Nächste Woche beginnen die Olympischen Winterspiele in Peking. Und der Corona-Kurs der Regierung wird noch strikter, als er es ohnehin schon war. Das geht so weit, dass sich jeder testen lassen muss, der sich bestimmte Medikamente aus der Apotheke holt.
AP/toko
27.01.2022, 00:00
27.01.2022, 02:01
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Studentin Cheryl Zhang in Peking kaufte in einer Apotheke ein Medikament gegen Erkältung. Vier Tage später erhielt sie über die Gesundheitscode-App, die alle Chinesen auf ihrem Smartphone eingerichtet haben, die Anweisung, sich auf das Coronavirus testen zu lassen. «Ich geriet in Panik», schilderte Zhang, während sie die Strasse gegenüber dem Olympischen Dorf entlang schlenderte. «Aber als ich in die Klinik kam und sah, wie sich das medizinische Personal bemühte, die Dinge ordentlich abzuwickeln, war ich nicht mehr zornig. Die Sache wurde sehr schnell erledigt.»
Null Toleranz
Eine Testpflicht für alle, die Medikamente gegen Erkältung, Husten, Fieber und anderes kaufen, ist Teil von Chinas «Null Toleranz»-Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking noch verschärft worden ist. Die Einwohner der Hauptstadt sind zunehmend auch mit plötzlichen Lockdowns konfrontiert - alles, um zu verhindern, dass ein plötzlicher Corona-Ausbruch einen Schatten auf die Spiele wirft, die am 4. Februar eröffnet werden.
Der Kauf von bestimmten Arzneimitteln muss von den Kunden selbst über die App angezeigt werden. Ein Aushang in einer Pekinger Apotheke am Dienstag etwa besagte, dass sich jeder, der innerhalb der vergangenen zwei Wochen vier Arten von Medikamenten erworben habe, binnen 72 Stunden testen lassen müsse. Wenn das nicht befolgt werde, habe das Auswirkungen auf den persönliche Gesundheitsstatus, der auf dem Handy angezeigt sei. Und das wiederum «wirkt sich möglicherweise auf dein tägliches Leben aus», etwa darauf, inwieweit man ausgehen könne.
Ausgangssperre für Anwohner
In der Siedlung Anzhem rund zwei Kilometer vom Olympischen Hauptdorf entfernt mussten die Bewohner von Sonntagmorgen bis Dienstagnachmittag daheim bleiben. Für ein Gebäude wurde die Ausgangssperre noch verlängert. Über bestätigte Infektionsfälle in dem Gebiet verlautete nichts, aber alle Bewohner erhielten die Anweisung, sich testen zu lassen. Eine zweite Runde wurde für Donnerstag angesetzt, und die Menschen in der Siedlung sind ausserdem gehalten, ihren Gesundheitszustand nach Aufhebung der Quarantäne zwei Wochen lang genau zu verfolgen.
Solche strikten Vorschriften sind der Grund dafür, dass in China nach der ersten Welle kaum noch Corona-Fälle vermeldet wurden. Am Dienstag registrierten die chinesischen Behörden lediglich 19 im Inland übertragene Neuinfektionen, davon fünf in Peking. Nur ganz wenige haben gegen die strengen Regeln protestiert, wohl auch eine Folge des autoritären Kurses der herrschenden Kommunistischen Partei, die freie Meinungsäusserungen begrenzt und keine Opposition duldet.
Aber immerhin sagt ein älterer Bewohner in der Anzhem-Siedlung, er wünschte sich, dass die Behörden ihn und seine Nachbarn besser informierten. «Ich sorge mich nicht zu sehr, aber ich hoffe, dass die Lage transparenter werden kann», so der Mann, der seinen Namen nicht genannt haben wollte. «Wir sind in der Nähe des Olympischen Dorfes, und wenn sie jeden vor den Spielen testen wollen, verstehen wir das. Aber jetzt wurden wir einem Lockdown ausgesetzt, und man hat uns nichts gesagt.»
Insgesamt gab es zuletzt Ausgangssperren in mindestens sechs Pekinger Gebieten und der Stadtregierung zufolge ist eine zweite Runde von Coronatests für die zwei Millionen Einwohner im Bezirk Fengtai geplant. Dort sind die meisten der 40 Fälle aufgetreten, die seit dem 15. Januar in der Hauptstadt ausgemacht wurden. Es sind auch einige Zugverbindungen und Flüge nach Peking ausgesetzt worden, um Reisende aus Gebieten mit Ausbrüchen fernzuhalten.
Die strengen Massnahmen trotz einer relativ kleinen Zahl von Coronafällen zeigen, wie gross die Sorge ist, die im Zusammenhang mit den Spielen herrscht. So werden auch alle Olympia-Teilnehmer bei ihrer Ankunft und danach täglich getestet sowie völlig von der allgemeinen Öffentlichkeit abgeschottet werden. Mehr als 3000 Menschen sind seit dem 4. Januar bereits zu den Spielen angereist, darunter mehr als 300 Athleten und Sportfunktionäre sowie Medienvertreter, wie die Organisatoren am Montag mitteilten. Bislang sind Coronatests in 78 Fällen positiv ausgefallen, darunter einer unter den Sportlern oder Funktionären.
Chinas Präsident Xi Jinping versicherte am Dienstag dem Chef des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, dass in Peking alles vorbereitet sei, um «einfache, sichere und grossartige Spiele» abzuhalten, wie die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua meldete.
Jin Dong Yan, ein Virologe an der Universität Hongkong, meint, dass die kleinen Ansammlungen von Coronafällen nach derzeitigem Stand wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Spiele haben würden. Wie er hinzufügt, gibt es in der Bevölkerung durchaus Beschwerden über die strikten Schutzvorschriften, nur würden sie nicht öffentlich, sondern im Privaten geäussert. «Tatsächlich wird unter dem Tisch viel gefragt und protestiert und geklagt», was etwa die Lockdowns und andere Massnahmen betreffe, die oft mit wenig Vorwarnung verhängt würden, so Jin.
Yang Haiping betreibt ein Restaurant, dass er nach eigenen Angaben vorübergehend schliessen musste, weil viele seiner Beschäftigten wegen des Lockdowns in der Anzhen-Siedlung das Haus nicht verlassen durften. So kurzfristig, dass manche keine Zeit mehr gehabt hätten, sich mit Nahrung einzudecken. So habe er sie denn mit Essen versorgt - durch Tore hindurch, die von der Polizei bewacht wurden. Und nun, so sagt Yang, «warten wir auf die Mitteilung, was wir als Nächstes zu tun haben.»