Schwierige GegenoffensiveDie ukrainischen Truppen können sich «nirgendwo verstecken»
gbi
1.8.2023
Die ukrainische Gegenoffensive kommt nur schleppend voran. Daher war die Rückeroberung von Staromaiorske im Osten des Landes ein Triumph. Wie schwer es aber ist, das Dorf zu halten, davon berichtet ein Soldat.
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01.08.2023, 18:22
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die ukrainischen Streitkräfte haben bei ihrer Gegenoffensive nach Angaben aus Kiew in der vergangenen Woche knapp 15 Quadratkilometer von der russischen Besatzung befreit.
Dazu zählt auch das Dorf Staromaiorske in der Region Donezk.
Doch dieses Dorf zu verteidigen, ist schwierig: Nach den heftigen Gefechten gebe es kaum noch intakte Gebäude, die ihnen Schutz bieten würden, berichtet ein ukrainischer Soldat bei CNN.
Staromaiorske – ein kleines Dorf in der Region Donezk, im Südosten der Ukraine. Eigentlich kaum der Rede wert. Doch weil die ukrainischen Streitkräfte es im Zuge ihrer Gegenoffensive wieder von den Russen zurückerobern konnten, erhält es grössere symbolische Bedeutung, als die eigentliche Grösse vermuten lässt.
Zugleich zeigt sich in Staromaiorske ein grundlegendes Problem, das den ukrainischen Streitkräften zu schaffen macht, wie CNN am Dienstag in einem längeren Hintergrundstück berichtet: Nach den heftigen Gefechten stehe in der Siedlung kaum noch eine intakte Mauer, die den ukrainischen Truppen Schutz bieten würde. Staromaiorske ist zerschossen und zerbombt.
Russen geben keine noch so kleine Siedlung auf
Das zurückeroberte Dorf zu halten und sich vor russischem Artilleriebeschuss zu schützen, sei daher ein denkbar schwieriges Unterfangen. Zumal sich die russischen Truppen hinter einen Fluss zurückzogen und diesen jetzt als natürlichen Schutzschild nutzen können. Und sie geben sich nicht geschlagen: Laut CNN sei es erst am Montag erneut zu heftigen Gefechten gekommen.
Der amerikanische Nachrichtensender konnte mit einem Mitglied der ukrainischen Truppen vor Ort sprechen. Dieser erinnert sich an die Erstürmung des Dorfes wie folgt: «Wenn man unter feindlichem Beschuss angreift, kann man sich nirgendwo verstecken. Das ist das Schwierigste.» Dem Soldaten zufolge hätten die russischen Truppen zweimal versucht, Staromaiorske wieder zurückzuerobern. Jedoch ohne Erfolg.
15 Quadratkilometer in einer Woche zurückerobert
Nicht nur in Donezk zeigt sich dieser Tage: Die ukrainischen Streitkräfte kommen bei ihrer Gegenoffensive langsamer voran als erhofft. Sogar nach offiziellen Angaben aus Kiew konnten in der vergangenen Woche nur knapp 15 Quadratkilometer von der russischen Besatzung befreit werden. Zum Vergleich: Das entspricht nicht einmal der Fläche des Dorfes Appenzell.
Der grösste Teil dieser ukrainischen Erfolge entfiel auf Abschnitte an der Front in der Südukraine, teilte Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar am Montag bei Telegram mit. Im östlichen Oblast Donezk konnten dagegen nur zwei Quadratkilometer zurückerobert werden. Dazu zählt eben auch das Dorf Staromaiorske.
Wie erbittert an der Front um jeden Meter gekämpft wird, davon zeugen auch Aussagen, die der ukrainische Soldat gegenüber CNN machte. Er schilderte dabei seine Eindrücke aus der Ortschaft Neskuchne in Donezk, welche die ukrainischen Truppen jüngst ebenfalls unter ihre Kontrolle bringen konnten.
Ukraine: Dorf in der Region Donezk zurückerobert
Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben ein Dorf in der Region Donezk im Süden des Landes zurückerobert und Geländegewinne bei Bachmut erzielt. Präsident Selenskyj sprach von «sehr guten Ergebnissen an der Front».
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Ihm zufolge hätten sich nur rund 20 russische Soldaten gezeigt, bevor die Ukraine angegriffen hätte. Doch weitere rund 200 Russen hätten sich im Untergrund versteckt gehalten, seien nicht einmal zum Toilettengang an die Oberfläche gekommen. Die Ukrainer seien deshalb davon ausgegangen, dass sie mit 70 Mann eine klare Mehrheit in die Schlacht schicken würden. Das habe sich als Trugschluss erwiesen.
Unabhängig überprüfen lassen sich diese Aussagen freilich nicht, auch CNN konnte sie nicht verifizieren. Laut Beobachtungen der britischen Geheimdienste gelingt es den Ukrainern aber vor allem, im Süden des Landes Druck auf die russischen Stellungen auszuüben. Was sich mit den Angaben aus Kiew decken würde.
Jede Kriegspartei zieht ihre eigenen Schlüsse
Die Tatsache, dass die russischen Truppen um jede noch kleine Stellung erbittert kämpfen, weckt auf ukrainischer Seite auch Optimismus: Womöglich sei ihre Verteidigungslinie doch nicht so standhaft wie behauptet, heisst es in dem Bericht.
Der ukrainische Soldat schliesst mit den Worten: «Wir fühlen die Unterstützung, aber wir sind sehr, sehr müde.» Er hoffe, dass sie die letzte Verteidigungslinie der russischen Truppen bald durchdringen und die Gegner damit zum Rückzug zwingen könnten.
Doch auch die russische Seite zieht ihre Schlüsse aus der schleppenden Gegenoffensive. So heisst es aus dem Kreml, die jüngsten Drohnenattacken auf die russische Hauptstadt seien ein «Akt der Verzweiflung» der Ukrainer, weil es auf dem Schlachtfeld für sie nicht vorangehe. Die Ukraine hat freilich noch keine Verantwortung für die Drohenschläge in Moskau übernommen.