Papa an der FrontWie der Krieg Familien auseinander reisst
AP/toko
13.2.2023 - 00:00
Rund 110'000 Menschen flohen seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Rumänien. Eine von ihnen ist die Studentin Wlada Juschtschenko. Ihr kleiner Sohn kennt seinen Vater bisher nur vom Bildschirm.
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13.02.2023, 00:00
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Die Studentin Wlada Juschtschenko war im dritten Monat schwanger, als sie sich an der ukrainische-rumänischen Grenze von ihrem Mann verabschiedete. Die 19-Jährige ging zu Fuss ins Nachbarland Moldawien und lebt inzwischen in Rumänien.
Sie gehört zu den Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern, die durch den seit fast einem Jahr andauernden Krieg zur Flucht gezwungen wurden. Ihr kleiner Sohn Daniel wurde vor acht Monaten in Rumänien geboren und hat seinen Vater Jaroslaw noch nicht kennengelernt. Der 21-Jährige darf wie die meisten Männer in wehrpflichtigem Alter sein Heimatland nicht verlassen.
«Wir konnten einander lange nicht loslassen»
Wie die junge Familie mussten sich von den schätzungsweise 110'000 ukrainischen Geflüchteten in Rumänien – fast ausschliesslich Frauen und Kinder – viele von ihren Angehörigen trennen. «Niemand hat erwartet, dass es Krieg gibt und dass wir nicht zusammen sein würden», sagt Juschtschenko, die sich vorerst in der zentralrumänischen Stadt Brasov niedergelassen hat. Dort hat sie auch ihr Baby zur Welt gebracht. Sie teilt sich eine Wohnung mit Daniel, ihrer Mutter und ihrer todkranken Grossmutter.
«Wir konnten einander lange nicht loslassen», erinnert sich die 19-Jährige an die Verabschiedung von ihrem Mann an der Grenze. «Wir wollten das nicht, aber zugleich war uns klar, dass wir es für die Sicherheit und Gesundheit von mir und dem Baby tun müssen.»
Der fehlende körperliche Kontakt zwischen Vater und Baby schmerzt die Familie. Doch über ihre Smartphones halten die jungen Eltern engen Kontakt. «Manchmal müssen wir weinen, aber wir sind sehr froh, wenn wir uns gegenseitig auf Video sehen», sagt Juschtschenko. Nach Daniels Geburt habe sie ihren Mann so schnell sie konnte angerufen und ihm ein Foto geschickt: «Es war sehr emotional, er war sehr glücklich, es war unvergesslich.»
Doch nicht immer klappt es mit der virtuellen Verbindung. In den vergangenen Monaten griffen die russischen Streitkräfte wichtige Energie-Infrastruktur in der Ukraine an, was die Kommunikation zeitweise erschwert. Ihr Mann versuche, sie zu beruhigen, sagt Juschtschenko, indem er sie vor möglichen Ausfällen warne und ihr sage, dass sie nicht in Panik geraten solle, wenn sie nichts von ihm hört.
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Die Bilder vom Krieg in ihrer Heimat verstärken Juschtschenkos Sorgen. «Es ist sehr hart, die Nachrichten zu schauen und all das Elend, die Raketenangriffe, die Toten zu sehen», sagt die junge Mutter, die neben der Betreuung ihres Babys ihr Mathematik- und Physikstudium am Polytechnischen Institut von Kiew online fortsetzt. «Ich bete jeden Tag, dass alles gut wird in der Stadt, in der Jaroslaw lebt, und im Allgemeinen.»
Es ist unter anderem ihr Glaube, der Juschtschenko durch den Tag hilft. Daniel hat sie im Alter von sechs Monaten in einer örtlichen orthodoxen Kirche taufen lassen. Der Pfarrer, der im selben Haus wie die Flüchtlinge wohnt, erliess der Familie die sonst übliche Gebühr für die Zeremonie.
Im Alltag unternimmt die 19-Jährige oft stundenlange Spaziergänge mit Daniel durch Brasov, eine malerische Stadt in den Karpaten. Sie trifft sich auch mit anderen ukrainischen Müttern hier und tauscht sich mit ihnen aus.
Grösste Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg
Seit Kriegsbeginn sind mehr als acht Millionen Menschen aus der Ukraine in andere europäische Länder geflohen – die grösste Flüchtlingsbewegung auf dem Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg. In Brasov meldeten sich bei der Hilfsorganisation Migranten-Integrationszentrum mehr als 4000 ukrainische Geflüchtete, wie Gründerin Astrid Hamberger sagt. Ihre Nichtregierungsorganisation unterstützt Geflüchtete, darunter auch Juschtschenkos Familie, bei der Suche nach Wohnungen, ärztlicher Versorgung und sozialer Unterstützung.
«Ich fühle mich hier sicher, wir haben viel Hilfe bekommen, für die ich sehr dankbar bin», sagt Juschtschenko. Sie hofft auf einen Sieg der Ukraine gegen Russland, damit ihre Familie nach Hause zurückkehren und Daniel endlich mit seinem Vater zusammenleben kann. «Es wird ein unvergessliches Zusammentreffen, unser Kind ist unser Glück», sagt sie.
Auf die Frage, wofür sie in der Kirche in Brasov betet, zögert Juschtschenko nicht. «Ich bete für die Gesundheit meiner Familie und Freunde und für Frieden in unserem Land», antwortet sie. «Und für die Kraft, das alles zu ertragen.»