Trump beharrt auf Betrug Die Wahl ist vorbei, die Demokratie dauerhaft geschädigt

AP/toko

12.12.2020 - 15:58

Kathy Kratt aus Orlando, Florida, zeigt ihre Trump-Fahnen, während sie und andere Demonstranten vor dem Obersten Gerichtshof in Washington ihre Unterstützung für US-Präsident Trump demonstrieren.
Kathy Kratt aus Orlando, Florida, zeigt ihre Trump-Fahnen, während sie und andere Demonstranten vor dem Obersten Gerichtshof in Washington ihre Unterstützung für US-Präsident Trump demonstrieren.
KEYSTONE/AP/J. Scott Applewhite

Der Oberste Gerichtshof wird von den Konservativen dominiert, aber auch sie wollen die haltlosen Vorwürfe von Wahlbetrug nicht mittragen. Unterdessen schlägt Trump per Twitter um sich und beharrt auf Betrugsvorwüfen.

Und wieder hat der Oberste Gerichtshof der USA eine Klage gegen die Wahl abgelehnt. Das Rennen um die Präsidentschaft ist entschieden. Das müsste mittlerweile eigentlich auch dem letzten Republikaner klar geworden sein. Dennoch: Präsident Donald Trump klammert sich an seinen völlig haltlosen Vorwürfen von Wahlbetrug fest und lässt über Twitter wissen, er wolle weiterkämpfen. «Der Supreme Court hat uns im Stich gelassen.»

In einer Reihe weiterer wütender Tweets machte Trump seinem Frust Luft. Der Republikaner schrieb unter anderem: «Das ist ein grosser und skandalöser Justizirrtum. Das Volk der Vereinigten Staaten wurde betrogen und unser Land blamiert.»

Er macht damit deutlich, dass ihn keine Gerichtsentscheidung davon abbringen wird, die Mär von einem illegalen Wahlsieg seines Kontrahenten Joe Biden weiter in die Welt hinauszuposaunen. Das wirklich Beunruhigende dabei ist, wie viele Republikaner ihm dabei den Rücken stärken, eine völlig faire und freie Wahl zu kippen. Und wie viele weitere dem Spektakel stillschweigend zusehen. Der US-Demokratie ist in diesen Wochen nach der Wahl ein schwerer Schaden entstanden, der noch lange nachhallen wird.

126 Abgeordnete des Repräsentantenhauses, 19 Justizminister aus republikanisch regierten Staaten: Sie alle stellten sich hinter eine Klage des texanischen Justizministers Ken Paxton an den Supreme Court, die zum Ziel hatte, das Ergebnis der Wahl in vier Staaten und damit die Stimmen von Dutzenden Millionen Amerikanern für nichtig zu erklären. Das ist das neue politische Amerika nach Trump.

Vertrauen in Institutionen schwindet dank Trump

Das Vertrauen der Amerikaner in ihre Institutionen wird durch Trumps Attacken auf die Integrität der Wahl noch mehr leiden als bisher schon. Millionen Menschen im ganzen Land werden – auch durch die aktive Mithilfe von konservativen Medienorganisationen – auf Dauer der Meinung sein, dass Biden die Wahl auf illegale Art und Weise gewonnen hat und dass bei der Wahl betrogen wurde.



Dass das auf jeden Fall im Moment definitiv der Fall ist, zeigt eine Umfrage der Quinnipiac University aus dieser Woche. 77 Prozent der befragten Republikaner gaben dabei an, dass es nach ihrer Einschätzung bei der Wahl Anfang November umfassenden Betrug gegeben hat und 60 Prozent sahen Bidens Sieg als illegal an.

Dafür gibt es keinerlei Hinweise, wie die zuständige Behörde für Wahlsicherheit im Heimatschutzministerium, Dutzende Gerichte und selbst Trumps eigener Justizminister William Barr einräumten. Tatsächlich ist es so, dass landesweit sieben Millionen Amerikaner mehr für Biden gestimmt haben als für Trump. Und Biden gewann dadurch die Stimmen von 306 Wahlleuten, die ihn am kommendem Montag gemäss dem US-Wahlsystem zum Präsidenten wählen werden.

Nur wenige begehren auf

Einer der wenigen prominenten Republikaner, die sich Trump und seinen Gehilfen in den Weg gestellt haben, ist Senator Ben Sasse. Seit der Wahlnacht hätten viele Leute die Wähler mit dubiosen Verschwörungstheorien in die Irre geführt, sagte er, nachdem der Oberste Gerichtshof am Freitagabend die Klage aus Texas abgelehnt hatte. «Aber jeder Amerikaner, dem die Rechtsstaatlichkeit wichtig ist, sollte in dem Gedanken Zuversicht finden, dass der Supreme Court – darunter auch alle drei der von Präsident Trump ausgewählten Richter – all diesem Unsinn ein Ende bereitet haben.»

Trump und der republikanisch geführte Senat hatten vor der Wahl noch die konservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof ausgebaut – per Blitzbesetzung gaben sie dort der Richterin Amy Coney Barrett einen Platz. Aber offensichtlich liess sich das wichtigste unabhängige Justizgremium im Land nicht von führenden Republikanern mit in den politischen Abgrund ziehen.

Politischer Erfolg durch Lügen

Lange bevor Trump Präsident war, hatte er mit der Verbreitung einer anderen Verschwörungstheorie zahlreiche ultrakonservative Republikaner mobilisiert und damit auch die Grundlage für seinen späteren Erfolg gelegt. Er war der oberste Verfechter der sogenannten Birther-Bewegung, die behauptete, dass Ex-Präsident Barack Obama in Kenia geboren sei und nicht in den USA und damit auch nicht Präsident sein dürfe. Obwohl auch gegen diese Lüge umfassende Beweise vorlagen, hielt sie sich über Jahre und schürte die Animosität vieler Republikaner gegenüber Obama. Auch aus dem politischen Kalkül heraus, diese Wähler nicht zu verprellen, wollte die Führung der Partei im Kongress dann nicht mit Obama zusammenarbeiten und blockierte viele seiner Vorhaben.

In seinen letzten Tagen im Weissen Haus setzt Trump wieder auf die gleiche Strategie gegen Biden, der am 20. Januar ins Amt eingeführt werden wird – egal, wie viel der Wahlverlierer dagegen wettert. Auch für Biden könnte das bedeuten, dass viele Republikaner seine Arbeit als Präsident torpedieren, wo sie nur können. So hat sich der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, bisher geweigert, Bidens Wahlsieg anzuerkennen. Als die zwei früher zusammen in der Kongresskammer dienten, schlossen sie noch häufig Kompromisse.

Peinliche Episode

«Der Schwindel vom Wahlbetrug wird als eine der peinlichsten und unehrenhaftesten Episoden in die amerikanische Politikgeschichte eingehen, und zahllose Republikaner haben ihn mitgetragen und vorangetrieben», sagt der frühere Republikaner und jetzige unabhängige Abgeordnete Justin Amash.

Doch neben Trump zeigten sich auch zahlreiche seiner loyalsten Unterstützer unbeeindruckt davon, dass der Oberste Gerichtshof auch diese Klage abgeschmettert hat. Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani, der selbst die Klagewelle gegen die Wahl angeführt hatte, sprach weiter von einer «gestohlenen Wahl».

Es wird sich zeigen, ob sich nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs und vor allem nach der formalen Wahl Bidens durch das Wahlleutegremium am kommenden Montag weitere Republikaner von Trump abwenden werden. Doch einige dürften auch noch warten bis zu den beiden Stichwahlen Anfang Januar in Georgia, die über die Mehrheitsverhältnisse im Senat entscheiden und damit über die Regierungsfähigkeit des gewählten Präsidenten Joe Biden. Bis dahin dürfte die Geschichte vom Wahlbetrug immer wieder erzählt werden – und von den ganz Hartnäckigen wohl noch lange darüber hinaus.

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