Chinas «Maritime Miliz» Falls nötig macht Peking mit falscher Fischerei-Flotte Druck

Stefan Michel

16.6.2024

Schwimmende Barrikade: Peking setzt seine Gebietsansprüche im südchinesischen Meer immer wieder mit der «Maritimen Miliz» durch, einer mehrere hundert Schiffen starken und nur scheinbar zivilen Flotte.
Schwimmende Barrikade: Peking setzt seine Gebietsansprüche im südchinesischen Meer immer wieder mit der «Maritimen Miliz» durch, einer mehrere hundert Schiffen starken und nur scheinbar zivilen Flotte.
Bild: dpa

China verleiht seinen Gebietsansprüchen im südchinesischen Meer regelmässig mit einer Flotte grosser Fischerboote Nachdruck. Die Maritime Miliz ist zur Stelle, wenn eine umstrittene Insel abgeriegelt werden soll.

Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • China beansprucht einen grossen Teil des südchinesischen Meers und dessen Inseln für sich.
  • Gerade Fischerboote anderer Länder stossen in umstrittenen Gewässern oft auf eine Armada chinesischer Schiffe, die offiziell weder der Marine, noch der Küstenwache angehören: die Maritime Miliz.
  • Mehrere hundert grosse Fischerboote gehören zur Maritimen Miliz. Sie können im Meer Blockaden errichten oder Beobachtungsmissionen durchführen.

Wenn im Pazifik vor Ostasien plötzlich Fischerboote in enormer Zahl auftauchen, liegt das möglicherweise nicht an besonders grossen Fischschwärmen, sondern an einem Befehl aus Peking.

Die «Maritime Miliz» ist ein Verband, bestehend aus über 300 Schiffen, die meisten zwischen 35 und 65 Metern lang. Sie teilt sich in eine professionelle Flotte von rund 100 Schiffen, die wie grosse Fischerboote aussehen, aber keine Meerestiere fangen. Sie sind einzig für Machtdemonstrationen oder auch Blockade-Aktionen im Einsatz. Die professionelle Flotte sei auf Satellitenbildern oft zu sehen, wie sie im Verband umstrittene Inseln umschwärmt, beschreibt der «Guardian».

Ebenfalls zur Maritimen Miliz gehören über 200 Fischerboote, die tatsächlich primär Netze auswerfen, aber aus ihrer zivilen Nutzung heraus für die Maritime Miliz rekrutiert worden sind. Dieser Verband wird auch «Spratley Backbone Fishing Vessels» genannt, Bezug nehmend auf die Spratley-Inseln, die China ebenso beansprucht wie Vietnam, Taiwan, Malaysia und die Philippinen.

Sechs Davids gegen Goliath

Peking bezeichnet 90 Prozent des südchinesischen Meers als ihre Einflusszone. Kleinste Inseln, Riffe und Atolle lässt die chinesische Führung zu Stützpunkten ausbauen und bezeichnet diese dann als ihr Hoheitsgebiet. Der territoriale Anspruch reiche Jahrhunderte zurück. Ein Schiedsgericht in Den Haag hat diese Interpretation teilweise zurückgewiesen. Doch Peking erkennt das Gericht nicht an und ignoriert das Urteil.

Die territorialen Ansprüche der Anrainer-Staaten des Südchinesischen Meers überlappen sich gegenseitig und China reklamiert 90 Prozent des Meeres für sich.
Die territorialen Ansprüche der Anrainer-Staaten des Südchinesischen Meers überlappen sich gegenseitig und China reklamiert 90 Prozent des Meeres für sich.
Bild: KEYSTONE / Heritage Foundation / US Department of Defence

Auch die weiteren Anrainer des südchinesischen Meers, die Philippinen, Vietnam, Malaysia, Brunei, Indonesien und Taiwan, reklamieren gewisse Gebiete für sich. Aber kein Staat setzt sie mit so viel Nachdruck durch wie China. Dabei hilft der asiatischen Grossmacht nicht nur die Marine und die Küstenwache, sondern auch die Maritime Miliz.

Die Asia Maritime Transparency Initiative AMTI hat die Schattenflotte und ihre Bewegungen untersucht. Satellitenbilder zeigen, dass 2023 an jedem einzelnen Tag zwischen 40 und über 350 Schiffe der Maritimen Miliz in Aktion waren, im Schnitt waren es pro Tag deren 195. Sie bewegten sich in der Umgebung der Spratley-Inseln und diverser weiterer Riffe und Atolle, um die sich die Meeresanrainer streiten.

Schwimmende Blockaden

Wie die Meeres-Miliz operiert, haben in den letzten Monaten und Jahren speziell philippinische Fischer zu spüren bekommen. Mitte Mai blockierten ihr angehörende Boote das Scarborough-Riff, das rund 250 Kilometer von der philippinischen Küste und 800 Kilometer vom nächsten Punkt des chinesischen Festlands entfernt liegt. 

Die Philippinen sind überzeugt, dass das Atoll in ihren Gewässern liegt, China beansprucht es für sich und markiert seit Jahren permanent mit Küstenwache-Booten Präsenz. Ein Schiedsgericht hat festgehalten, dass es weder zum einen, noch zum anderen Staatsgebiet gehört und alle das Recht hätten, dort zu fischen. 

Beim letzten einer Reihe von Zusammenstössen fuhren philippinische Boote zum unbewohnten Scarborough Riff, um ihre dort fischenden Landsleute mit Lebensmitteln und Treibstoff zu versorgen. Die chinesische Küstenwache und Marine waren mit einer kleinen Zahl Schiffen vor Ort. Den grossen Teil ihrer Flotte machte die Maritime Miliz aus. Diese blockierte den Zugang zum Riff solange, bis die philippinischen Schiffe abzogen.

Ein ähnlicher Zusammenstoss hatte sich schon 2021 an gleicher Stelle abgespielt. Satellitenbilder von 2021 zeigen miteinander vertäute Boote eine eigentliche Barrikade im Meer bilden. Ein möglicher Rekord: Im Sommer 2023 lagen über 180 Miliz-Schiffe vor dem Mischief-Riff.

Für das Grobe die Küstenwache

Das Center for Maritime Security schreibt, dass die Maritime Miliz Teil der chinesischen Streitkräfte sei. Die Besatzung auf den zu ihr gehörenden Fischerbooten hätte zivile Jobs, viele seien tatsächlich Fischer. Wenn das Kommando ruft, werden sie zu Milizionären auf dem Meer.

Die Maritime Miliz geht auf die Zeit der chinesischen Revolution zurück. Doch erst Präsident Xi Jinping forcierte den Ausbau und die Modernisierung der Schattenflotte. Weiterhin kommt es zu heftigen Konfrontationen zwischen Fischerbooten anderer Nationen und der chinesischen Küstenwache – gefürchtet sind deren Wasserkanonen, die auch mal Scheiben einer Brücke durchschlagen und Besatzungsmitglieder verletzen. Doch die Auswertung von AMTI zeigt, dass Peking vermehrt auf die Masse der scheinbar zivilen Miliz zu setzt. 

Die Konfrontationen zeigen, dass die anderen Anrainer Chinas Gebietsansprüchen wenig entgegenzusetzen haben, wenn Peking diese mit der zivil anmutenden Gewalt der Maritimen Miliz und ihren weiteren Machtmitteln durchsetzt.