Schweizer Everest-Bergsteiger im Gespräch Schneedrama am höchsten Berg der Welt: «Die Situation ist prekär»

Samuel Walder

8.10.2025

Extrembergsteiger Karl Egloff kennt die Region um und auf dem Mount Everest. «Die gestrandeten Personen müssen im Team arbeiten», sagt er aus seiner Erfahrung.
Extrembergsteiger Karl Egloff kennt die Region um und auf dem Mount Everest. «Die gestrandeten Personen müssen im Team arbeiten», sagt er aus seiner Erfahrung.
Bild: karlegloff.com

Am höchsten Berg der Welt stecken seit Sonntagabend hunderte Personen fest. Mindestens ein Todesopfer hat der Sturm im Himalaya-Gebirge bereits gefordert. Der Schweizer Extrembergsteiger Karl Egloff war erst im Frühling vor Ort. «Es gibt mehrere Faktoren, die zu dieser Situation geführt haben», sagt er im Gespräch mit blue News.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein heftiger Schneesturm auf der tibetischen Seite des Mount Everest hat hunderte Personen eingeschlossen; Rettungskräfte suchen weiter, während bisher ein Todesfall bestätigt wurde.
  • Extrembergsteiger Karl Egloff beschreibt die Lage als prekär, da viele Trekker ungenügend ausgerüstet sind und Rettungseinsätze wegen Schnee und schlechtem Wetter nur zu Fuss möglich sind.
  • Egloff betont die Bedeutung von Teamarbeit, ausreichender Versorgung und Eigeninitiative in grosser Höhe, da Warten auf Hilfe unter diesen Bedingungen lebensgefährlich werden kann.

Die Bergwelt im Himalaya fasziniert und lockt jährlich tausende Tourist*innen, Trekkinggruppen und Bergsteiger*innen an. Der Herbst ist eine beliebte Zeit für Expeditionen. Doch am Mount Everest kann es gefährlich werden. In der Nacht von Sonntag auf Montag peitschte ein starker Schneesturm über die tibetische Seite des Berges. Laut Medienberichten wurden hunderte Personen abgeschottet und stecken seither im Schnee fest.

350 Personen wurden bisher gerettet, doch die Rettungskräfte suchen weiter. Am Montag berichteten Medien über einen ersten Todesfall.

Einer, der die Region und die Naturgewalt des Himalayas kennt, ist Karl Egloff. Er ist Extrembergsteiger und Bergführer aus der Schweiz. Zuletzt war er im Frühling 2025 am Everest. Da auch bei ihm das Wetter umgeschlagen hatte, musste er die Reise beim Basecamp (5'150 m. ü. M.) frühzeitig beenden. 

Rettungskräfte kommen nur langsam voran

Gegenüber blue News sagt er: «Meinen Informationen zufolge befinden sich die gestrandeten Personen auf der tibetischen Seite in der Region des Everests.» Die Personen seien also nicht auf dem Berg selber. «Die Situation ist prekär», sagt er weiter. Grund: Die Ausrüstungen der Trekker und Sherpas auf der tibetischen Seite seien teilweise nicht für Extremsituationen bestimmt. Egloff habe schon beobachtet, wie Personen mit ungenügendem Schuhwerk und nur einer Wasserflasche den Weg angetreten hätten. 

Karl Egloff war im Frühling 2025 am Mount Everest.
Karl Egloff war im Frühling 2025 am Mount Everest.
Bild: karlegloff.com

Doch wie konnte es so weit kommen? Im Internet wird fleissig spekuliert. Einen Schuldigen zu suchen, sei aber falsch, meint Egloff. «Weder Mensch noch Wetter sind schuld. Wir kennen nicht alle Faktoren – und das Wetter ist unberechenbar in den Bergen», erklärt er. Auch mit guter Ausrüstung komme man in diesem Gebiet an seine Grenzen. 

«Es gibt mehrere Faktoren, die zu dieser Situation geführt haben», erklärt Egloff. Zum einen könne man das Wetter in den Bergen nie zu hundert Prozent vorhersagen. Zum anderen sei der Monsun in diesem Jahr viel früher gekommen als erwartet. 

Erschwerend kommt hinzu: Helikopter können wegen des Wetters nicht abheben. Laut Egloff sei es auf der tibetischen Seite üblich, dass man bis zu einem gewissen Punkt mit dem Auto fährt und erst dann zu Fuss weiter geht. Durch den Schnee sei jedoch keine Strasse befahrbar. «Die Rettungskräfte sind auch zu Fuss unterwegs. Es regnet aber weiterhin stark und sie kommen nur langsam voran, falls sie überhaupt durch den Schnee kommen», sagt Egloff.

«Die Höhe ist ein heikles Thema»

Laut Informationen des Extrembergsteigers kommen nicht nur die Menschen langsam an ihre Grenzen, sondern auch die Yaks, die sie auf ihrem Weg begleiteten. «Wichtig ist, dass man in so einer Situation in einem Team arbeitet». Gutausgerüstete sollten auf weniger gut ausgerüstete Personen achten. «Ein Massenlager sollte auch eingerichtet werden. So kann man einander wärmen», sagt Egloff. 

Wenn man länger auf knapp 5000 Meter Höhe ist, mache einem die Luft irgendwann zu schaffen. Egloff sagt: «Der Körper wird schwächer. Man spürt die Kälte viel stärker. Man braucht viel mehr Schlaf und hat grösseren Hunger.» Er selber habe das damals am eigenen Leibe erlebt. 

Zusätzlich brauche der Körper genug Wasser. «Man sollte kontinuierlich Schnee schmelzen und trinken. Falls man was anbrennen kann, sollte man ein Feuer machen», rät der Bergführer. Und falls man genügend Ressourcen habe, solle man immer wieder etwas essen, damit die Kalorien, die man auf dieser Höhe verbraucht, dem Körper regelmässig zugeführt werden. 

Zurzeit müsse man abwarten, wie sich die Situation entwickelt. «Irgendwann muss aber ein Punkt kommen, an dem man sich im Team bespricht und allenfalls auf eigene Faust in Sicherheit gelangt», sagt Egloff. Denn auf Rettung zu warten, könne irgendwann auch zu spät sein.


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