Corona-Krise bei unseren Nachbarn Deutsche Regierung erwartet «für lange Zeit eine neue Normalität»

dpa/tsha

18.4.2020

Eine junge Frau sitzt vor einem abgesperrten Bereich auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.
Eine junge Frau sitzt vor einem abgesperrten Bereich auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.
Bild: Keystone

Als im März das öffentliche Leben in Deutschland weitgehend eingefroren wurde, war die Hoffnung gross, dass die Viruskrise rasch vorbeigehen möge. Jetzt stimmt die Regierung die Bürger auf eine lange Übergangszeit ein.

Die Deutschen müssen sich nach Überzeugung der deutschen Bundesregierung wegen der Corona-Pandemie noch lange auf einen veränderten Alltag einstellen. «Was wir jetzt brauchen, ist für lange Zeit eine neue Normalität», sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der ARD. Solange es weder Therapien noch Impfstoffe gebe, müsse man lernen, mit dem Virus zu leben. Ähnlich äusserte sich Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Ziel sei es, schrittweise zu einem Leben mit weniger Beschränkungen zurückzukehren. «Aber die Epidemie ist nicht weg. Wir müssen lernen, damit zu leben - bis es einen Impfstoff gibt», sagte er.

Nach Einschätzung von Experten dürfte es mindestens bis zum Frühjahr 2021 dauern, bis ein Impfstoff verfügbar ist. In Deutschland soll laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Kürze die erste klinische Prüfung eines Impfstoff-Kandidaten beginnen. Bisher seien weltweit vier Kandidaten in ersten klinischen Prüfungen, sagte PEI-Präsident Klaus Cichutek am Freitag in Berlin.



Bund und Länder hatten sich am Mittwoch auf erste schrittweise Lockerungen von Corona-Auflagen verständigt, die Kontaktbeschränkungen wurden aber bis mindestens 3. Mai verlängert. Ende April wollen Bundesregierung und Ministerpräsidenten erneut beraten, wie es weitergeht. Immer deutlicher wird, dass es eine bundesweit einheitliche Strategie im Kampf gegen das Virus nicht geben wird. Ab Montag dürfen vielerorts kleine und mittlere Geschäfte wieder öffnen. Die Landesregierung in Sachsen hat ab Montag eine Maskenpflicht im Nahverkehr und in Geschäften verfügt. Zugleich lässt sie wieder Gottesdienste zu, die andernorts verboten bleiben. Im Nahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern sind Masken vom 27. April an ebenfalls Pflicht.

«Etwas erreicht, wovon viele sehr beeindruckt sind»

Scholz verteidigte die starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens. «Wir haben mit diesen massiven Massnahmen etwas erreicht, wovon viele sehr beeindruckt sind ausserhalb Deutschlands, nämlich dass das Infektionsgeschehen zurückgegangen ist», sagte der Vizekanzler am Freitagabend im ARD-«Brennpunkt». Es sei aber nicht sicher, dass diese Entwicklung anhalte. «Deshalb müssen wir jetzt ganz vorsichtig, mit klug diskutierten und klug bedachten Schritten dafür sorgen, dass das soziale Leben wieder wächst.»

Braun schloss nicht aus, dass die staatlichen Milliardenhilfen für die Bewältigung der Corona-Krise noch einmal aufgestockt werden. «Wir sehen uns unsere Hilfsprogramme ganz genau an. Viele Branchen und Betriebe sind von der Corona-Krise schwer getroffen», sagte der Kanzleramtschef.

«Schwer erschüttert»

Für die Sitzungswoche des Bundestags in der kommenden Woche erwarte er noch keine Notwendigkeit für ein nächstes Hilfspaket. «Aber wir können für die Zeit danach nicht ausschliessen, dass wir mit weiteren Hilfsmassnahmen nachsteuern müssen», sagte er auf die Frage, ob es in wenigen Wochen Beratungen über ein zweites grosses schnelles Hilfspaket mit Zuschüssen für Betriebe geben müsse.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mahnte die Bürger zu Geduld. «Corona ist eben kein Gewittersturm, der einmal schnell über Deutschland hinwegzieht, und dann ist alles wieder in Ordnung», sagte der CSU-Chef der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). Nach Ansicht von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble muss die Krise weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen haben. «Wir müssen das Verhältnis zwischen Marktwirtschaft und staatlicher Regulierung neu definieren», sagte der CDU-Politiker der «Augsburger Allgemeinen» (Samstag). «In unserer Gewissheit, dass alles schon irgendwie gut geht, sind wir schwer erschüttert.»

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