PolenDonald Tusk meldet sich zurück – Rettung für Polens Opposition?
SDA
3.7.2021 - 18:14
Der ehemalige EU-Ratspräsident und frühere polnische Regierungschef Donald Tusk kehrt in die Politik seines Landes zurück. Der 64-Jährige übernimmt erneut die Führung der grössten Oppositionspartei.
03.07.2021, 18:14
SDA
Der Parteikonvent der liberalkonservativen Partei Bürgerplattform wählte Tusk am Samstag in Warschau einstimmig zum Vize-Parteichef, der kommissarisch auch die Funktion des Vorsitzenden übernimmt. Zuvor war der bisherige Parteichef Borys Budka zurückgetreten, um den Weg für Tusks Rückkehr freizumachen. Damit Tusk regulärer Parteichef werden kann, muss er noch durch eine Wahl von den Parteimitgliedern bestätigt werden. Der Termin dafür steht noch nicht fest.
Die nationalkonservative Regierungspartei PiS hielt am Samstag ebenfalls einen Parteitag ab. Die Delegierten stimmten mit grosser Mehrheit für eine weitere Amtszeit des 72-jährigen Parteichefs Jaroslaw Kaczynski. Er führt die Partei seit 2003.
Bei der Opposition standen die Zeichen auf Neustart. Kraftvolle Rockmusik wummerte aus den Lautsprechern. Ein wenig klang es so, als wolle sich die Bürgerplattform selbst Mut machen. Die Kameras und Blicke waren auf einen Mann gerichtet: Donald Tusk. Sein Comeback soll die Liberalkonservativen aus dem Jammertal herausführen.
In Polen gilt Tusk als politisches Schwergewicht, wochenlang hatten die Medien über seine Rückkehr spekuliert. Am Samstag ging dann alles sehr schnell: Nach knapp zwei Stunden hielt Tusk das Steuer seiner Partei wieder in der Hand.
In einer temperamentvollen Rede schwor der proeuropäische Politiker seine Partei auf einen entschiedeneren Kampf gegen die nationalkonservative Regierungspartei PiS ein. «Heute regiert das Böse in Polen», sagte er. «Und wenn du das Böse siehst, kämpfe dagegen und frage nicht nach weiteren Gründen.» Die PiS habe Streit mit der EU, mit Deutschland und selbst mit Tschechien angefangen und durch ihre «idiotische politische Investition» in den früheren Präsidenten Donald Trump das Land von der heutigen US-Regierung entfremdet.
Der einstige Premier, der Polen erfolgreich durch die Wirtschaftskrise 2008 steuerte, gilt als der gefährlichste politische Gegenspieler des mächtigen PiS-Chefs Kaczynski. In Tusks Regierungszeit war Polen dem Westen zugewandt, wurde in Berlin, Brüssel und Washington als wichtiger Partner gesehen. Ein starker Kontrast zur Aussenpolitik der euroskeptischen und erzkonservativen PiS, die das Land seit 2015 regiert.
Tusk zählte 2001 zu den Gründern der Bürgerplattform, die seit der Parlamentswahl 2019 mit mehreren kleineren Parteien das Bündnis Bürgerkoalition (KO) bildet. Er war von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef, in dieser Zeit bildete sich ein gutes Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel heraus. Im Jahr 2014 wechselte Tusk nach Brüssel in das Amt des EU-Ratspräsidenten, das er bis 2019 innehatte.
Doch seit Tusks Abschied von der polnischen Politik erlitten die Liberalkonservativen in Polen nur Niederlagen. In Umfragen kommen sie derzeit auf 16 Prozent. Auch der bisherige Parteivorsitzende Borys Budka, der seinen Posten erst vor anderthalb Jahren mit grossen Hoffnungen antrat, konnte den Abwärtstrend nicht stoppen.
Der Partei machten zum einen interne personelle Querelen zu schaffen. Der Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, der bei der Stichwahl im Rennen um die polnische Präsidentschaft nur knapp gegen Amtsinhaber Andrzej Duda unterlag, schien keinen richtigen Platz in der Partei zu finden, um den Schwung aus seiner erfolgreichen Kampagne auszubauen.
Auch taten die Liberalkonservativen sich schwer, selbst bei fundamental wichtigen Fragen in der polnischen Politik einen Standpunkt zu finden. Als die Bürger im ganzen Land wochenlang gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts auf die Strasse gingen, brauchte die Partei vier Monate, bis sie sich endlich zu einer schwammigen Position durchringen konnte.
Tusk soll nun das Lager einen und das Potenzial der Partei vor der nächsten Parlamentswahl im Jahre 2023 ausbauen. «Nur mit Spott kann man die PiS nicht schlagen», gab er den Teilnehmern des Parteikonvents in seiner Rede mit.
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