Spitzt sich hier die Lage zu? Fall Chaschukdschi: Pompeos Krisentreffen in Saudi-Arabien

dpa/gusi

16.10.2018

Vor mehr als zwei Wochen verschwand der saudische Journalist Dschamal Chaschukdschi unter mysteriösen Umständen. Zu dem Fall gibt es viele offene Fragen. Auch für US-Präsident Trump steht viel auf dem Spiel.

Nach dem Verschwinden des saudischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi wächst international der Druck auf Saudi-Arabien, Licht in den mysteriösen Fall zu bringen. US-Aussenminister Mike Pompeo kam am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman zu Krisentreffen zusammen. Pompeo schlug hier aber auffallend sanfte Töne an. Türkische und saudische Ermittler schlossen zugleich eine neunstündige Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul ab.

Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass Chaschukdschi dort von einem aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Spezialkommando getötet worden ist. Sie sollen auch im Besitz kompromittierender Ton- und Videoaufnahmen sein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, man schaue sich mögliche Spuren «giftiger Substanzen» genauer an. Diese seien überstrichen worden.

Krisentreffen der Öl-Mächte: US-Aussenminister Mike Pompeo traf am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman zusammen.
Krisentreffen der Öl-Mächte: US-Aussenminister Mike Pompeo traf am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman zusammen.
Keystone

Aufhebung der Immunität gefordert

Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) machte sich in der Affäre für eine internationale Abstimmung stark. «Wir wollen wissen, was da geschehen ist», erklärte er in Paris. «Wenn wir das wissen, werden wir daraus unsere Schlüsse ziehen.» Er habe in dem Fall auch mit Pompeo telefoniert. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, verlangte die Aufhebung der Immunität von allen saudischen Diplomaten in der Türkei, die Ermittler befragen wollen.

Der 60 Jahre alte Chaschukdschi war am 2. Oktober in das saudische Konsulat gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Seine türkische Verlobte wartete jedoch vor dem Gebäude über Stunden vergeblich darauf, dass der Journalist wieder herauskommt. Chaschukdschi lebte seit mehr als einem Jahr im selbst gewählten US-Exil und schrieb unter anderem für die Zeitung «Washington Post» regimekritische Artikel über Saudi-Arabien.

Saudi-Arabien bestreitet jede Verwicklung in den Fall. Mehrere US-Medien berichteten jedoch, das Königreich bereite eine Erklärung vor. Darin soll es unter anderem heissen, ein Verhör mit Chaschukdschi sei schiefgegangen. Dem Sender CNN zufolge soll es einen Plan gegeben haben, den Journalisten zu entführen, aber nicht zu töten. Eine solche Erklärung wäre der Versuch, den Druck von Riad zu nehmen.

Für Weisses Haus steht viel auf dem Spiel

Nach der Durchsuchung des Konsulats nahmen Ermittler Proben aus dem Garten mit, wie lokale Medien meldeten. Zudem seien zwei Müllwagen ins Konsulat gefahren - weshalb, blieb zunächst unklar. Am Nachmittag sollte auch die Residenz des Konsulats durchsucht werden.

US-Präsident Donald Trump hatte seinen Aussenminister nach Riad geschickt, um die Aufklärung des Falles voranzutreiben. Möglicherweise wird Pompeo in die Türkei weiterreisen. Nach Pompeos Gesprächen in Riad äusserte sich das US-Aussenministerium betont milde. Pompeo habe dem saudischen König für die starke Partnerschaft mit den USA gedankt, und für dessen Einsatz für eine gründliche, transparente und schnelle Aufklärung im Fall Chaschukdschi. Nach dem Gespräch mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman - kurz «MbS» genannt, der eine zentrale Rolle in der Führung des Landes spielt - hiess es, Pompeo habe die Sorge des Präsidenten über Chaschukdschis Verschwinden übermittelt, und dessen Wunsch nach Aufklärung.

Für das Weisse Haus steht in dieser Affäre viel auf dem Spiel, da sich Trump in seiner Nahost-Politik sehr stark auf das sunnitische Saudi-Arabien stützt. Seit Amtsantritt des US-Präsidenten hat sich das zuvor abgekühlte Verhältnis zwischen den beiden Partnern deutlich verbessert. Die USA und Saudi-Arabien sehen vor allem im schiitischen Iran einen gemeinsamen Feind, den sie Hand in Hand bekämpfen wollen. Die allererste Auslandsreise führte Trump im Mai 2017 nach Riad, wo ihm die saudische Führung einen fulminanten Empfang bereitete.

Dort verkündete der US-Präsident auch einen 110 Milliarden Dollar schweren Rüstungsdeal mit dem islamisch-konservativen Königreich. Trump will dieses Geschäft nicht gefährden, um «keinen Jobs zu schaden». Zugleich verschärfte er aber seinen Ton gegenüber Riad und fordert Antworten auf offene Fragen - will aber offensichtlich dennoch die guten Beziehungen zur Führung in Riad nicht aufs Spiel setzen. Es habe sich für ihn so angehört, als könne Chaschukdschi eher Opfer boshafter Killer geworden sein, liess er wissen. Damit machte Trump - bemerkenswert früh - deutlich, dass er nicht von der Theorie eines staatlich beauftragten Mörderkommandos ausgeht.

Wird die Führung in Riad zunehmend autoritär?

Parallel zu Pompeos Riad-Besuch reagierte der US-Präsident auch auf Berichte über finanzielle Verbindungen des Trump-Konzerns mit Saudi-Arabien. Er habe keinerlei finanzielle Interessen mit Blick auf das Land, schrieb Trump. Das alles sei nichts als «fake news».

Die Augen richten sich in der Affäre insbesondere auf den saudischen Kronprinzen. Der 33 Jahre alte Enkel des Königs ist der starke Mann des Landes und gilt als künftiger Herrscher. Während er einerseits Reformen vorantreibt und das Land gesellschaftlich liberalisiert, geht er mit härtester Hand gegen Kritiker vor. Auch Chaschukdschi kritisierte, dass die Führung in Riad zunehmend autoritärer wird. Enge Beziehungen pflegt MbS zu Trumps Schwiegersohn und Nahost-Beauftragtem Jared Kushner.

Zugleich ist das Verhältnis zwischen der Türkei und Saudi-Arabien angespannt. Die Regierung in Ankara ging zwar diskret mit ihren Erkenntnissen um, lässt aber Informationen über den angeblichen Mord scheibchenweise und über anonyme Zeugen an die US-Regierung und Medien weitergegeben. Wieso, dazu gibt es vielfältige Vermutungen.

In der derzeitigen verzweifelten wirtschaftliche Lage könnte die Türkei darauf hoffen, dass der reiche Ölstaat Saudi-Arabien dem Land mit Investitionen oder niedrig verzinsten Darlehen hilft. Manche Beobachter mutmassen, die Türkei fürchte, es sich mit Riad zu verscherzen. Noch immer ist unklar, aus welcher Quelle Informationen zu dem Fall durchsickern. Mehrfach tauchte die Vermutung auf, die Türkei könnte das Konsulat verwanzt haben. Das brächte die Regierung nicht nur gegenüber der saudischen Regierung in Schwierigkeiten.

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