Trumps Personalkarussell Energie im Weissen Haus? Wie Trump Gary Cohns Rückzug umdeutet

von Michael Donhauser, dpa

7.3.2018

Konflikte seien hilfreich, Konkurrenz kitzele das Beste aus dem ohnehin schon fast perfekten Stab im Weissen Haus. Er selbst strebe nach Perfektion. Donald Trumps Äusserungen zum personellen Aderlass in seinem Umfeld wirken wie Kommentare aus einer Parallel-Realität.

Im Weissen Haus unter der Regie von Donald Trump wird so viel Energie frei, dass es manch einem zu heiss wird. Das ist die Erklärung des US-Präsidenten für einen bisher nicht dagewesenen personellen Aderlass im Machtzentrum der US-Regierung. Andere nennen es ein blosses Chaos oder einen Braindrain - den puren Verlust von Kompetenz, ein geistiges Ausbluten, nach nur 13 Monaten. Im Weissen Haus rettet sich derzeit, wer kann. Auf allen Ebenen fliehen Mitarbeiter. Jüngstes und vielleicht für die Regierungszentrale schmerzhaftestes Beispiel: Gary Cohn.

Der frühere Top-Investmentbanker galt vielen in Washington nicht nur als eine der wenigen Stimmen der Vernunft im engeren Umfeld von Donald Trump. Er war auch für den Präsidenten selbst die Ikone, mit der dieser eine Einlösung eines seiner wichtigeren Wahlkampfversprechen dokumentieren konnte: Seht her, ich hole die besten Leute in meine Regierung! Cohn, ehemals Vizechef von Goldman Sachs, der grössten Investmentbank der Welt, ein mit allen Wassern gewaschener Wall-Street-Insider, stand als einer der wenigen für diese Sicht.

Jetzt ist auch er weg. Nach Michael Flynn, Sean Spicer, Stephen Bannon, Dina Powell, Reince Priebus, Rob Porter und Hope Hicks, verlässt ein weiterer Top-Stratege das Weisse Haus. Während Donald Trump immer noch öffentlich behauptet, dass praktisch jeder überdurchschnittlich befähigte Mensch auf dieser Erde nichts sehnlicher anstrebe, als einen Job mit Trump als Chef, sehen das andere völlig entgegengesetzt. Chris Cillizza etwa, Chefkommentator von CNN, wundert es kaum, dass es über kurz oder lang zum Personalchaos kommen musste: «Wenn man als Donald Trump antritt, bekommt man nicht das A-Personal und auch nicht das B-Personal.»

Die Beschreibungen des totalen Chaos im West Wing des Weissen Hauses mögen stimmen oder auch nicht. Tatsache ist, dass das personelle Ausbluten längst nicht zu Ende sein wird. Trump selbst kündigte an, er denke an noch weitere Mitarbeiter, die es zu ersetzen gelte - weil er stets nach Perfektion strebe. Die Anzeichen dafür, dass er dieser tatsächlich näherkommt, mehren sich jedoch keineswegs.

«Ich mag Konflikte»

Stabschef John Kelly, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Sicherheitsbereiter Herbert Raymond McMaster gelten als Kandidaten - und selbst die eigene Tochter Ivanka soll zur Disposition stehen. «Ich mag Konflikte», sagt Trump. «Ich mag Leute, die unterschiedliche Meinungen austragen.» Dies sei der beste Weg, erfolgreich zu sein. Ob er damit auch Cohns kolportierte Äusserung meinte, in der der Wirtschaftsfachmann den Präsidenten als «dumm wie ein Stück Sch...» bezeichnete haben soll - man weiss es nicht.

Angeblich will Trump seinen Stabschef Kelly dazu benutzen, den wegen möglicher dubioser Geschäfte und angeblichen Russland-Verstrickungen angezählten Kushner nebst Ivanka aus dem Weissen Haus zu drängen. Seinen alten, nach nur zehn Tagen wieder geschassten Kommunikationschef Anthony Scaramucci soll Trump gleichzeitig dazu benutzen, öffentlich gegen Kelly zu schiessen und dessen Ablösung zu fordern. «Was es mittel- und langfristig bedeutet, wenn man das Weisse Haus wie eine Reality-Show im Fernsehen managt, muss erst noch abgewartet werden», schreibt Cillizza.

Im Falle Gary Cohn ist das Ausmass besonders gross. Die Wirtschafts- und Handelspolitik ist eines der wenigen Themenfelder, auf denen Donald Trump über den blossen Auftritt hinaus bisher überhaupt Akzente setzen konnte. Die von Trump gestützte Steuerreform, die vor allem seitens der Unternehmen viel Applaus einheimste, trägt auch Cohns Handschrift. Beim Thema Zölle für Stahl- und Aluminiumimporte hatte Cohn bis zuletzt versucht, eine mildere Variante durchzusetzen - offenbar erfolglos.

Wer ersetzt Cohn?

Die grosse Frage ist, wer Cohn nun ersetzen soll? Ist es Peter Navarro, der national-populistische «America-First»-Hardliner, der Deutschland einst vorwarf, den Euro zu manipulieren, um den USA zu schaden? Oder eher Larry Kudlow, der zweite Favorit auf den Posten, der angeblich Cohn zum Bleiben überreden wollte? Kudlow ist stärker in der Republikanischen Partei verwoben, hatte schon für Präsident Ronald Reagan gearbeitet. «Ich werde eine weise Entscheidung treffen», sagt Trump.

Als sicher gilt, dass diese auch mit der Parlamentswahl im November zu tun haben wird. Das Weisse Haus könnte im Wahlkampf wieder populistischer werden - oder auch republikanischer. Viele Abgeordnete und Senatoren der Regierungspartei bangen nach gut einem Jahr Trump-Regierung um ihre Mandate.

Wie entscheidend diese Weisheit sein wird, mag ein Blick auf die Aktienkurse verdeutlichen: Schon als die Gerüchte um Cohn am Dienstag aufkamen, fiel der Dow-Jones-Index um mehrere Hundert Punkte. Nach der bewusst nachbörslich veröffentlichten Personalie setzten die Kurse ihre Talfahrt am Mittwoch fort: Ein Handelskrieg ist mit dem Abgang Cohns wahrscheinlicher geworden. Das Chaos im Weissen Haus jedenfalls ist noch ein bisschen grösser geworden.

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