Montenegro und Kroatien Ein Segelschiff als Zankapfel zwischen Montenegro und Kroatien

AP

17.9.2018

Eigentlich pflegen die beiden Balkanstaaten Montenegro und Kroatien inzwischen gute Kontakte. Doch ein 85 Jahre altes Segelschiff sorgt für Streit und lässt sogar alte Spannungen wieder aufbrechen.

Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Krieg haben Montenegro und Kroatien nahezu alle ihre Konflikte ausgeräumt - bis auf einen. Dabei geht es um ein 85 Jahre altes Ausbildungsschiff, das einst der Königlichen Jugoslawischen Marine gehörte.

Das majestätische Segelschiff heisst «Jadran», was übersetzt «Adria» bedeutet. Derzeit ist es Teil der montenegrinischen Marine und hat seinen Heimathafen in Tivat. Kroatien verlangt die Rückgabe des Schiffes, Montenegro weigert sich.

Die Unstimmigkeiten gehen so weit, dass Kroatien droht, die Bemühungen Montenegros um eine Aufnahme in die EU zu blockieren, und alte Spannungen wieder aufleben.

Vor dem Krieg in Split beheimatet

Als Teil des geschrumpften Jugoslawiens hatten montenegrinische und serbische Soldaten im Jahr 1991 die mittelalterliche Stadt Dubrovnik angegriffen und dieses monatelang belagert. Dubrovnik, ein Unesco-Weltkulturerbe, wurde von Land und von See unter Beschuss genommen, bis die internationale Empörung schliesslich für ein Ende der Angriffe sorgte.

Vor dem Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten an der Adria war der 60 Meter lange, weisse Dreimaster in der kroatischen Stadt Split beheimatet. 1990 wurde die «Jadran» für Reparaturarbeiten nach Montenegro gebracht.

Kroatien beharrt darauf, dass Split immer der Heimathafen des Schiffes gewesen sei. Deswegen müsse es zurückgegeben werden, schliesslich sei es illegal weggenommen worden.

Montenegro seinerseits verweist auf ein Abkommen zwischen den Konfliktparteien zum Ende des blutigen Balkankriegs in den 90er Jahren. Demnach gehöre jegliche militärische Ausrüstung, die auf dem Gebiet eines Staates gefunden worden sei, diesem Staat.

«Die "Jadran" wurde vor 85 Jahren Teil der Geschichte dieser Stadt, und ich bin zuversichtlich, dass sie uns alle überleben wird und in den nächsten 85 Jahren neue Generationen, neue Seeleute und neue Besucher willkommen heissen wird», erklärte der montenegrinische Verteidigungsminister Predrag Boskovic vergangenen Monat in Tivat bei der Feier des 85. Geburtstags der «Jadran».

Sein Land habe im Jahr 2013 eine beträchtliche Summe in die Restaurierung des Schiffes investiert, sagte Boskovic weiter. Damit machte er deutlich, dass Montenegro nicht beabsichtige, das Schiff in nächster Zeit an Kroatien zu übergeben.

Höchste Priorität in der Aussenpolitik

Das kroatische Verteidigungsministerium erklärt, die Rückkehr der «Jadran» gehöre zu den Dingen mit höchster Priorität in der Aussenpolitik. Kroatische Politiker deuteten an, dass man als EU-Mitglied die Aufnahmebemühungen Montenegros in den Staatenbund blockieren könne, falls das Schiff nicht zurückgegeben werde.

«Das Ausbildungsschiff "Jadran" ist Besitz der Republik Kroatien und integraler Bestandteil der kroatischen Marinegeschichte», erklärte Verteidigungsminister Damir Krsticevic. «Kroatien wird alle rechtlichen Mittel nutzen, damit es in kroatisches Hoheitsgebiet zurückkehrt, und erwartet, dass Montenegro internationale Gesetze respektiert.»

«Im Geiste guter nachbarschaftlicher Beziehungen und als Geste des guten Willens» habe Kroatien angeboten, das Schiff für Ausbildungszwecke zu teilen, erklärte Krsticevic weiter. Aber zunächst müsse es zurück nach Split gebracht werden.

Bewegte Geschichte

Das Schiff hat eine bewegte Geschichte. Es stand im Dienst der Marinen von acht verschiedenen Ländern. Als es von Italien während des Zweiten Weltkriegs übernommen wurde, hiess es «Marco Polo». Danach wurde es in Venedig zurückgelassen und verfiel. Die Ausrüstung wurde geplündert, diente zeitweise sogar als Brücke über einen der venezianischen Kanäle.

Die heutige montenegrinische Besatzung sagt, sie werde ihr geliebtes Schiff wegen seiner Geschichte niemals an Kroatien übergeben. Zudem habe die «Jadran», die in Hamburg auf der Stülcken-Werft gebaut wurde, nach ihrer Auslieferung 1933 als erstes in Tivat in Montenegro festgemacht.

«Für die montenegrinische Marine ist es das wichtigste Schiff unter historischen, kulturellen und technischen Aspekten», sagt Kapitän Zoran Ivanovski. «Um ehrlich zu sein: Ich schenke den kroatischen Forderungen keine Beachtung. Mein Job ist es, dieses Schiff zu befehligen. Ich habe meine Besatzung, und dieses Schiff gehört Montenegro.»

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