Preistreiber OmikronEin Virus-Ausbruch in China käme auch die Schweiz teuer zu stehen
Von Oliver Kohlmaier
4.2.2022
China ist trotz Olympia noch immer abgeschottet vom Rest der Welt. Omikron könnte der Zero-Covid-Strategie des Landes jedoch einen Strich durch die Rechnung machen — mit wirtschaftlichen Folgen auch für die Schweiz.
Von Oliver Kohlmaier
04.02.2022, 17:00
24.02.2022, 12:08
Oliver Kohlmaier
Halb Europa und auch die Schweiz lockert mitten in der Omikron-Welle die Massnahmen und debattiert über ein Ende der Pandemie — in China undenkbar. Das Land zieht seine Zero-Covid-Strategie knallhart durch.
Während vergleichsweise milde Massnahmen hierzulande für heftige Proteste sorgten, fahren die chinesischen Behörden ganz andere Geschütze auf. Wer etwa zuletzt in Peking bestimmte Medikamente erwarb — und sei es nur eine Tablette gegen Kopfschmerzen — bekam per Gesundheits-App die behördliche Anweisung, sich testen zu lassen.
In der 15-Millionen-Metropole Tianjin, einer Nachbarstadt von Peking, wurde nach dem Auftreten einiger weniger Fälle die Testung der gesamten Bevölkerung angeordnet.
Sollte die jedoch scheitern, könnte Omikron das Land empfindlich treffen. Denn ermutigende Daten zu Krankheitsverläufen wie etwa in der Schweiz und Europa lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Riesenreich übertragen.
Der renommierte Virologe Christian Drosten bezeichnete China schon Ende vergangenen Jahres als seine grösste Sorge im globalen Kampf gegen die Pandemie. Die Wirksamkeit des dort verwendeten Impfstoffs sei bei Omikron schlecht — «eine echte Gefahr, auch für die Weltwirtschaft».
«Bedeutsame Flaute»
Manche Experten wie Timo Ulrichs gehen davon aus, dass Chinas Strategie ohnehin nicht funktionieren wird. Er erwartet «ein Überrollen ähnlich wie in anderen Ländern».
Deshalb verfolgen derzeit auch Ökonomen die Entwicklung in China ganz genau. Der noch immer drohende Omikron-Ausbruch könnte drastische Folgen für die Weltwirtschaft haben.
Zwar ist das Land wohl auch dank der Zero-Covid-Strategie wirtschaftlich besser durch die Pandemie gekommen als andere Staaten. Das Wirtschaftswachstum 2021 fiel etwas stärker aus als erwartet, die Prognosen und die aktuelle Unsicherheit auf den Märkten jedoch zeichnen ein anderes Bild.
Laut einem am vergangenen Freitag vorgestellten Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) befindet sich Chinas Wirtschaft weiterhin in einer «bedeutsamen Flaute». Diese werde demnach auch in diesem Jahr anhalten. Bereits zuvor hatte die Organisation ihre Prognose für das Wachstum im Land um 0,8 auf nunmehr 4,8 Prozent gesenkt — zu wenig für China.
Seit Jahren schon ist das Land wohl der wichtigste Motor für die Weltwirtschaft, gerade für exportorientierte Nationen. In Deutschland sorgte zuletzt eine Studie für Aufsehen, wonach ein Einbruch in China die grösste Volkswirtschaft Europa empfindlich treffen könnte.
«Grosse Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft»
Natürlich wäre auch die sich erholende Konjunktur in der Schweiz nicht unbeeinflusst von entsprechenden Verwerfungen. Immerhin ist das Reich der Mitte nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner.
Diese Gefahr sieht auch Rudolf Minsch, Chefvolkswirt der Economiesuisse, auf Anfrage von blue News: «Ein wirtschaftlicher Einbruch in China hätte direkt und indirekt grosse Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft.»
Durch die tiefere Nachfrage nach Schweizer Produkten würde demnach vor allem die Uhren-, Textil- oder Maschinenindustrie «stark in Mitleidenschaft gezogen werden», weniger jedoch die Pharma-Branche.
Auch der indirekte Einfluss sei hoch, da «viele Produktteile und auch Dienstleistungen aus der Schweiz heraus zunächst in andere Länder verkauft werden, die dort in einem Endprodukt verwendet und anschliessend nach China exportiert werden».
«Anteil im Aussenhandel relativ bescheiden»
Etwas entspannter äussert sich Rolf Weder, Professor für Aussenwirtschaft und Europäische Integration an der Universität Basel. Er schätzt den direkten Effekt auf die Schweiz eher gering ein: «Der Anteil von China im Aussenhandel der Schweiz ist relativ bescheiden.»
Die indirekten Auswirkungen hingegen seien bedeutender: «Hier würden sich die Veränderungen in China quasi kumulativ über alle Länder der EU auf die Schweiz auswirken», erklärt der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
Dennoch sieht er Schweizer Unternehmen gut aufgestellt: «Die Firmen haben die Erfahrungen in den letzten zwei Jahren genutzt, um ihre internationalen Wertschöpfungsketten weniger abhängig von einzelnen Ländern und Lieferanten zu machen.»
Weiter steigende Preise im Detailhandel?
Expert*innen bereiten zudem die anhaltenden Lieferengpässe Sorgen. Im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, wie anfällig der Welthandel für Störungen ist, etwa durch Corona-bedingte Schliessungen chinesischer Häfen nach Corona-Fällen.
Überhaupt hat die Pandemie die globalen Lieferketten kräftig durcheinandergewirbelt, zusammen mit höheren Rohstoffpreisen führt dies zu erheblichen Preisdruck. Auch zahlreiche Produkte im Detailhandel hatten sich zuletzt verteuert.
Die Lieferengpässe sieht Rudolf Minsch weiterhin als grosses Problem. Diese führten demnach dazu, dass Produzenten ihre Preise erhöhen müssen und dies letztlich «auch zu Preiserhöhungen für den Endkonsumenten» führe.
Das spüren Konsument*innen in der Schweiz bei jedem Einkauf, kommen im Vergleich zum europäischen Ausland jedoch besser weg. Der starke Franken schwächt laut Minsch «die Preisentwicklung bei importierten Produkten, Rohstoffen und Zwischenfabrikaten ab, so dass die Preiserhöhungen in der Schweiz weniger stark ausfallen als im benachbarten Ausland.»