Eigengoals und Geheimnis-BuheiDas sind die drei sonderbarsten Aspekte des Chat-Skandals
Philipp Dahm
28.3.2025
Geheimchat-Affäre: Pentagon-Chef weiter unter Druck
Pentagon-Chef unter Druck: In der Affäre um einen brisanten Geheimchat der US-Regierung wehrt sich Verteidigungsminister Pete Hegseth vehement gegen den Vorwurf, er habe über einen unsicheren Kanal geheime Militärpläne offengelegt und damit auch US-Soldaten in Gefahr gebracht. Hegseth argumentiert, er habe keine kritischen Informationen preisgegeben.
27.03.2025
Was ist eigentlich geheim – und was nicht? Wer hat im Weissen Haus wirklich das Sagen? Und warum giessen die Republikaner immer mehr Öl ins Feuer? Diese drei Punkte beim Chat-Skandal fallen auf.
Der Chat-Skandal bewegt die USA: Drei Punkte machen stutzig.
Die Republikaner heizen mit ihrem Umgang mit der Affäre den Skandal weiter an, anstatt die Wogen zu glätten.
Wann ist geheim geheim? Während die Startzeiten von Abschiebeflügen als Staatsgeheimnis behandelt werden, sind die Angriffspläne im Signal-Chat kein Problem, sagt die Regierung.
Wer hat eigentlich das Sagen im Weissen Haus? Trump will eine Anordnung von ihm gar nicht selber unterschrieben haben – und im Signal-Chat hat Stephen Miller das letzte Wort.
Der Chat-Skandal in den USA zieht weiter Kreise. Dass sich das ganze langsam zu einer Staatsaffäre aufschaukelt, liegt auch an der Regierung selbst. Drei Punkte stechen bei dem Vorfall ins Auge.
Republikaner befeuern ihren eigenen Skandal
Es hätte so einfach sein können: Die Kabinettsmitglieder räumen einen Fehler ein und versprechen, dass sowas nicht wieder vorkommt. Doch die Minister und Berater haben offensichtlich von ihrem Chef gelernt: Donald Trump räumt niemals ein, falsch gelegen zu haben.
Stattdessen attackiert US-Verteidigungsminister Pete Hegseth Jeffrey Goldberg als einen «betrügerischen und diskreditierten sogenannten Journalisten», obwohl die beiden vor der Veröffentlichung des Skandals miteinander gesprochen haben.
Cotton: Correct me if I'm wrong, they testified that there's no intelligence community classified information. Is that correct?
Und das, obwohl Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard vor dem Repräsentantenhaus versichert hat, die Informationen des Chats seien gar nicht geheim. Diese Aussage wiederum veranlasst Goldberg, weitere Teile des Chats zu veröffentlichen, die ganz klar die Angriffspläne des US-Militärs ausweisen.
Apropos: Auch um die Wortwahl wird viel Buhei gemacht. Vertreter der Regierung wiederholen mantraartig, dass im Chat keine «war plans» veröffentlicht worden sind. Goldbergs Überschrift über seinem Folgeartikel ist deshalb: «Hier sind die Angriffspläne, die Trumps Berater auf Signal geteilt haben».
The Atlantic has conceded: these were NOT “war plans.”
This entire story was another hoax written by a Trump-hater who is well-known for his sensationalist spin. pic.twitter.com/atGrDd2ymr
Dass Goldberg nicht wie im ersten Artikel von «war planes» schreibt, feiert die Pressesprecherin des Weissen Hauses als grossen Erfolg. «The Atlantic ist eingeknickt», schreibt Karoline Leavitt auf X – und brandmarkt deshalb auch gleich die gesamte Recherche als «Schwindel». Goldberg bezeichnet die 27-Jährige als Trump-Hasser, der bloss auf Sensationen setze.
Ingraham: How did the number end up—
Waltz: Have you ever had somebody's contact that shows their name and then you have somebody else's number. Of course I didn’t see this loser. Whether he did it deliberately… pic.twitter.com/ranmAPPNkT
Auch das passt ins Bild: Die Republikaner greifen nicht die Kollegen an, die Mist gebaut haben, sondern den Journalisten, der in die Sache reingezogen worden ist. Kostprobe gefällig? Im obigen Video sagt Sicherheitsberater Michael Waltz erst, er trage die Verantwortung für den Schlamassel.
Als «Fox News»-Frau Laura Ingraham fragt, wie das passieren konnte, gibt Waltz eine einigermassen abenteuerliche Erklärung ab, in deren Verlauf der Satz fällt: «Natürlich habe ich nicht gesehen, dass dieser Loser in der Gruppe ist.» Er wolle nun überprüfen, ob Goldberg «bewusst» in die Gruppe gekommen ist.
Für die er selbst verantwortlich war.
Wann ist geheim geheim?
Dass die Republikaner mit zwei Ellen messen, wenn man ihre jetzige Reaktion mit früheren Forderungen vergleicht, die nach Daten-Pannen der demokratischen Regierung gestellt worden sind, soll jetzt gar nicht Thema sein.
CNN put together a collection of clips of various Trump officials who were on the signal chat criticizing Hillary Clinton’s email server
Etwas anderes fällt auf – wenn man den Chat-Skandal mit einem anderen Fall vergleicht: Es geht um Richter James Boasberg, der mit einer Verfügung die Abschiebeflüge von Venezolanern gestoppt hatte. Die Regierung liess die Flugzeuge dennoch abheben.
Zunächst habe nur ein mündliches Urteil vorgelegen, hiess es zur Begründung. Als die schriftliche Anordnung vorlag, hätten die Flieger bereits den US-Luftraum verlassen. Als Boasberg die Abflugprotokolle verlangt, winkt die US-Regierung ab. Das sei ein Staatsgeheimnis. Der Fall ist damit ad acta gelegt, muss Boasberg konstatieren.
Und nun erschüttert der Chat-Skandal Washington: Kabinettsmitglieder reden sich heraus, indem sie behaupten, der Inhalt des Gruppengesprächs sei gar nicht geheim. Nur deshalb traut sich «The Atlantic» nach Rücksprache mit Anwälten, weitere Details bekanntzugeben, die wohl für sich sprechen.
🚨 BREAKING
Jeffrey Goldberg releases entirety of Houthi PC Signal chat organized by NSA Waltz (screenshots from start to finish)
Peter Hegseth wants you to believe this level of information he wrote was not "secret" or otherwise "Classified"
BULLSHIT!
Warum die Flugdaten von Abschiebeflügen ein Staatsgeheimnis sind, die Einzelheiten einer Attacke des US-Militärs aber nicht, bleibt das Geheimnis der Republikaner. Boasbergs Stopp von Abschiebungen unter dem Alien Enemies Act bleibt allerdings bestehen: Ein entsprechender Rekurs der Regierung ist vor dem Appellationsgericht gescheitert.
Ein Gericht wird sich nun übrigens auch mit dem Chat-Skandal beschäftigen– und am 26. März ist der Fall ausgerechnet an einen Richter gegangen, dessen Absetzung Trump bereits gefordert hat: Es ist James Boasbaerg. Der US-Präsident kocht deswegen vor Wut.
Wer hat eigentlich das Sagen?
Hierzu eine Vorgeschichte: Dass Donald Trump jenen Alien Enemies Act von 1798 aus der Mottenkiste geholt hat, um Abschiebungen zu forcieren, hat zunächst für viel Kritik gesorgt. Und dann für jede Menge Verwirrung.
Denn der Präsident will mit der Sache plötzlich nichts mehr zu tun gehabt haben: «Ich weiss nicht, wer es unterschrieben hat, denn ich habe es nicht unterschrieben», zitiert der «Independent» den 78-Jährigen. «Andere Leute haben sich darum gekümmert.»
Weiss von nichts: Donald Trump.
KEYSTONE
Und wer war es dann? «Marco Rubio hat einen tollen Job gemacht. Er wollte, dass [die Migranten] verschwinden, und wir sind damit einverstanden. Wir wollen Kriminelle aus unserem Land herausbringen.» Das Problem: Das Dekret des Präsidenten ist rechtlich nur bindend, wenn er auch selbst unterzeichnet.
Die Frage, wer eigentlich am Ruder ist, wirft auch der Chat-Skandal auf: Dessen hochrangigster Teilnehmer ist JD Vance. Der Vizepräsident bezweifelt, dass der Angriff im Interesse seines Bosses ist, weil er die Ölpreise hochtreiben könnte. Er sei aber «bereit, den Konsens des Teams zu unterstützen und diese Bedenken für sich zu behalten».
anyway stephen miller and elon musk are running the country while grandpa does the only thing he likes (gossips to the press)
Es sei denn, alle anderen stünden hinter seinem Argument, sodass er nicht alleine Trump mit der Sache konfrontieren muss. Die Diskussion wird dann aber abgebrochen – von einem Berater des Präsidenten. «So wie ich es verstanden habe, war der Präsident klar: grünes Licht.»
Das erweckt den Eindruck, dass Trump in die Planung des Angriffs wenig involviert war: Hat der New Yorker seine Regierung wirklich unter Kontrolle? «Das wirkliche Problem des Signal-Chat-Leaks ist, dass es eine systematische Unehrlichkeit zeigt», so das Fazit des «Guardians».
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#03: Trump – das ist nicht neutral: Wer solche Waffenruhe-Freunde hat, braucht keine Feinde
Donald Trump hat Druck gemacht – und erreicht, dass in Saudi-Arabien über eine Waffenruhe in der Ukraine verhandelt wird. Gleichmässig verteilt war dieser Druck allerdings nicht, wie dieses Video zeigt.