Nachzählung in Arizona Die Cyber Ninjas sind gekommen, um Trumps Ehre zu retten

Von Gil Bieler

15.5.2021

Im Veterans Memorial Coliseum in Phoenix, Arizona, werden die Stimmzettel nochmals ganz genau in Augenschein genommen. 
Im Veterans Memorial Coliseum in Phoenix, Arizona, werden die Stimmzettel nochmals ganz genau in Augenschein genommen. 
Bild: Courtney Pedroza/Getty Images

Auch gut ein halbes Jahr nach den US-Wahlen wollen Anhänger von Donald Trump nicht wahrhaben, dass er verloren hat. In Arizona suchen sie mit Mikroskopen, Schwarzlicht und heiligem Ernst nach Beweisen des Betrugs. 

Von Gil Bieler

15.5.2021

Aus dem Weissen Haus musste er längst ausziehen – seine Abwahl hat Donald Trump jedoch nie eingestanden, geschweige denn verdaut. Auch von seinem neuen Zuhause in Florida aus wiederholt der frühere US-Präsident die gänzlich unbelegte Behauptung des «Wahlbetrugs». Jedoch nicht mehr auf Twitter und Facebook, wo er lebenslänglich respektive bis auf Weiteres gesperrt bleibt.

Im US-Bundesstaat Arizona versucht eine Gruppe von Trump-Anhängern auch sieben Monate nach der Wahl, Aussage zu belegen, die unzählige Gerichte als haltlos eingestuft haben: die Cyber Ninjas. Der Name klingt wie ein Scherz, doch die Cyber Ninjas haben in dem Wüstenstaat im Südwesten des Landes offiziellen den Auftrag erhalten, eine erneute Nachzählung der Wahlzettel zu überwachen.



Seit Tagen sind sie mit heiligem Ernst bei der Sache, suchen sogar mit UV-Lampen nach verräterischen Spuren auf den Wahlunterlagen. Dafür kassiert das Privatunternehmen 150'000 Dollar von der Regierung Arizonas. Und das alles, obwohl sie keinerlei Erfahrung als Wahlbeobachter vorzuweisen haben.

Das ist allerhand – sogar für Verhältnisse, wie sie in den tief gespaltenen USA nach vier Jahren Trump entstehen konnten. Darum der Reihe nach.

Eine vernichtende Schlappe

Dass Trump in Arizona bei den Präsidentschaftswahlen gegen Joe Biden verloren hat, ist für den Republikaner besonders bitter. Seit 1992 hatte der Bundesstaat verlässlich republikanisch gewählt. Als ausgerechnet Trump's Haussender Fox News in der Wahlnacht den Sieg in Arizona Biden zuschlug, markierte das der Anfang von Trumps Ende. 

Nachgezählt wurde schon, zweimal sogar. Und beide Male hiess der Gewinner Joe Biden. Dieses Ergebnis hat der republikanische Gouverneur des Bundesstaats, Doug Ducey, so auch bestätigt. Für die Trump-Partei reicht das dennoch nicht: Die Republikaner nutzten ihre Mehrheit im Kongress von Arizona, um eine erneute Überprüfung von 2,1 Millionen Stimmen in Maricopa County durchzudrücken, in dem auch Arizonas Hauptstadt Phoenix liegt.

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Wobei streng genommen handelt sich dabei um keine Auszählung, sondern um eine Überprüfung, Englisch «audit» genannt. Das amtliche Ergebnis ist nicht mehr zu kippen. Aber die Cyber Ninjas erhoffen sich, Beweise für Wahlbetrug zu finden. Wenn nicht den Wahlsieg, so können sie womöglich noch die Ehre von Donald Trump retten.

Im Arizona Veterans Memorial Coliseum, einer Mehrzweckhalle in Phoenix, nehmen derzeit Hunderte bezahlte Helfer die Wahlzettel und Wahlmaschinen genau in Augenschein. Wie erwähnt auch mit UV-Lampen. Mit diesem sollen geheime Wasserzeichen sichtbar werden, die auf angeblich gefälschten Wahlzetteln fehlen würden.

Ausserdem suchen die Cyber Ninjas nach Spuren von Bambus. Was es damit auf sich hat, erklärte ein Helfer einem CBS-Reporter wie folgt: Es gebe die Theorie, dass über 40'000 Wahlzettel aus Asien eingeschickt worden seien. «Und die haben Bambus in ihrem Papier, in ihrer Papierherstellung.» Eine Theorie, die CNN zufolge unter Anhängern der Verschwörungstheorie QAnon verbreitet wird.



Katie Hobbs, Demokratin und oberste Wahlbeauftragte in Arizona, hat für die Aktion nichts übrig: «Sie versuchen etwas zu finden, von dem wir wissen, dass es nicht existiert», sagt die Secretary of State. Aber auch Republikaner äussern sich mittlerweile skeptisch zu der Aktion: «Das lässt uns wie Idioten aussehen», meinte Paul Boyer, ein Abgeordneter im Senat von Arizona.

«Sie wissen nicht einmal, was sie tun»

An den Cyber Ninjas lässt Hobbs kein gutes Haar: «Sie sind nicht qualifiziert, sie wissen nicht einmal, was sie tun.» Das Unternehmen aus Florida ist tatsächlich dubios. CEO ist ein Trump-Anhänger namens Doug Logan, der Medienberichten zufolge Ende 2020 Verschwörungstheorien verbreitet hatte. Journalisten gewährt das Unternehmen nur widerwillig Einblicke vor Ort, und das Justizdepartement vereitelte laut der BBC Pläne der Cyber Ninjas, Wähler*innen persönlich aufzusuchen und zu befragen. Die Behörde drohte ihnen mit Klagen wegen Einschüchterung. 

Die Stimmenüberprüfung in Phoenix sollte eigentlich diese Woche abgeschlossen sein, doch zieht sie sich hin. Blöderweise wird die Halle nun aber für Abschlussveranstaltungen von Highschools gebraucht. Kein Problem: Die Cyber Ninjas wollen die Wahlunterlagen versiegeln und ihre Überprüfung danach fortsetzen. Als zwei Wahlbeobachter das einem Reporter der Comedy-Sendung «Daily Show» erklären, kann er sich das Lachen nicht verkneifen: «Ihr erwartet, dass wir euch da vertrauen?», fragt er im Ton eines Verschwörungstheoretikers. «Das ist kein Witz», meint einer der Beobachter ernst.

Comedy und Realität verschmelzen: ein Bericht der Comedy-Sendung «Daily Show» über die Neuauszählung in Phoenix.

Youtube

Dass die Geschichte trotz Bambusspuren und Cyber Ninjas nicht zum Lachen ist, macht die Wahlbeauftragte Katie Hobbs in einem Interview mit dem Sender MSNBC deutlich: Sie findet die Aktion «alarmierend» und warnt. «Es geht darum, das Vertrauen der Wählerinnen in unser demokratisches System zu untergraben.»

Dass es in der republikanischen Partei schwierig geworden ist, sich gegen die Behauptung des Wahlbetrugs zu stellen, musste diese Woche Liz Cheney erfahren. Die Tochter des Parteiurgesteins Dick Cheney hatte sich öffentlich gegen die «gefährliche Lügen» und den «Personenkult» um Trump ausgesprochen. Die Folgen sind bekannt: Sie wurde von ihren Parteikolleg*innen aus der Fraktionsführung im US-Repräsentantenhaus gewählt.

Das zeigt: Trump mag sich nach Florida zurückgezogen haben, doch sein langer Arm reicht immer noch bis nach Washington.