Donald Trump in Bedrängnis Ein Präsident mitten im Schlamassel – Trumps unruhiger Advent

von Michael Donhauser, dpa

19.12.2018

US-Präsident Donald Trump ist durch die Ermittlungen von US-Sonderermittler Rober Mueller stark in Bedrängnis geraten. Nun besteht die Gefahr, dass Ex-Sicherheitsberater Flynn womöglich noch mehr preisgibt.
US-Präsident Donald Trump ist durch die Ermittlungen von US-Sonderermittler Rober Mueller stark in Bedrängnis geraten. Nun besteht die Gefahr, dass Ex-Sicherheitsberater Flynn womöglich noch mehr preisgibt.
KEYSTONE/AP/EVAN VUCCI

Der Advent 2018 dürfte im Gedächtnis des Donald John Trump haften bleiben. Der Präsident ist durch Ermittlungen seiner eigenen Behörden mehr denn je in Bedrängnis. Was heisst es eigentlich, wenn ein Präsident für seinen früheren Anwalt das Wort «Ratte» benutzt?

Melania Trump hat das Weisse Haus vor Weihnachten festlich geschmückt. Sollte die Dekorationskunst der First Lady es geschafft haben, eine friedliche Stimmungslage zu vermitteln, so täuscht diese: Vor Tannenzweigen und Christbaumkugeln kämpft ihr Ehemann derzeit das, was viele in Washington als «die Schlacht seines Politikerlebens» nennen.

Richter und Staatsanwälte beschäftigen sich mit Regierungshandeln, enge Vertraute des Präsidenten werden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Donald Trump steht so nah mit dem Rücken zur Wand wie wohl nie in den fast zwei Jahren seiner Präsidentschaft. Am Dienstag bekam sein früherer Nationaler Sicherheitsberater noch drei Monate mehr Zeit, sein profundes Wissen über Trump, Russland und manch anderes mit den Ermittlern zu teilen. Flynn hatte noch bis Montag fest mit einer Verurteilung ohne Haft gerechnet.

Am Dienstag warf Richter Emmet Sullivan plötzlich die Frage auf, ob nicht auch Verrat als Straftatbestand gegen den Ruhestands-General in Betracht komme. Jedenfalls könne Flynn nicht mehr, wie von Staatsanwaltschaft und Verteidigung eigentlich empfohlen, die Befreiung von der Haft garantiert werden - eine politische Bombe, die da kurz vor dem Fest in Hörweite des Weissen Hauses platzt.

Die Lesart des juristischen Winkelzugs kann folgende sein: Ein Mann, der dem innersten Sicherheitszirkel Trumps angehört hatte, muss jetzt alles, wirklich alles, was er weiss, vor den Ermittlern auspacken - sonst droht ihm im Alter von 60 Jahren der Gang hinter Gitter.

Trumps politischer Gegner jubelt ob solcher Verwerfungen. Rufe nach einer Amtsenthebung werden lauter, von einer Inhaftierung des Präsidenten nach Verlassen des Oval Office ist gar die Rede. Adam Schiff, demokratischer Kongressabgeordneter und eines der politischen Schwergewichte im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses, sagt so etwas schon vor der neuesten Flynn-Entwicklung mit einem Lächeln in die Kameras. Er weiss nur zu genau: Trump hat derzeit nicht die Kraft und nicht die Munition, um adäquat zurückzuschiessen.

Sein Weisses Haus ist noch mehr in Unordnung geraten, als es das ohnehin schon von Beginn seiner Präsidentschaft an war. Trump tut sich sogar schwer, einen Stabschef zu finden, als Ersatz für den ab Jahresende befreiten John Kelly. Mick Mulvaney, der Haushaltschef, macht den Job jetzt kommissarisch mit - ein Mann, der Trump noch vor einiger Zeit als «furchtbaren Menschen» bezeichnete. Selbst Chris Christie, der sich noch zu Wahlkampfzeiten so oft wie möglich in Trumps Nähe gedrängelt hatte, winkte ab.

Trumps General im Weissen Haus hatte sich in internen Streitigkeiten aufgerieben und war bei Trumps Familienmitgliedern, Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner, in Ungnade gefallen. «Sie schmeissen jetzt den Laden», zitierte die «New York Times» jüngst einen Insider. Kelly soll das Paar als «Dilettanten» bezeichnet haben, die versuchten, «Regierung zu spielen.»

Dass Trump den Abschied Kellys bekanntgab, ohne einen Nachfolger sicher zu haben, und sein Favorit Nick Ayers ihn dann brüsk sitzen liess - all das ist nur eine Personalie, aber auch ein wichtiges Indiz dafür, wie sich die Zustände im Hause 1600 Pennsylvania Avenue derzeit präsentieren. Selbst mit allen Wassern gewaschene politische Reporter wie die CNN-Chefkorrespondentin Dana Bash riefen entgeistert «Wow!», als Trump sich am Dienstag auf offener Bühne und vor laufenden Kameras mit den Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer stritt - und dabei argumentativ nicht besonders gut aussah.

Den Boden für solcherlei Spektakel bereiten im Hintergrund juristische Auseinandersetzungen, gegen die Trump kein Gegenmittel zu haben scheint. Im Verfahren gegen seinen früheren Anwalt Cohen wurde ihm selbst implizit vorgeworfen, mögliche Straftaten begangen zu haben - mit der Anordnung von Schweigegeldzahlungen an eine mutmassliche frühere Gespielin.

Es gebe kaum eine Organisation, die jemals von Trump geleitet wurde, gegen die nicht ermittelt werde, schrieb die «Washington Post» jüngst. Am Dienstag stimmte Trump zu, seine Stiftung zu schliessen - und zwar unter den strengen Augen der New Yorker Staatsanwaltschaft, wie diese anmerkte. Eine Studie der britischen Universität Oxford kam fast gleichzeitig zu dem Schluss, Russland habe kaum ein Mittel in den sozialen Medien ausgelassen, um die Regierung Trump zunächst ins Amt zu hieven und dann zu stützen. 2017 wurde der Aufwand noch einmal verdoppelt.

Trump bangt um Flynns Loyalität

Cohen, von Trump inzwischen offen als «Ratte» bezeichnet, geht nun für drei Jahre ins Gefängnis. Flynn hatte Trump noch immer hochgehalten, ihm am Dienstagmorgen - offenbar in der sicheren Annahme, er werde ohne Haft davonkommen - noch «viel Glück» gewünscht. Jetzt muss der Präsident auch um die Loyalität seines einstigen Sicherheitsberaters bangen.

In den Russland-Ermittlungen wird der Morast für Trump tiefer. Die Gefahr, in dem Sumpf irgendwie steckenzubleiben, ist gross. Spekuliert wird darüber, ob Cohen nach seinem Haftantritt am 6. März eingedenk der dann für ihn eintretenden Realität möglicherweise noch mehr einfallen könnte, was er den Ermittlern mitzuteilen hat. Flynn hat jetzt ebenfalls noch drei Monate Zeit zum Nachdenken darüber.

Es ist wenig klar bei all den Ermittlungen gegen Trumps einstige Helferschar, gegen Leute wie Michael Flynn, Michael Cohen und Paul Manafort. Ein Wort aber kommt in all den Prozessakten besonders häufig vor: Lüge! Flynn hat gelogen, Cohen hat gelogen, Manafort hat nach Überzeugung der Ermittler gelogen.

Trump war angetreten mit der Ankündigung, Politik anders zu machen als das Establishment im für viele Amerikaner verhassten Politikbetrieb von Washington. Mit diesem Versprechen hat er bei seinen Stammwählern im Mittleren Westen gepunktet, der Hass auf die politische Klasse, auf den Sumpf von Washington, ist ausreichend gross. Allmählich aber lichtet sich das Dickicht, und zum Vorschein kommt ein Trump, der von Medien inzwischen vorsichtig mit einem Mafioso verglichen wird.

Russland-Sonderermittler Robert Mueller, so schrieb der britische «Guardian» jüngst, wende bei seinem Vorgehen die Ermittlungsmethoden an, die auch im Kampf gegen das organisierte Verbrechen genutzt werden. Ob solcherlei Vergleiche tatsächlich berechtigt sind, mögen erst die nächsten Monate, vielleicht auch Jahre zeigen. Die Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre um Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016 geht langsam voran und steht unter politischem Dauerbeschuss aus dem Weissen Haus. Kaum ein Tag vergeht, an dem Trump nicht per Twitter Stimmung gegen Mueller machen würde - mit wackerer Mithilfe seiner Parteisoldaten.

Comey appelliert an Republikaner

Der von Trump gefeierte FBI-Chef James Comey sprach von «einer immerwährenden Schmach», die die Republikaner auf sich nähmen, wenn sie Trump weiter stützten. «Früher verstanden Republikaner, dass das Handeln eines Präsidenten wichtig ist, dass die Worte eines Präsidenten wichtig sind, dass Gesetzestreue wichtig ist und dass die Wahrheit wichtig ist. Wo sind diese Republikaner heute?», fragte er.

Fest steht auch, dass Trump es nie schwerer hatte als derzeit. Chuck Schumer und Nancy Pelosi, die führenden Demokraten in Senat und Abgeordnetenhaus, zeigten ihm in der vergangenen Woche schon einmal deutlich auf, woher der Wind mit einer demokratischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus wehen wird, wenn das Ergebnis der Parlamentswahlen vom November im Januar zum Tragen kommt. Dass es zum Impeachment, also zu einem Amtsenthebungsverfahren, kommen kann, damit beschäftigt sich nach Medienberichten der Präsident inzwischen auch selbst.

Doch bei den Demokraten herrscht erst einmal grosse Zurückhaltung - nicht nur deswegen, weil die wohl notwendige Unterstützung aus Trumps eigener republikanischer Partei nicht erkennbar ist. «Es kann sein, dass wir dahin kommen, aber wir sind noch nicht dort», sagt der unabhängige Senator Angus King.

Bei den Demokraten besteht die Hoffnung, dass Muellers Team mit jedem Tag der Ermittlungsarbeit noch mehr Belastbares gegen den Präsidenten hervorbringt. Solange dies der Fall ist, wäre ein Schritt in ein formelles Verfahren geradezu töricht. Zu gross ist die Angst, dass die Wählerschaft den politischen Zirkus in Washington erneut abstraft und sich mit Trump solidarisiert, weil man dessen Vergehen als entschuldbar ansieht.

Ex-FBI-Chef James Comey vertritt die Ansicht: «Alle von uns müssen jeden Atemzug dazu nutzen, um sicherzustellen, dass die Lügen am 21. Januar 2021 aufhören.» Mit anderen Worten: Trump muss abgewählt werden - mit Hilfe einer freien Wahl, dem schärfsten Schwert eines demokratischen Rechtsstaates.

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