Dealmaker ohne Deal Dealmaker ohne Deal: Warum Trump das Treffen mit Kim abgesagt hat

Zeke Miller, Catherine Lucey und Jonathan Lemire, AP

25.5.2018

Das war's: Vorerst gibt es kein Treffen zwischen dem mächtigsten Mann Nordkoreas und dem mächtigsten Mann der Erde. Die Aussicht auf einen Frieden auf der Koreanischen Halbinsel rückt wieder in weite Ferne. Für Trump ist das eine verpasste Chance.

Für den US-Präsidenten und Geschäftsmann Donald Trump stellt das abgesagte Treffen mit dem nordkoreanischen Staatsführer Kim Jong Un zunächst einmal einen verpassten Deal dar. Beleidigungen vonseiten Nordkoreas haben er und seine Regierung in ungewohnter Weise ebenso hingenommen wie den Frust darüber, dass bei Anrufen in Pjöngjang einfach nicht der Hörer abgenommen wurde. Stundenlang warteten US-Regierungsvertreter auf nordkoreanische Verhandlungspartner, nur um dann unerledigter Dinge aus Singapur wieder abzureisen.

Und wofür das alles? Ein Treffen mit Kim in Singapur. Was nach einem simplen tête-à-tête zweier Staatschefs klingt, ist in Wirklichkeit viel mehr als das: Es war die Rede von nichts Geringerem als Friedensaussichten für die Koreanische Halbinsel. Trump persönlich konnte vom Friedensnobelpreis träumen.

Warnungen ignoriert

Der US-Präsident, der sich selbst als genialer Dealmaker betrachtet, wollte trotz allem an dem Plan festhalten. Bemüht um eine grosse Errungenschaft und gierig nach einem dramatischen Augenblick der Weltgeschichte, stimmte er dem Angebot Kims zu einem Gipfeltreffen im März innerhalb von weniger als einer Stunde zu. Dass ihn sein Umfeld warnte, dass das Ganze nach hinten losgehen könnte, ignorierte er.

Weil sich die Aussichten zuletzt aber immer weiter verschlechterten und auch seine Berater immer skeptischer wurden, zog Trump letztlich die Reissleine. Am Donnerstagmorgen (Ortszeit) legte er fest, dass das Treffen - vorerst - ein unerfüllter diplomatischer Traum bleibt.

Am Vorabend war er über die jüngsten streitlustigen Botschaften aus Pjöngjang in Kenntnis gesetzt worden. Darunter war auch diejenige eines atomaren Showdowns. Die Sorgen der Trump-Berater, Nordkorea nehme die Gespräche nicht ernst, wurden dadurch bestätigt. Trump schlief eine Nacht drüber, dann konsultierte er Aussenminister Mike Pompeo und seinen nationalen Sicherheitsberater John Bolton. Er entschied: Weitergehen kann es so nicht.

Doch kein Treffen am 12. Juni: US-Präsident Donald Trump (links) hat das mit Spannung erwartete Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un abgesagt. (Archiv)
Doch kein Treffen am 12. Juni: US-Präsident Donald Trump (links) hat das mit Spannung erwartete Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un abgesagt. (Archiv)

Trump schrieb einen Brief an Kim, der fast liebevoll, vor allem aber traurig über eine verpasste Chance klingt. «Ich hatte das Gefühl, dass sich zwischen Ihnen und mir ein wundervoller Dialog aufbaute», schrieb er. «Ich freue mich sehr darauf, Sie eines Tages zu treffen.»

Für den Geschäftsmann Trump war die Gelegenheit zu einem möglichen Atomdeal mit Nordkorea unwiderstehlich. Er hätte damit erreichen können, was seinem Vorgänger Barack Obama in acht Jahren Präsidentschaft nicht gelungen war. Schon seit Jahrzehnten hat das fortschreitende nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm bei amerikanischen Präsidenten Kopfschmerzen ausgelöst.

Und dann auf einmal das: Kim hiess Pompeo zweimal in Pjöngjang willkommen, erklärte, er habe nichts gegen eine Präsenz des US-Militärs in Südkorea, und sagte sogar, er könne sich vorstellen, über die Beseitigung seines Atomwaffenarsenals zu sprechen. Eine Zeit lang erschien Fortschritt möglich - und es sah so als ob der ungewöhnlich rabiate Ansatz des US-Präsidenten wirklich Früchte tragen könnte.

Gute Miene zum bösen Spiel

Trump macht eine Reise Kims nach China vor zwei Wochen für dessen von ihm beobachteten Gesinnungswandel verantwortlich. Kims vorherige Zugeständnisse klangen danach zunehmend unglaubwürdig. Erst zog sich die nordkoreanische Regierung aus den geplanten Friedensgesprächen mit Südkorea zurück und drohte wegen amerikanisch-südkoreanischer Militärmanöver und Trumps vehementer Forderung nach einer Aufgabe der nordkoreanischen Atomwaffen auch damit, das Gipfeltreffen in Singapur am 12. Juni platzen zu lassen.

Und trotzdem versuchte die Trump-Regierung, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die veränderte Tonlage Kims wurde als Schachzug für die bevorstehenden Verhandlungen abgetan, in Washington verwies man darauf, dass Nordkorea keinerlei Botschaft zu Änderungen am singapurischen Treffen übermittelt habe.

Das Problem: Die USA hörten generell nichts aus Pjöngjang. Vertreter des Weissen Hauses wurden in Singapur versetzt. Pompeo räumte im Kapitol ein, dass Nordkorea wiederholten Anfragen zum Rahmen des Gipfeltreffens nicht nachgekommen sei. Die US-Regierung habe am Telefon immer wieder das Freizeichen gehört, ohne dass jemand abgenommen habe, sagte er im Aussenausschuss des US-Senats.

Der geplatzte Gipfel zwischen Kim und Trump: Die wichtigsten Fakten

Dass Nordkorea nicht wie versprochen internationale Inspektoren, sondern lediglich ausländische Journalisten zum Abriss seiner Atomtestanlage Punggye-ri einlud, tat am Donnerstag sein Übriges. «Eine Spur der gebrochenen Versprechen» ziehe sich durch die jüngsten Kontakte mit dem abgeschotteten Land, nannte es ein ranghoher Regierungsvertreter am Donnerstagnachmittag.

Ob Trump nun wieder eine andere Nordkorea-Strategie verfolgt, ist offen. Geändert hatte er sie schon einmal: Aus Drohungen von «Feuer und Zorn» gegen den «kleinen Raketenmann» waren plötzlich Schmeicheleien geworden, Kim sei ein «sehr ehrenwerter» Staatsmann.

Trump hat geglaubt, dass eine Entspannung der Lage auf der Koreanischen Halbinsel einer Reihe inländischer Probleme entgegenwirken könnte: Seine Zustimmungswerte sind weiter im Keller, in der Russland-Affäre wird ebenso ermittelt wie im Fall Stormy Daniels, und auch die Zwischenwahlen im Herbst dürften für die Republikaner alles andere als einfach werden. Ein grosser Augenblick des US-Präsidenten käme in dieser Situation genauso recht wie die daraus resultierenden Schlagzeilen.

Mini-Erfolge statt Friedensnobelpreis

Dennoch steht Trump heute nicht mit leeren Händen da. Sein zweimonatiger Flirt hat dabei geholfen, drei in Nordkorea inhaftierte Amerikaner freizubekommen. Für den US-Präsidenten bedeutete das schöne Fotos mit erleichterten Menschen, die aus einem Flugzeug steigen.

Und trotzdem ist die Charmeoffensive nun erst einmal vorbei. Dabei bleiben muss es nicht, wie Trump in dem Brief an Kim einräumte. «Sollten Sie Ihre Meinung bezüglich dieses äusserst wichtigen Gipfels ändern», schrieb er, «zögern Sie bitte nicht, mich anzurufen oder mir zu schreiben.» Vielleicht klappt es ja doch noch mal mit dem Friedensnobelpreis.

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