Donald Trump, zügellos Donald Trump, zügellos

von Maren Hennemuth und Claudia Thaler, dpa

11.4.2018

Mit einer martialischen Drohung über einen Raketenangriff löst Trump Sorgen über eine offene Konfrontation mit Moskau aus. Die russische Seite warnt schon vor einem möglichen Gegenschlag. Aber kann Trump das wollen?

Es ist eine Provokation in 224 Zeichen. Um 6.57 Uhr Ortszeit kündigt Donald Trump auf Twitter einen Raketenangriff in Syrien an, er warnt die russische Regierung, es geht um einen Vergeltungsschlag für den mutmasslichen Giftgasangriff im syrischen Duma. «Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschiessen, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach' Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (...)», schreibt er. Schön seien die Raketen, neu und smart.

Die Worte lösen in Washington und anderswo schlimmste Befürchtungen über eine Eskalation im Syrien-Konflikt aus, über eine Konfrontation der beiden Militärgrossmächte. Die russische Seite hatte zuvor gewarnt, man werde amerikanische Raketen in Syrien abschiessen. Trump selbst zieht den Vergleich zum Kalten Krieg. Das Verhältnis zwischen den USA und Russland sei so schlecht wie nie zuvor, und das schliesse den Kalten Krieg mit ein.

Was will Trump erreichen?

Aber was will er erreichen? Will er tatsächlich grösser in den Bürgerkrieg eingreifen? Sucht er gezielt die Konfrontation mit Moskau? Macht er Druck, damit der Kreml seinen Verbündeten Baschar al-Assad fallen lässt? Oder ist es am Ende nur Säbelrasseln?

Man weiss es nicht. All diese Optionen implizieren, dass Trump die Dinge vom Ende her denkt, dass seine Tweets eingebettet sind in eine grössere Strategie. Das aber gilt als fraglich. Schon oft waren seine Nachrichten impulsiv; schon oft gingen sie auf Berichte seines Haus- und Hofsenders Fox News zurück.

Keine Strategie erkennbar

Eine Syrien-Strategie des Weissen Hauses ist nicht erkennbar. Ob Washington einen Regierungswechsel in Damaskus will, dazu gab es im vergangenen Jahr widersprüchliche Aussagen. Zuletzt ist es still geworden um solche Forderungen.

Erst vor wenigen Tagen hatte Trump überraschend einen Rückzug der US-Soldaten aus dem Bürgerkriegsland angekündigt, die dort gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpfen. Dann wiederum erklärte seine Regierung, der Einsatz werde weitergehen, bis der IS vollständig besiegt sei. Zudem wurde bekannt, dass das Weisse Haus das Aussenministerium angewiesen hat, mehr als 200 Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau Syriens einzufrieren.

Als Trump vor einem Jahr die syrische Luftwaffenbasis Al-Schairat mit Marschflugkörpern vom Typ «Tomahawk» beschiessen liess, reagierte Moskau zwar mit scharfen Worten, eine Eskalation blieb jedoch aus. Aber seither hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Regierungen erheblich verschlechtert.

In Russland sind sich viele Experten sicher: Es sei nutzlos, Putin einzuschüchtern oder auch nur zu drohen. Denn Waffen hat Russland nach Medienberichten genügend vor Ort: von Marschflugkörpern des Typs Kalibr bis zu Panzerabwehr- und Luftbodenraketen. Auch der Einsatz der neuen Hyperschallraketen des Typs Kinschal (Dolch) ist nicht ausgeschlossen. Die neuartige Waffe, die Präsident Wladimir Putin bei seiner Jahresrede Anfang März präsentiert hatte, wurde bereits im Süden Russlands erfolgreich getestet. Russischen Angaben zufolge fliegt die Kinschal mit bis zu zehnfacher Schallgeschwindigkeit und ist deshalb kaum abzufangen.

Russland droht Gegenschlag an

Der Nahost-Experte Semjon Bagdassarow rechnet damit, dass eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und Russland unvermeidlich werden könnte. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass es zu einem Angriff kommt», sagt Bagdassarow vom Forschungszentrum für die Länder des Nahen Ostens und Zentralasiens in Moskau. «Je nach dem, was getroffen wird, so wird auch die Reaktion Russlands ausfallen. Es könnte zu einer ernsten Konfrontation zwischen uns und den anderen führen.» Von russischer Seite wird jedenfalls offen ein Gegenschlag angedroht.

Trumps Haltung zu Russland ist von vielen Widersprüchen geprägt. Seine Regierung verhängte in den vergangenen Wochen neue Sanktionen gegen Moskau und verwies als Reaktion auf das Attentat auf den ehemaligen russischen Agenten Sergej Skripal 60 russische Diplomaten des Landes. Aber Trump verlor bei alldem kein Wort der Kritik über Putin. Das änderte sich erst nach dem mutmasslichen Giftgasangriff im syrischen Duma am Samstag. Trump gab Putin eine Mitschuld daran. Er sagte, der russische Präsident werde einen hohen Preis dafür zahlen.

Kaum hatte Trump am Mittwoch seine Drohung über einen Raketenangriff abgesetzt, schickte er wenig später eine weitere Nachricht hinterher. Darin gab er den Ermittlern in der Russland-Affäre die Schuld dafür, dass das Verhältnis zu Moskau so schlecht sei. Der Sonderermittler Robert Mueller sei der umstrittenste von allen.

Man darf bei all seinen Drohungen nicht vergessen, wie massiv Trump innenpolitisch unter Druck steht, wie sehr ihm die Russland-Ermittlungen zu schaffen machen. Das FBI ist gefährlich nahe an ihn herangerückt, am Montag durchsuchten Ermittler Räume seines langjährigen Anwaltes Michael Cohen. Das steht nicht in direktem Zusammenhang mit den Russland-Untersuchungen, aber es setzt Trump trotzdem sehr zu.

Es gab in seiner bisherigen Präsidentschaft schon viele Momente, in denen Trumps Handeln völlig erratisch wirkte, aber die vergangenen Wochen waren besonders heftig. Trump feuerte seinen Aussenminister Rex Tillerson inmitten diplomatischer Bemühungen in der Nordkorea-Krise, er zettelte einen Handelskonflikt mit China an, er schickte die Nationalgarde an die Grenze zu Mexiko. Und er befeuerte Spekulationen, er könne den Sonderermittler Mueller entlassen.

Es gibt eine Lesart der Ereignisse, die sagt, dass der Präsident kaum noch auf seine Berater höre. Dass es niemanden mehr im Weissen Haus gibt, der ihn beschwichtigen kann und von riskanten Schritten abhält. Seine enge Vertraute Hope Hicks hat die Regierungszentrale verlassen, Stabschef John Kelly soll massiv an Einfluss verloren haben.

Trump hat immer wieder gesagt, dass er sich bei seinen militärischen Überlegungen nicht in die Karten schauen lassen wolle und seine Schritte nicht vorher ankündigen werde, damit der Gegner überrascht werde. Am Mittwoch hat er womöglich genau das Gegenteil davon getan.

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