Hochmobil und «duellfähig»Darum will Kiew unbedingt den deutschen Leopard
Von Carsten Hoffmann, dpa, uri
15.9.2022 - 15:50
Scholz sieht keine Einsicht bei Putin
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht keine Einsicht bei Russlands Präsident Wladimir Putin, dass der Angriff auf die Ukraine am 24. Februar ein Fehler war. Es sei trotzdem wichtig, mit dem russischen Präsidenten immer wieder zu sprechen.
15.09.2022
Die Ukraine will den «besten Kampfpanzer der Welt» und setzt die deutsche Regierung unter Druck. Auch die USA haben scheinbar kein Problem mit einer Lieferung. Welche militärische Rolle hat der Stahlkoloss?
15.09.2022, 15:50
15.09.2022, 15:51
Von Carsten Hoffmann, dpa, uri
Die Ukrainer wollen den «besten Kampfpanzer der Welt» und setzen die deutsche Regierung öffentlich unter Druck. Auch die USA – so scheint es – hätten mit einer Lieferung kein Problem oder ermuntern hinter den Kulissen sogar. Welche militärische Rolle hat die Stahlkolosse?
Mit Kampfpanzern westlicher Bauart will die ukrainische Regierung ihre Streitkräfte durchsetzungsfähiger für weitere Gegenschläge machen. Geht es nach Forderungen Kiews, würden die bereits aus Deutschland gelieferten und weit in den Raum wirkenden Panzerhaubitzen und Mehrfachraketenwerfer nun um Kampfpanzer und Schützenpanzer ergänzt.
Im Zentrum der Begehrlichkeit steht dabei der Kampfpanzer Leopard 2 A4, der nur in dieser älteren, aber noch vielfach verwendeten Variante überhaupt verfügbar scheint. Das gilt auch für den Schützenpanzer Marder, eigentlich ein Auslaufmodell beim deutschen Militär
Zusammenwirken zweier Panzergattungen
Militärexperten verwiesen auf die zentrale Rolle, die das Zusammenwirken der beiden Panzergattungen bei der Rückeroberung von besetzten Gebieten und dem Kampf im urbanen Raum haben. Vier Soldaten sind die Besatzung im Leopard 2, aus dem sie nur «aufgesessen» den Kampf führen, also aus dem Fahrzeug heraus: der Kraftfahrer, ein Richtschütze, ein Ladeschützen und der Kommandant.
Mit überlegener Feuerkraft und seiner Feuerleitanlage ist der Leopard auch in der unmittelbaren Konfrontation mit dem Gegner auf Sicht «duellfähig». «Auf die vielseitige Überlegenheit des Leopard vertrauen die Streitkräfte von 18 Nationen», schreibt Hersteller KMW. Vielfach und unabhängig vom Ingenieursstolz der Fabrikanten wurde der Leopard 2 auch als «bester Kampfpanzer der Welt» bezeichnet.
Dabei ist der Leopard zusammen mit Schützenpanzern im Einsatz, in denen Panzergrenadiere in einem hinteren Raum sitzen und auch «abgesessen» kämpfen, also das Panzerfahrzeug über eine Heckklappe verlassen und sich mit Gewehren oder Panzerfäusten dem Gefecht stellen. Dabei schützen sie auch die eigenen Stahlkolosse gegen sich anschleichende feindliche Panzervernichtungstrupps.
Überlegene grosse 120-Millimeter-Kanone
«Die Schlachten des Ukrainekrieges werden nicht nur, aber vor allem von gepanzerten Verbänden geschlagen», stellt das deutsche Verteidigungsministerium fest und lässt im Format «#nachgefragt» den obersten Panzer-Lehrer zu Worte kommen. Die Panzertruppen charakterisiere «eine hohe Dynamik, hohe Mobilität» trotz der Ketten und das in schwierigsten Gelände, sagt Brigadegeneral Björn Schulz, Kommandeur der Panzertruppenschule der Bundeswehr.
Schulz: «Offenes Gelände oder ein bebautes Gelände, urbaner Raum, wo dann Trümmerteile rumliegen, zerstörte Autos und ähnliche Dinge sind. Da können wir trotzdem ein Maximum an Dynamik, Geschwindigkeit entwickeln.» Zugleich biete der Panzer besonders viel Schutz. Der Leopard punkte zudem mit seiner überlegenen grosse 120-Millimeter-Kanone. Stosskraft, Durchsetzungsfähigkeit durch Feuerkraft und gleichzeitig Schutz seien das Wesen des Einsatzes.
Die Fähigkeiten werden in der nun begonnen Phase der Rückeroberung von Gebieten wichtiger für die Ukrainer. Diese verteidigten geschickt und hätten den angreifenden Russen Möglichkeiten genommen, aus der Luft und weitreichend zu treffen, sagt der General. Die Verluste für die russische Seite wären zu gross. So komme es jetzt immer mehr zum unmittelbaren Gefecht.
US-Äusserungen werden als Ermunterung verstanden
Dass der Kampf dabei in dicht besiedelten Gebieten ausgetragen und entschieden wird, ist erwartbar. «Es ist unvorstellbar, wenn wir über Krieg in Europa reden, dass wir uns im Krieg heraushalten können aus dem urbanen Raum. Es gibt überall in Europa Gehöfte, Industriegebiete, Dörfer, kleine Ortschaften, Megastädte. Die Kriege werden im Regelfall dort entschieden», sagt der General.
«Dort ist Schlüsselinfrastruktur, dort sind Regierungseinrichtungen, Kraftwerke. Ich brauche Brücken, ich brauche bestimmte Strassen. Das kann ich einfach nicht aussen vor lassen. Also muss ich dort auch den Krieg hin tragen unter maximalem Schutz der Zivilbevölkerung.»
Deutschland habe schon weitreichende und treffsichere und damit bedeutende Waffensysteme an die Ukraine gegeben, die jetzt erfolgreich eingesetzt wurden, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz. Alleingänge schliesst er aus, aber auch von einer deutschen «Führungsrolle» war wiederholt die Rede.
Äusserungen aus den USA und von der Nato waren in Berlin als Ermunterung zur Lieferung weiterer Waffensysteme verstanden worden. Auch stimmt aber, dass kein Land bisher westliche Kampfpanzer an die Ukraine abgegeben hat.
«Deutschland muss in Europa vorangehen»
«Es gibt keine stichhaltigen Argumente mehr, um die Ukraine nicht zu unterstützen und ihnen schwere Waffen vorzuenthalten», sagte die Vorsitzendes des Verteidigungsausschusses im deutschen Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, am Donnerstag dazu der dpa.
«Die ukrainische Armee hat in beeindruckender Weise gezeigt, dass sie in der Lage ist, westliches Militärgerät äusserst schnell zu adaptieren. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln», so Strack-Zimmermann.
Die Linie des deutschen Verteidigungsministeriums – die Bundeswehr habe alles geliefert, was möglich ist – «teilen wir als Freie Demokraten ausdrücklich nicht», sagt sie. Deutschland fokussiere sich wie kein anderes westliches Land, trotz der akuten Lage in der Ukraine, darauf, «bloss alle Nato-Verpflichtungen irgendwie zu erfüllen, obwohl es zu Lasten der Ukraine geht».
Strack-Zimmermann: «Deutschland muss in Europa vorangehen. Das ist kein Alleingang oder mangelnde Abstimmung, das ist der Wunsch der Partner. Wer diesen Wunsch anders interpretiert, geht an der Wirklichkeit vorbei.»
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