«Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut»: Nach monatelanger Pause wegen der Corona-Pandemie zieht es Klimaschützer in aller Welt am Freitag wieder auf die Strassen.
Rund um die Erde und bei Hunderten Aktionen in Deutschland wollen sie im Rahmen eines internationalen Klimaprotesttages wieder für mehr Tempo im Kampf gegen die Klimakrise demonstrieren.
Die Klimabewegung Fridays for Future hat zum Aktionstag aufgerufen, nachdem die Proteste monatelang hauptsächlich im Internet stattgefunden hatten. Die Veranstalter versicherten, dass man sich an Schutzmassnahmen gegen die Pandemie halten wolle. Fridays for Future zufolge sind weltweit mehr als 3000 «Klimastreiks» registriert, allein in Deutschland sind demnach mehr als 400 Demonstrationen geplant, darunter eine Mahnwache am Brandenburger Tor in Berlin.
Wie viele Teilnehmer das Ganze haben wird, lässt sich aufgrund der Pandemie vorab nur schwer einschätzen. Für die Veranstaltung am Brandenburger Tor sind den Organisatoren zufolge 10 000 angemeldet.
Warum demonstrieren sie gerade jetzt wieder, wo in vielen Ländern die Corona-Zahlen wieder steigen? «Die Regierung lässt uns keine andere Wahl, als gegen ihr anhaltendes Desinteresse an einer sicheren Zukunft für unsere Generation auf die Strasse zu gehen», sagte Luisa Neubauer, die bekannteste Aktivistin der Bewegung in Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur. «Wir streiken mit Abstand und Maske.» Es solle auch ein Zeichen «verantwortungsbewussten, demokratischen Widerstandes einer solidarischen Gesellschaft» sein – im Gegensatz zu den Coronaprotesten der vergangnen Wochen, sagte sie. Der Aufwand, das inmitten der Pandemie zu organisieren, sei «immens».
Das Klimacamp Aachen war indes wegen mutmasslicher Verstösse gegen Corona-Auflagen am Donnerstag zeitweise von einer Räumung bedroht. Die Stadt Aachen hatte den Aktivisten aber noch einmal Aufschub bis zum Freitagmorgen gewährt. Um 7.30 Uhr werde das Ordnungsamt erneut kontrollieren, ob Auflagen eingehalten werden, sagte ein Stadtsprecher der Deutschen Presse-Agentur am späten Donnerstagabend. Sollten nicht von allen rund 150 bis 200 Teilnehmern die vollständigen Namen, Adressen und Telefonnummern vorliegen, werde die von Fridays for Future angemeldete Veranstaltung vorzeitig beendet.
Fridays for Future wird von zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt, darunter kirchliche Initiativen, Umweltverbände, Gewerkschaften und auch Parteien. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte der dpa anlässlich der Proteste: «Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz endlich in den Macher-Modus kommt.» Der Ökostrom-Ausbau müsse mit voller Kraft vorangetrieben werden. In der EU werden derzeit klimapolitische Weichen gestellt, es geht um die Erhöhung des Ziels für 2030 beim Treibhausgas-Sparen.
Mit dem fortschreitenden Klimawandel ist Forschern zufolge auch in Deutschland mit mehr und intensiveren Wetterextremen zu rechnen – davor hat in dieser Woche erneut der Deutsche Wetterdienst gewarnt. Nach DWD-Daten sei das aktuelle Jahrzehnt rund 1,9 Grad wärmer als die ersten Jahrzehnte (1881-1910) der Aufzeichnungen.
«Auch dieses Jahr werden die Fakten immer alarmierender», sagte Aktivist Quang Paasch der dpa. Waldbrände und Überschwemmungen bestimmten zunehmend das Leben von Millionen Menschen. Während die Wirtschaft in der Corona-Krise wieder angekurbelt werden solle, werde die grösste Chance zum Wandel hin zur Nachhaltigkeit und Ökologie vertan. «Wir wollen, dass die Wissenschaft ernst genommen wird», sagte Paasch. Politik und Wirtschaft dürften den Profit nicht über den Wohlstand der Vielen stellen. Man sei eine «Klimagerechtigkeitsbewegung».
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die vor gut zwei Jahren mit einem «Schulstreik fürs Klima» angefangen hatte, kündigte an, dass sowohl auf den Strassen als auch digital demonstriert werde. «Wir werden das auf viele verschiedene Arten tun, je nachdem, wie die Situation der Corona-Beschränkungen aussieht», sagte sie vorab. «Wir tun das, um ein Signal zu senden, dass wir diese Krise als Krise behandeln müssen.» Am wichtigsten sei, darauf hinzuweisen, dass diejenigen am meisten unter den Folgen des Klimawandels litten, die am wenigsten dafür könnten.
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