«Freiheit für Nawalny» Hunderte Festnahmen bei Protest in Russland

SDA

21.4.2021 - 21:18

Russinnen und Russen gehen auf die Strasse, um ihre Unterstützung für den inhaftierten Kremlkritiker Nawalny zum Ausdruck zu bringen.
Russinnen und Russen gehen auf die Strasse, um ihre Unterstützung für den inhaftierten Kremlkritiker Nawalny zum Ausdruck zu bringen.
Dmitri Lovetsky/AP/dpa/Keystone

Hunderte Menschen sind in Russland bei Demonstrationen zur Unterstützung des im Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny festgenommen worden. Das Menschenrechtsportal ovdinfo.org listete am frühen Abend für mehr als 50 Städte über 400 Festnahmen auf. Die Menschen riefen trotz Drohungen der Behörden zu Zehntausenden «Freiheit für Nawalny!» und forderten, dem in Haft schwer erkrankten 44-Jährigen ärztliche Hilfe zu leisten.

Keystone-SDA

Nawalny ist seit drei Wochen im Hungerstreik, um so eine Behandlung von einem unabhängigen Arzt zu erwirken. Er klagt über Rückenschmerzen und Lähmungserscheinungen in den Gliedmassen. Nach Angaben des russischen Strafvollzugs wird er auf einer Krankenstation im Straflager behandelt. Die Behörden sehen keine Gefahr für sein Leben.

Auch Nawalnys Frau Julia, sein Bruder Oleg und seine Mutter nahmen an den nicht erlaubten Aktionen in Moskau teil. Nawalnys enge Mitarbeiterinnen Ljubow Sobol und seine Sprecherin Kira Jarmysch wurden bereits Stunden vor den Protesten festgenommen. Jarmysch kam für zehn Tage in eine Arrestzelle, wie sie mitteilte. Der Grund der Festnahmen war zunächst nicht klar.



Die Behörden hatten davor gewarnt, an den Protesten teilzunehmen. In der russischen Hauptstadt waren im Zentrum Zehntausende Menschen auf den Beinen, um Nawalny zu unterstützen, wie unabhängige Beobachter sagten. Autos fuhren mit Hupkonzerten zur Unterstützung an den Demonstranten vorbei. Viele Demonstranten sagten, dass sie ihre Angst überwunden hätten und für Nawalny eintreten wollten. Die Polizei sprach von 6000 Teilnehmern.

In Sprechchören forderten die Menschen – wie in vielen Städten des Landes – auch den Rücktritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie riefen «Putin – wor!» und «Putin, uchodi!» (Deutsch: Putin ist ein Dieb», «Putin, hau ab!"). Sie werfen dem Kremlchef eine Unterdrückung Andersdenkender sowie Korruption vor und riefen «Freiheit! Freiheit!».

Die Proteste hatten im flächenmässig grössten Land der Erde zunächst im äussersten Osten an der Pazifikküste begonnen. Auch in Sibirien gingen Tausende auf die Strasse. In St. Petersburg, der Heimatstadt des Kremlchefs, riefen viele Menschen «Putin ist ein Mörder!», «Freiheit für politische Gefangene!» und «Ein Arzt für Nawalny!», wie der Internetfernsehsender Doschd zeigte.

Nawalny macht Putin verantwortlich für den Mordanschlag auf ihn im vergangenen August, als er in Sibirien mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. Der Präsident weist die Vorwürfe zurück. Die russische Führung lehnt auch Ermittlungen in dem international verurteilten Verbrechen ab. Nawalny warf Putin wiederholt vor, er wolle ihn nun im Straflager töten – aus Rache, weil das Attentat gescheitert sei.

Der Kreml hatte internationale Kritik am Umgang mit Nawalny als unzulässige Einmischung in Russlands innere Angelegenheiten abgelehnt. Auch für die medizinische Behandlung des Oppositionellen bezeichnete sich die Präsidialverwaltung als nicht zuständig und verwies an den Strafvollzug, der Nawalnys Zustand als «zufriedenstellend» einstufte.

In Genf verlangten Experten des UN-Menschenrechtsrats hingegen, Nawalny angesichts der «ernsten Gefahr» für seine Gesundheit zur Behandlung ins Ausland auszufliegen. Sie erinnerten daran, dass der Politiker nach dem Mordanschlag in Deutschland behandelt wurde.

Die Sicherheitskräfte verhielten sich zumindest in Moskau anders als bei den Protesten im Winter zunächst etwas zurückhaltender, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur an Ort und Stelle berichtete. Viele Strassen waren mit Absperrgittern im Zentrum verbarrikadiert. Zuletzt hatte es Tausende Festnahmen und massive Polizeigewalt gegen die Nawalny-Unterstützer gegeben. Auch in vielen Städten im Ausland gab es Solidaritätsproteste, darunter in Deutschland unter anderem in Düsseldorf und in Berlin.