Prozess unter Hochdruck Donald Trump Jr. postet Foto von Richter-Tochter

Von Philipp Dahm

6.4.2023

Trump attackiert Justiz nach Anklage in New York

Trump attackiert Justiz nach Anklage in New York

Der frühere US-Präsident Donald Trump hat nach der historischen Verlesung der Anklage gegen ihn seine Unschuld beteuert und zum Rundumschlag gegen die Justiz ausgeholt.

05.04.2023

Weil der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Todesdrohungen erhält, hat Richter Juan Merchan zu verbaler Mässigung aufgerufen. Das war ein frommer Wunsch, zeigt sich direkt nach dem Gerichtstermin.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, der Donald Trump in Manhattan anklagt, erhält Morddrohungen.
  • Bragg musste seinen Mitarbeitern versichern, dass für ihre Sicherheit gesorgt wird.
  • Bragg versucht, eine Protective Order zum Schutz seiner Mitarbeiter, aber auch von Beweismitteln durchzusetzen, die der Vereidigung gezeigt werden müssen.
  • Richter Juan Merchen hat Trump lediglich gebeten, nicht den Rechtsstaat anzugreifen und keine Unruhen anzuzetteln.
  • Donald Trump hat direkt nach seiner Rückkehr nach Mar-a-Lago Staatsanwalt, Richter und den Rechtsstaat verbal attackiert.
  • Donald Trump Jr. hat sogar ein Bild der Tochter des Richters nebst Link zur rechten Website Breitbart gepostet.

Alvin Bragg steht im Kreuzfeuer. Nicht nur juristisch – immerhin klagt der Bezirksstaatsanwalt des New York County Donald Trump an. Zur Wahl nominiert haben ihn die Demokraten – und nun geht der 49-Jährige gegen einen möglichen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner vor.

Das ist kontrovers.

Bragg steht deshalb auch persönlich unter Beschuss. Er bekommt Todesdrohungen per Post: «Alvin, ich werde dich umbringen!!!!!!!!!!!!!» Gestempelt in Orlando, Florida. Im Umschlag: weisses Pulver. Es stellt sich später als harmlos heraus. Dies sei nur eine von Hunderten Drohungen, berichtet CNBC. Mehrere Dutzend erachten die Behörden als gefährlich.

Der Druck ist schon seit Mitte März derart hoch, dass sich Bragg bemüssigt fühlt, ein Memo an seine Mitarbeiter zu schreiben. «Politico» zitiert: Die Behörden würden sicherstellen, «dass jegliche spezifischen oder glaubhaften Drohungen gründlich untersucht» und «angemessene Schutzmassnahmen» für die 1600 Mitarbeiter ergriffen werden.

Alvin Bragg (Zweiter von links) am 4. April auf dem Weg ins Gericht in Manhattan, New York.
Alvin Bragg (Zweiter von links) am 4. April auf dem Weg ins Gericht in Manhattan, New York.
Bild: EPA

Richter will bloss keine «Gewalt oder zivile Unruhen»

Der Richter muss deshalb einschreiten, fordert die Staatsanwaltschaft. Und sie möchte eine Protective Order erwirken: Sie will der Gegenseite nur eingeschränkt Einsicht in ihre Beweise geben. Sie kann weiter zum Schutz Betroffener genutzt werden, die den Drohungen ausgesetzt sind. Eine Einigung dazu steht noch aus.

Richter Juan Merchan steht genauso im Rampenlicht wie Bragg. Auch er ist von einem Demokraten nominiert worden und hat 2020 das Verfahren gegen die Trump Organization geführt, die in 17 Punkten des Steuerbetrugs schuldig gesprochen wurde. Doch einfach macht Merchan es Bragg deshalb nicht. Der Richter betont, dass Trump Meinungsfreiheit – und als Präsidentschaftskandidat besonderen Schutz – geniesse.

Juan Merchan, geboren in Bogota, Kolumbien, kam als Sechsjähriger in die USA. Er war selbst Bezirksstaatsanwalt in Manhattan und wurde 2006 vom Demokraten Michael Bloomberg zum Richter ernannt.
Juan Merchan, geboren in Bogota, Kolumbien, kam als Sechsjähriger in die USA. Er war selbst Bezirksstaatsanwalt in Manhattan und wurde 2006 vom Demokraten Michael Bloomberg zum Richter ernannt.
Bild: Rick Kopstein/NYLJ

Er werde ihm deshalb nicht untersagen, sich zum Prozess zu äussern, zu scherzen, schreibt die «Washington Post». Merchan legt Trump nur nahe, nicht «den Rechtsstaat [zu] gefährden». Und: «Nehmen Sie bitte Abstand von Statements, die Gewalt oder zivile Unruhen anstiften.»

«Biden-Familie als Kriminelle entlarvt»

Und was macht Trump, der bisher mit Kommentaren etwa zu Zeuginnen («Pferdegesicht»), zum Richter («Hasst mich») und Staatsanwalt («Sollte sich selbst anklagen») nicht zimperlich war? Er macht genau da nahtlos weiter. Gleich nach seiner Rückkehr aus New York.

Nach dem Gerichtstermin in Manhattan am 4. April: Wenn so die Ankunft Trumps im Mar-a-Lago in Florida aussieht, ist mit Demut womöglich nicht zu rechnen.
Nach dem Gerichtstermin in Manhattan am 4. April: Wenn so die Ankunft Trumps im Mar-a-Lago in Florida aussieht, ist mit Demut womöglich nicht zu rechnen.
AP

Trump nutzt die Rede in seinem Mar-a-Lago-Luxusclub in Florida: Fox News überträgt ebenso live wie CNN. 350 Leute sind im Saal – darunter Getreue wie Marjorie Taylor Greene und Matt Gaetz sowie Trumps Kinder. «Wir müssen unser Land retten, Gott schütze euch alle», beginnt seine Ansprache. «Ich hätte nie gedacht, das sowas in Amerika passieren kann.»

Seine Partei und er würden von der Justiz verfolgt. Millionen von Stimmen seien 2020 illegal in Wahlurnen gesteckt worden. Der Staat habe das sogar gefilmt. FBI und Justizminister hätten sich mit Twitter und Facebook verbündet, um die Sache mit dem «Hunter Biden laptop from hell» zu vertuschen, der «die Biden-Familie als Kriminelle entlarvt».

«Seine Tochter hat für Kamala Harris gearbeitet»

Wäre das rausgekommen, hätte er in den Wahlen 2020 17 Prozent mehr bekommen. Das hätten Umfragen ergeben, sagt Trump. Der Dritte Weltkrieg sei nahe, warnt Trump. Man wolle ihn in Georgia wegen eines Anrufs anklagen, lächelt Trump. Dabei wäre das fast so ein perfekter Anruf gewesen wie der bei Wolodymyr Selenskyj.

Vom früheren Amtsenthebungsverfahren wegen Russland-Kollaboration zur kommenden Klage wegen Wahlbeeinflussung in Georgia – doch Trump hat natürlich auch etwas zum aktuellen Rechtsstreit zu sagen: Er bekundet, dass Bragg «gescheitert» und ein «Krimineller» sei, der Details der Anklage an die Presse durchgesteckt habe.

Trump behauptet weiter, viele von Braggs Angestellten hätten hingeschmissen, weil er sie so schlecht behandeln würde: «Ich würde sie gerne treffen», sagt er treu. Und: Es gebe in dem Fall einen «Trump-hassenden Richter mit einer Trump-hassenden Familie»: «Seine Tochter hat für [Vize-Präsidentin] Kamala Harris gearbeitet und bekommt Geld von der Biden-Harris-Mannschaft».

«Das können wir nicht zulassen»

Im vorherigen Prozess habe der Richter seinen braven Mitarbeitern die Pistole auf die Brust gesetzt, stellt Trump es dar. «Wie in der alten Sowjetunion. So weit sind wir gekommen.» Und: «Sie können uns an der Wahlurne nicht schlagen, deshalb versuchen sie es durch das Gesetz.» Und auch noch: «Das können wir nicht zulassen.»

Trump auf dem Weg zum Podium.
Trump auf dem Weg zum Podium.
Bild: AP

Das kann man durchaus als Aufruf zu Unruhen interpretieren. Der Rechtsstaat? Wird weiter permanent infrage gestellt. Die Schallmauer, die Richter Merchan setzen wollte, ist sofort durchbrochen. Donald Trump Junior verbreitet auf Twitter sogar ein Foto von Merchans Tochter – mit einem Link zum rechten US-Portal Breitbart. Dort stehen Behauptungen, die Trump in seiner Rede bereits wiederholt hat.

Das Bild wurde nachträglich verpixelt.
Das Bild wurde nachträglich verpixelt.
Screenshot: Twitter

Auf seinem Social-Media-Portal Truth Social wütet Trump weiter. «Die Demokraten haben unser Rechtssystem instrumentalisiert», schreibt er und warnt: «Die Leute sehen aber, was abgeht, und sie werden nicht erlauben, dass es so weitergeht».

Grossbuchstaben, Grossbuchstaben, Grossbuchstaben.
Grossbuchstaben, Grossbuchstaben, Grossbuchstaben.
Screenshot: Truth Social

Dem Justizministerium und dem FBI müssten die Gelder entzogen werden, schlägt er danach vor: Richter Juan Merchan wird nach nicht einmal 24 Stunden eingesehen haben, dass er mit frommen Wünschen und Ermahnungen bei einem Donald Trump nicht weiterkommt.

Hintergrund: Die Akteure im Verfahren gegen Trump

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05.04.2023