Nuon Chea war in den 70er Jahren neben Pol Pot das Gesicht des Schreckensregimes der Roten Khmer in Kambodscha. Mit den Gräueltaten wollte er nie etwas zu tun gehabt haben. Er ist 93-jährig in einem Spital gestorben.
Bullig und mürrisch zeigte sich Nuon Chea, der Chefideologe des Rote-Khmer-Regimes in Kambodscha, meist vor dem Kriegsverbrechertribunal. Die Augen hinter einer dicken Sonnenbrille versteckt, die Glatze meist unter einer Strickmütze – so entzog er sich den Blicken Überlebender und Opfer im Zuschauersaal. Jahrelang hofften sie vergeblich auf Einsicht, echte Reue, eine Entschuldigung.
Im November vergangenen Jahres war Nuon Chea von einem von den Vereinten Nationen unterstützten Gericht wegen Völkermordes an Minderheiten verurteilt worden. Er erhielt dafür von dem Gericht in Phnom Penh seine zweite lebenslange Haftstrafe, nachdem er bereits 2014 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden war. Am Sonntag starb er im Alter von 93 Jahren in Kambodschas Hauptstadt.
Nuon Chea war als «Bruder Nummer Zwei» hinter Regime-Chef Pol Pot berüchtigt. Die ultrakommunistische Riege terrorisierte das Land von 1975 bis 1979. Sie wollte aus Kambodscha einen maoistischen Bauernstaat machen, schaffte das Geld ab und jagte die Städter aufs Land.
Ein Viertel der Bevölkerung getötet
Doch wurden die Anführer schnell paranoid, witterten fast in jedem einen Verräter und drangsalierten das Volk brutal. In diesen Jahren starben knapp 1,7 Millionen Menschen entweder durch Folter, Hinrichtungen, Zwangsarbeit oder an Hunger.
Pol Pot galt schon als ruchlos und brutal. «Verglichen mit Nuon Chea betrachteten die Leute ihn aber als Ausbund an Güte», schrieb Historiker Ben Kieran 1996. 1978 ordnete er die Folter und Ermordung von zwei seiner Nichten und deren Ehemänner an. Familienbande waren unter den Roten Khmer verpönt.
Unbedingter Gehorsam galt nur der Partei. Dem Gemetzel setzten die Vietnamesen 1979 mit ihrem Einmarsch ein Ende. Pol Pot und Nuon Chea flohen mit Anhängern in den Dschungel an die Grenze zu Thailand. Pol Pot starb dort 1998 unter dubiosen Umständen.
Lange unbehelligt
Nuon Chea gab im selben Jahr seinen Widerstand gegen die Regierung von Hun Sen auf, räumte im Gegenzug für Straffreiheit Bedauern ein und lebte zurückgezogen an der Grenze zu Thailand. Nachdem die Vereinten Nationen nach jahrelangen Verhandlungen mit der Regierung endlich das Völkermordtribunal auf die Beine stellten, wurde er 2007 festgenommen. Vier Jahre später begann der Prozess gegen ihn.
Nuon Chea wehrte sich gegen die Vorwürfe der Ankläger: «Das vorherige Regime war korrupt, wir mussten die Spiesserallüren zerstören.» Er sah sich stets im Kampf gegen «die Diebe, die unser Land stehlen und Kambodscha auslöschen wollten».
Im Mai 2013 räumte er nach zahlreichen Zeugenaussagen über die sinnlose Gewalt erstmals «moralische Verantwortung» ein: «Ich bereue die Straftaten, die absichtlich oder unabsichtlich begangen wurden, ob ich davon wusste oder nicht.» Überzeugend klang das allerdings nicht.
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