren Nachbeben zu rechnen», erklärt Paolo Bergamo. Diese könnten erneut Schäden verursachen.

Frühwarnsysteme? Fehlanzeige

In Thailand und Myanmar existieren derzeit keine Erdbebenfrühwarnsysteme, wie sie etwa in Japan, Mexiko, Italien, der Türkei, Rumänien, China und Taiwan eingesetzt werden. Solche Systeme benötigen ein engmaschiges Netz seismischer Stationen nahe aktiver Verwerfungen – in Südostasien fehlt diese Infrastruktur.

Nach dem Tsunami von 2004, bei dem fast 250'000 Menschen ums Leben kamen, wurde zwar ein Tsunami-Warnsystem für Indonesien und andere betroffene Gebiete eingerichtet – doch dieses unterscheidet sich technisch von einem Erdbeben-Frühwarnsystem.

Letzteres nutzt die Zeitverzögerung zwischen den ersten, weniger schädlichen Wellen (P-Wellen) und den zerstörerischen Wellen (S-Wellen), um Warnungen auszusenden. Pro 6 Kilometer Entfernung vom Epizentrum ergibt sich etwa eine Sekunde Vorwarnzeit – sofern das System gut funktioniert.

Beben bis nach China spürbar

Die Wucht des Bebens war enorm: Selbst in Bangkok, rund 1000 Kilometer südlich des Epizentrums, war es deutlich spürbar – dort stürzte ein Gebäude ein. Auch aus der südchinesischen Provinz Yunnan wurden Schäden gemeldet.

Zwar analysiert der Schweizerische Erdbebendienst keine lokalen Daten aus Myanmar direkt, doch bei bedeutenden Ereignissen wie diesem wird die Relevanz geprüft – und gegebenenfalls der Kontakt zum Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) aufgenommen.

Dieses gehört zur Humanitären Hilfe der Schweiz und koordiniert mögliche Unterstützungsleistungen im Ausland.

Welche Lehren für die Schweiz?

Auch wenn sich das Beben in Südostasien ereignet hat, sind die Erkenntnisse auch für Mitteleuropa relevant. «Ereignisse wie dieses könnten ein Anstoss sein, Massnahmen zur Risikominderung weiter zu intensivieren – etwa bei Baunormen oder in der Vorbereitung des Zivilschutzes», sagt Paolo Bergamo.

Eine präzise Erdbebenvorhersage bleibt weiterhin nicht möglich. Allerdings ist die sogenannte operative Erdbebenvorhersage, bei der Wahrscheinlichkeiten bewertet werden, Gegenstand aktueller Forschung – auch in der Schweiz.

Die Redaktorin hat diesen Artikel mithilfe von KI geschrieben.