Streit um Verfassungsrecht EU-Kommission geht erneut gegen Polen vor

DPA, gbi

22.12.2021 - 13:03

Urteile des polnischen Verfassungsgerichts stossen der EU-Kommission sauer auf.
Urteile des polnischen Verfassungsgerichts stossen der EU-Kommission sauer auf.
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Der Streit zwischen Brüssel und Warschau verschärft sich weiter: Die EU-Kommission leitet erneut ein Verfahren gegen Polen ein. Dabei geht es um einen der Grundpfeiler der Europäischen Union.

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Die umstrittenen Urteile des polnischen Verfassungsgerichts zum Status von EU-Recht haben weitere Konsequenzen: Die EU-Kommission geht nun rechtlich gegen das Land vor.

Die Brüsseler Behörde leitete am Mittwoch ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren ein. Dieses könnte mit einer weiteren Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und schliesslich mit finanziellen Sanktionen gegen Warschau enden.

Nach Ansicht der EU-Kommission verstossen die Urteile des Verfassungsgerichts unter anderem gegen den Vorrang und das Prinzip der einheitlichen Anwendung des EU-Rechts sowie gegen die bindende Wirkung von EuGH-Urteilen. Ausserdem äusserte die Brüsseler Behörde erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des polnischen Verfassungsgerichts.

EU-Recht vs. polnische Verfassung

Brüssel reagiert damit unter anderem auf ein Urteil des Verfassungsgerichts von Anfang Oktober, wonach Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sind. Diese Auffassung stellt aber einen Eckpfeiler der europäischen Rechtsgemeinschaft infrage.

Bereits im Juli hatte das polnische Gericht entschieden, dass die Anwendung einstweiliger EuGH-Verfügungen, die sich auf das Gerichtssystem des Landes beziehen, nicht mit Polens Verfassung vereinbar seien.

Schon einen Tag nach dem Oktober-Urteil machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unmissverständlich die Position ihrer Behörde deutlich: «Das EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, einschliesslich verfassungsrechtlicher Bestimmungen. Diesem Grundsatz haben sich alle EU-Mitgliedstaaten als Mitglieder der Europäischen Union verschrieben.»

«Das EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht.»

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: «Aggression muss ein Preisschild haben».

Ursula von der Leyen

Präsidentin der EU-Kommission

Die EU-Kommission werde «von allen Befugnissen, die uns die Verträge verleihen, Gebrauch machen, um diesem Grundsatz Geltung zu verschaffen». Jedoch weigert sich die nationalkonservative Regierung in Warschau eben diesen grundsätzlichen Vorrang des EU-Rechts anzuerkennen.

Warschau krempelt sein Justizsystem um

Die polnische Regierungspartei PiS baut das Justizwesen des Landes seit Jahren ungeachtet internationaler Kritik um und setzt Richter damit unter Druck. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet und Klagen beim EuGH eingereicht. Mehrere Reformen wurden gekippt.

Bei dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom Oktober hatte Regierungschef Mateusz Morawiecki das Gericht gebeten, ein Urteil des EuGH aus dem Frühjahr zu überprüfen. In dem Urteil hatten die obersten EU-Richter festgestellt, dass EU-Recht Mitgliedstaaten zwingen kann, einzelne Vorschriften im nationalen Recht ausser Acht zu lassen, selbst wenn es sich um Verfassungsrecht handelt.