Afghanistan Fast hundert Tote bei Taliban-Selbstmordanschlag in Kabul

SDA

27.1.2018 - 16:34

Bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Samstag mindestens 95 Menschen getötet worden. Ein Selbstmordattentäter habe zudem 158 weitere Menschen verletzt, teilte das Gesundheitsministerium mit. Die Taliban beanspruchten die Gewalttat für sich.

Der Attentäter hatte einen mit Sprengstoff beladenen Rettungswagen in die Luft gesprengt. Er habe den Rettungswagen genutzt, um an Sicherheitskontrollen vorbei zu kommen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums der Nachrichtenagentur AFP.

An einem ersten Kontrollpunkt sei er durchgewinkt worden, weil er angegeben habe, einen Patienten zum nahegelegenen Dschamuriate-Krankenhaus zu bringen. An einem zweiten Kontrollpunkt sei er aber "erkannt" wurden. Dort habe er dann seinen Sprengsatz gezündet.

Hakkani-Netzwerk verdächtigt

Das Innenministerium machte das mit den islamisch-fundamentalistischen Taliban verbündete Hakkani-Netzwerk für die Tat verantwortlich. Vier Verdächtige wurden Angaben des Ministeriums festgenommen. Es war das folgenreichste Attentat in Kabul seit dem Anschlag auf das Diplomatenviertel im Mai, bei dem mehr als 150 Menschen getötet worden waren.

Der Anschlag am Samstag erschütterte gegen 13 Uhr Ortszeit eine belebte und gut bewachte Strasse, an der das ehemalige afghanische Innenministerium liegt. In der Nähe befinden sich auch die Vertretung der Europäischen Union, das Kabuler Polizeipräsidium und der Sitz des Hohen Friedensrates zur Aussöhnung mit den Taliban.

Fotos auf Internetplattformen zeigten eine riesige Rauchwolke. Die Detonation war noch in zwei Kilometern Entfernung zu spüren, in einem Umkreis von mehreren hundert Metern gingen Fensterscheiben zu Bruch. Das Büro von Präsident Aschraf Ghani verurteilte den Anschlag als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Entsetzen in aller Welt

Auch international sorgte die Attacke für Entsetzen. Die Nato, die US-Botschaft in Kabul, die britische Regierung und das Auswärtige Amt in Berlin zeigten sich ebenfalls bestürzt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nannte den Einsatz eines Rettungswagens als Tatfahrzeug "grauenvoll". Krankenwagen werden in Kabul nur selten kontrolliert.

Im Dschamuriate-Krankenhaus spielten sich nach dem Anschlag chaotische Szenen ab. Ärzte und Pfleger behandelten Männer, Frauen und Kinder, die blutend auf den Klinikfluren lagen. Auf den Strassen trugen freiwillige Helfer Verletzte über Trümmer, Rettungskräfte luden teils mehrere Leichen in einen einzigen Krankenwagen.

Der Anschlag habe einen Kontrollpunkt des Hohen Friedensrates getroffen, sagte der Friedensrats-Vertreter Hassina Safi. Bisher sei unklar, ob auch Mitglieder des Gremiums unter den Toten und Verletzten seien. Die Mitarbeiter der EU-Vertretung, die in einen Schutzraum flohen, blieben unverletzt.

Blutlachen überall

Ein Augenzeuge, der in der Nähe des Anschlagsortes ein Schreibwarengeschäft betreibt, berichtete, sein ganzer Laden habe gewackelt. "Alle unsere Fenster sind zu Bruch gegangen. Die Leute in unserem Laden stehen unter Schock." Ein Passant berichtete im Fernsehsender Tolo, er habe einen "grossen Knall" gehört und habe dann sein Bewusstsein verloren. Er habe dutzende Tote und Verletzte gesehen. Überall seien Blutlachen gewesen.

Die italienische Hilfsorganisation Emergency teilte mit, in ihr Krankenhaus in Kabul seien 131 Menschen eingeliefert worden. Emergency-Koordinator Dejan Panic sprach von einem "Massaker".

In Kabul hat die Zahl der Anschläge zuletzt stark zugenommen. Die Hauptstadt gilt inzwischen als einer der gefährlichsten Orte für Zivilisten in Afghanistan. Vor einer Woche hatten Kämpfer der Taliban das Hotel Inter-Continental angegriffen und mindestens 22 Menschen getötet. Die meisten Opfer waren Ausländer.

Am Samstagmorgen hatten die afghanischen Behörden in einer Sicherheitswarnung speziell an Ausländer vor möglichen neuen Anschlägen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewarnt. Die IS-Kämpfer planen demnach Anschläge auf Supermärkte, Geschäfte und Hotels, die von Ausländern besucht werden.

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