Flavia Wasserfallen schneidet sich die Haare
An der Kundgebung in Bern für eine schärfere Schweizer Iran-Politik schneidet sich die mögliche Bundesrats-Kandidatin Flavia Wasserfallen nach ihrer Rede die Haare ab.
05.11.2022
Mehr als 3000 Menschen haben sich am Samstag auf dem Bundesplatz in Bern zu einer nationalen Iran-Kundgebung versammelt. Sie folgten einem Aufruf der Organisation Free Iran Switzerland.
Die Iranerinnen und Iraner nähmen die Solidarität der Schweizer Zivilgesellschaft wahr, heisst es in einem Communiqué. Doch der Bundesrat höre weg und habe bislang nicht einmal die Massnahmen der EU übernommen.
Eine Wende in der Schweizer Iran-Politik sei überfällig. Dazu gehörten die Übernahme aller Sanktionen von EU, Kanada und den USA und der Schutz iranischer Regimegegnerinnen und -gegner in der Schweiz vor der Ausschaffung.
An der Kundgebung wollten auch Nationalratsmitglieder der Mitte, der SP und der Grünen das Wort ergreifen.
Flavia Wasserfallen schneidet sich die Haare ab
SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen sprach auf der Bühne: «Die Schweiz kann und muss mehr machen.» Sie sagte: «Wir fordern, dass die Schweiz sich aktiv für eine UNO-Menschenrechtsmission im Iran einsetzt.» Zudem müsse der Bundesrat «endlich die EU-Sanktionen gegen den Iran übernehmen.»
Als Zeichen ihres Protests und als Geste der Solidarität schnitt sich Wasserfallen auf der Bühne ihre Haare ab. Gegenüber gegenüber «20 Minuten» erklärte die Nationalrätin: «Meine Gedanken sind bei den mutigen Menschen im Iran, die im Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung ihr Leben riskieren.»
Politologe schüttelt Kopf über Bundesrat
Als Begründung für die Nichtübernahme von Sanktionen durch die Schweiz werden die sogenannten Guten Dienste ins Feld geführt. Die fünf Schutzmachtmandate (für die USA im Iran, für den Iran in Saudi-Arabien bzw. für Saudi-Arabien im Iran, für den Iran in Kanada und für den Iran in Ägypten), welche die Schweiz im Zusammenhang mit dem Iran unterhält, seien in die Abwägung miteingeflossen, hiess es am Mittwoch nach der Bundesratssitzung.
Dafür hat der Politologe Laurent Goetschel kein Verständnis. Gerade nachdem die Schweiz im Zusammenhang mit der Ukraine die Wertegemeinschaft mit der EU unterstrichen habe, wäre die Übernahme der Sanktionen auch gegen den Iran «ein logischer Schritt» gewesen, sagte der Professor an der Universität Basel und Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung swisspeace am Samstagabend in der «Tagesschau» des Deutschschweizer Fernsehens SRF.
«Ihre Freiheit ist unsere Freiheit»
Nationalratsmitglieder von SP, Grünen und Mitte solidarisierten sich in ihren Reden mit den Menschen im Iran. «Ihre Freiheit ist auch unsere Freiheit», rief die Berner Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden aus.
Die Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder warf dem iranischen Regime vor, im Namen Gottes Menschenrechte zu verletzen. «Was für ein Gott soll das sein?» Das sei eine Anmassung. «Zeigen wir, dass wir für die Menschen im Iran da sind und sie in ihrem Freiheitskampf unterstützen.»
Auch IKRK gefordert
Gefordert sei auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), hiess es an der Kundgebung. Die Zustände in den iranischen Gefängnissen seien menschenrechtswidrig, Folterungen und Vergewaltigungen gehörten zum Alltag. Das IKRK müsse dem nachgehen und Gerüchte prüfen, wonach Inhaftierte gezielt getötet würden.
An der Kundgebung wurde zudem für den Aufruf geworben, den 100 Schweizer Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft Mitte Oktober veröffentlicht hatten. Sie hatten den Bundesrat ebenfalls aufgerufen, die Demokratie-Bewegung im Iran zu unterstützen. Über 17'000 Personen haben den offenen Brief bislang unterzeichnet.
Mindestens 314 Todesopfer im Kampf gegen das Regime
Bei den landesweiten Protesten im Iran sind nach Einschätzungen von Menschenrechtlern inzwischen c getötet worden. Unter den Toten seien auch 47 Minderjährige und 38 Sicherheitskräfte, berichtete die Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) mit Sitz in den USA am Samstag. Mehr als 14’000 Menschen seien zudem festgenommen worden. Die Proteste erfassten seit Beginn Mitte September demnach mehr als 130 Städte im Land.
Auslöser der Massenproteste im Iran war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem.