GrossbritannienExperte: London brauchte nach Truss wirtschaftliche Chemotherapie
SDA
22.9.2023 - 04:13
In dieser Woche jährt sich das desaströse «Mini-Budget» der britischen Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss. Ihre radikalen Pläne schickten nicht nur das Pfund auf Talfahrt. Bis heute hat sich die britische Wirtschaft nicht so recht erholt.
22.09.2023, 04:13
SDA
Auch ein Jahr nach Bekanntgabe der Wirtschaftspolitik der damaligen britischen Premierministerin Liz Truss spüren viele Menschen im Land die Folgen der scharf kritisierten Vorhaben. Der Ökonom Matthew Agarwala verwies darauf, dass die Reaktion des Marktes auf das «Mini-Budget» zu einem deutlichen Zinsanstieg geführt hatte. Daraufhin schossen auch die Kosten für Hypotheken in die Höhe – bis heute.
«Für viele Haushalte ist die «Idiotenprämie» das grösste Überbleibsel von «Trussonomics"», sagte Agarwala der Deutschen Presse-Agentur. Zudem hätten andere Faktoren wie der Brexit und die hohe Inflation zum deutlichen Zinsplus beigetragen.
Massnahmen mit neuen Schulden finanziert
Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng hatten am 23. September 2022 unter anderem umfangreiche Steuersenkungen für Verbraucher und Unternehmen angekündigt, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Vorhaben im Wert von Dutzenden Milliarden Pfund sollten nur mit neuen Schulden finanziert werden.
Das Pfund brach ebenso ein wie die Finanzmärkte, die Zinsen von langlaufenden britischen Staatsanleihen stiegen deutlich. Der Druck wurde schnell zu gross: Truss musste zurücktreten, mit 49 Tagen ist sie die britische Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit der Geschichte. Der neue Finanzminister Jeremy Hunt erhöhte die Steuern und strich Ausgaben zusammen.
Nachfolger Sunak hatte Glück
«Als Reaktion auf die «Trussonomics» hat Grossbritannien eine Art wirtschaftliche Chemotherapie benötigt, eine Heilung, die fast so schmerzhaft ist wie die Krankheit», sagte Agarwala von der Universität Cambridge. Dazu gehörten höhere Steuern. An Truss und Kwarteng lässt er kein gutes Haar. Auf die Fragen, welche Vorteile das «Mini-Budget» gehabt habe, sagte der Experte: «Es hat dazu geführt, dass es einen neuen Premierminister und Finanzminister gibt, die der wirtschaftlichen Zukunft Grossbritanniens weniger schaden.»
Die Volkswirtin Elizabeth Martins von der Grossbank HSBC betonte, Premier Rishi Sunak und Finanzminister Hunt hätten auch Glück gehabt bei ihren Entscheidungen. Die Staatseinnahmen hätten die Entwicklung übertroffen und die Kreditaufnahme sei geringer ausgefallen als erwartet.
Weiterhin Vorsicht geboten
Zwar seien Inflation und Zinssätze weiter gestiegen, so Martins. Doch die Märkte seien stabiler, nachdem einige der damaligen Lockerungen wieder rückgängig gemacht wurden. Allerdings sei weiterhin Vorsicht geboten: Die Inflation sei noch immer zu hoch, die Wirtschaft wachse kaum, dabei nehme Arbeitslosigkeit zu und die Ausgaben für den Schuldendienst würden steigen.
Kurzzeit-Premierministerin Truss arbeitet unterdessen an einem Comeback. Zuletzt verteidigte sie ihre umstrittene Wirtschaftspolitik in einer Rede. Ihre Pläne hätten im Vergleich zu Sunaks Politik rund 35 Milliarden Pfund (rund 39 Milliarden Franken) eingespart, behauptete Truss, die nach wie vor im britischen Parlament sitzt. Sie wolle weiterhin für niedrigere Steuern und weniger Staat werben, kündigte sie an.
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