Proteste in Belarus«Sie haben mit schrecklicher Brutalität zugeschlagen»
SDA/jka
14.8.2020
Nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis in Weissrussland haben viele Menschen von schwersten Misshandlungen erzählt. In Videos zeigen sie ihre von Platzwunden und blauen Flecken übersäte Körper.
Nachdem sie aus dem Gefängnis in Belarus entlassen wurden, haben zahlreiche Menschen in dem von blutigen Protesten erschütterten Land von schwersten Misshandlungen berichtet. In Videos schilderten Frauen und Männer, dass sie kaum ernährt und in engsten Zellen stehend zusammengepfercht worden seien.
Viele Bürger zeigten – nur in Unterwäsche bekleidet – ihre mit Platzwunden und grossen blauen Flecken von Schlägen übersäten Körper. Mehrere Entlassene mussten sofort ins Krankenhaus gebracht werden, wie Medien in der Hauptstadt Minsk berichteten.
Zuvor hatte Präsident Alexander Lukaschenko, der als «letzter Diktator Europas» bezeichnet wird, die Freilassung von Gefangenen angeordnet. Innenminister Juri Karajew entschuldigte sich, dass bei den Protesten gegen Fälschung der Ergebnisse der Präsidentenwahl vom Sonntag auch viele Unbeteiligte festgenommen worden seien.
So etwas passiere, meinte er. Bis zum Morgen sollten mehr als 1'000 der insgesamt rund 7'000 Gefangenen freigelassen werden.
Tausende fordern Rücktritt von Lukaschenko
Frauen schilderten nach der Freilassung aus dem Gefängnis auf der Okrestin-Strasse in Minsk unter Tränen, dass sie geschlagen worden seien. In Zellen mit vier Betten seien 35 Frauen gewesen, sagte eine Freigelassene dem Portal tut.by. «Sie haben mit schrecklicher Brutalität zugeschlagen», sagte sie. «Überall war viel Blut.»
Es war das erste Mal seit Tagen, dass der Machtapparat unter Lukaschenko einlenkte. Tausende hatten auch gestern Donnerstag seinen Rücktritt gefordert, nachdem er sich zum sechsten Mal zum Sieger der Präsidentenwahl hatte erklären lassen. Lukaschenkos Sprecherin kündigte für heute Freitag eine Rede des Präsidenten an das Volk an.
Mit der Freilassung der Protestierenden reagierte der Machtapparat erstmals auch auf Forderungen der EU, das gewaltsame Vorgehen gegen friedliche Bürger zu beenden. Die EU hatte die Freilassung der Gefangenen gefordert. Tausende sitzen aber weiter in den Gefängnissen. An diesem Freitag wollen die EU-Aussenminister über die Lage in der Ex-Sowjetrepublik beraten.