«Wie Amazon Prime für Menschen» Das ist ICE – die Behörde hinter den Protesten in L.A.

Noemi Hüsser

12.6.2025

Ein Soldat der Nationalgarde steht hinter einem Aufbau, den jemand mit dem Schriftzug «Fuck ICE» beschriftet hat.
Ein Soldat der Nationalgarde steht hinter einem Aufbau, den jemand mit dem Schriftzug «Fuck ICE» beschriftet hat.
Benno Schwinghammer/dpa

Seit Tagen demonstrieren Tausende in Los Angeles gegen die Migrationsbehörde ICE. Ihr zunehmend aggressives Vorgehen sorgt in migrantischen Communitys für Angst – und bringt im ganzen Land Menschen auf die Strasse.

Noemi Hüsser

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In Los Angeles protestieren Tausende gegen die US-Migrationsbehörde ICE und deren verschärfte Abschiebepraxis unter Donald Trump.
  • ICE führt vermehrt Razzien an Arbeitsplätzen, Schulen und öffentlichen Orten durch – teilweise ohne richterliche Verfahren.
  • Die Angst unter Migrant*innen wächst, Proteste breiten sich landesweit aus.

Seit letztem Freitag protestieren in Los Angeles Tausende Menschen gegen die Migrationspolitik von US-Präsident Donald Trump. Trump hat daraufhin gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs die Nationalgarde nach Kalifornien entsandt.

Im Zentrum der Proteste: Die US-Behörde «Immigration and Customs Enforcement» (ICE). Doch was macht die Behörde überhaupt?

ICE ist zuständig für die Durchsetzung von Einwanderungs- und Zollgesetzen innerhalb der USA. Das bedeutet: Die Behörde sucht nach Migrant*innen, die sich ohne Papiere im Land aufhalten, bringt sie vor Gerichte, und schiebt sie ab. Etwa 14 Millionen solche undokumentierte Einwanderer*innen leben schätzungsweise in den USA.

Gegründet wurde ICE unter dem Präsidenten George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Die US-Präsidenten haben seither unterschiedlich auf die Behörde gesetzt. Trump hat nach seinem Amtsantritt den Druck auf ICE erhöht, die Zahl der Verhaftungen und Abschiebungen stark zu steigern.

Todd Lyons, der Direktor von ICE, soll laut dem «Arizona Mirror» im April an einer Konferenz gesagt haben: «Wir müssen besser darin werden, das Ganze als Geschäft aufzuziehen.» Er stelle sich ein System von Lastwagen vor, das reihenweise Menschen zur Abschiebung einsammelt. «Wie Amazon Prime für Menschen.»

Todd Lyons, der Direktor von ICE, stellt sich ein System von Lastwagen vor, das reihenweise Menschen zur Abschiebung einsammelt.
Todd Lyons, der Direktor von ICE, stellt sich ein System von Lastwagen vor, das reihenweise Menschen zur Abschiebung einsammelt.
KEYSTONE

Laut der «New York Times» hat die Behörde deswegen die Schichten ihrer Beamten so organisiert, dass sie sieben Tage die Woche zur Verfügung stehen. Zusätzlich hat sie Kriminalbeamte, die sich normalerweise auf Themen wie Menschenhandel konzentrieren, um Hilfe bei der Identifizierung von undokumentierten Migrant*innen gebeten. Auch die Öffentlichkeit wurde aufgefordert, Hinweise zu melden.

ICE konzentriert sich unter Trump auch gezielter auf Durchsuchungen von Arbeitsplätzen, an denen Migrant*innen gehäuft arbeiten – wie in Los Angeles. Die Proteste dort sind eine Reaktion auf Razzien von ICE an Arbeitsorten, Schulen und öffentlichen Einrichtungen, an denen Dutzende Einwanderer*innen festgenommen wurden. Die Beamten waren dabei teilweise vermummt.

«Alle haben Angst»

Bisher galten Städte wie Los Angeles und New York als «Sanctuary Cities». Orte, an denen undokumentierte Migrant*innen bei Verkehrskontrollen oder Arztbesuchen nicht automatisch abgeschoben wurden. Doch seit ICE härter vorgeht, wächst die Angst.

Die «New York Times» schrieb schon kurz nach Trumps Amtsantritt über zunehmende Unsicherheit in migrantischen Communitys. «Alle haben Angst», sagte der Inhaber eines Barbershops in Los Angeles. Viele Kund*innen blieben aus Angst vor der Einwanderungsbehörde weg. «So schlimm war es seit Covid-19 nicht mehr», sagte auch ein Ladenbesitzer. «Alle bleiben zu Hause.»

Die Proteste und die Angst vor ICE beschränken sich längst nicht mehr auf Los Angeles. Unter anderem auch in San Francisco, New York, in Chicago oder Dallas gehen Menschen auf die Strasse. «Meine Kinder brauchen ihre Mutter an ihrer Seite, und meine grösste Angst ist, dass ich abgeholt und ihnen weggenommen werde», sagte eine Mutter aus Colorado der «New York Times». «Die Leute denken, ICE ist überall», sagte ein Pastor aus North Carolina.

Gesetz aus dem 18. Jahrhundert

Unter Trump schiebt ICE Migrant*innen teils ohne Gerichtsverfahren ab. Im März beispielsweise wurden Hunderte in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador ausgeschafft. Trump warf ihnen vor, Mitglieder einer kriminellen Bande zu sein.

Trump berief sich dafür auf ein Kriegsgesetz aus dem 18. Jahrhundert, den «Alien Enemies Act». Das Gesetz erlaubt es im Kriegsfall, Bürger*innen einer «feindlichen Nation» ohne Verfahren inhaftieren und abschieben zu lassen.

Vor Trump wurde das Gesetz nur dreimal angewendet: im Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812 und in beiden Weltkriegen. Ob Trump das Gesetz nun rechtmässig anwenden darf, ist umstritten. Der Supreme Court hat sich mehrmals dagegen ausgesprochen, eine finale Entscheidung steht aus.


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In Los Angeles wird demonstriert. Gegen die Trump-Regierung und gegen das Vorgehen der Einwanderungsbehörde ICE. Stuntfrau Simone Bargetze zeigt, wie es vor Ort aussieht und spricht mit Teilnehmer*innen.

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