Front gegen China? Die neue US-Aussenpolitik unter Biden

Von Christiane Jacke, dpa

16.3.2021 - 00:00

Antony Blinken (l), neuer Aussenminister der USA und Präsident Joe Biden wollen Bündnisse gegen China stärken.
Antony Blinken (l), neuer Aussenminister der USA und Präsident Joe Biden wollen Bündnisse gegen China stärken.
Evan Vucci/AP/dpa (Archivbild)

Chinas wachsende Macht treibt die neue US-Regierung von Joe Biden besonders um. Im geopolitischen Kräftemessen sendet Washington durch eine Serie diplomatischer Treffen nun klare Botschaften an Peking. Ist ein Konflikt beider Länder unausweichlich?

DPA, Von Christiane Jacke, dpa

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden richtet alle Blicke nach Osten. Chinas wachsende Macht treibt sie um – das zeigt schon der Blick auf den Terminplan. Auf eine Gipfel-Premiere von Biden mit Verbündeten in der Indo-Pazifik-Region folgt diese Woche der erste internationale Trip von Aussenminister Antony Blinken. Sein Ziel: Asien. Mit Verteidigungsminister Lloyd Austin besucht er Japan und Südkorea. Austin fliegt im Anschluss weiter nach Indien, für Blinken geht es nach Alaska zum ersten hochrangigen Treffen mit China seit dem Machtwechsel in den USA. Die Choreographie der diplomatischen Akkordarbeit strotzt vor Signalen: an Peking.

Dass die beiden Ressortchefs Japan und Südkorea gemeinsam besuchten, sei ungewöhnlich, sagt Bonnie Glaser, Asien-Expertin der amerikanischen Denkfabrik CSIS. Es zeige, wie viel Bedeutung die neue Regierung der indopazifischen Region beimesse. «Und es ist ein wichtiges Signal an China.» Die USA machten damit deutlich, dass sie keineswegs vorhätten, sich aus Asien zurückzuziehen, sondern entschlossen seien, «die Allianzen zu stärken, die China versucht zu schwächen». Blinken und Austin schreiben in einem Gastbeitrag für die «Washington Post»: «Unsere kombinierte Macht macht uns stärker, wenn wir uns gegen Chinas Aggressionen und Bedrohungen wehren müssen.»



«Historischer» Indo-Pazifik-Gipfel

US-Sicherheitsberater Jake Sullivan nannte den Indo-Pazifik-Gipfel mit den Regierungschefs von Japan, Indien und Australien am Freitag «historisch» und sagte, Biden habe dies bewusst als erstes multilaterales Treffen angesetzt, um die Bedeutung der Region für die USA zu betonen. China habe bei dem Treffen eine Rolle gespielt, aber nicht im Zentrum gestanden. Zwischen den Zeilen fand sich umso mehr Bezug zum zunehmenden Machtstreben Chinas: in dem wiederholten Bekenntnis der vier Staaten zu einem freien Indo-Pazifik-Raum, zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und territorialer Integrität.

Sullivan sagte, der Gipfel läute «eine intensive Strecke von Diplomatie in der Region» ein. Die Strategie der Amerikaner dabei: Sie besprechen sich zunächst mit den wichtigsten Verbündeten dort und erst danach mit den Chinesen, um nicht isoliert die eigenen Sorgen vorzutragen, sondern möglichst gemeinsame Positionen.

Viele Streitpunkte

Die Liste der Streitpunkte ist lang: Die USA beklagen unfaire Wirtschaftspraktiken Chinas, die Repression in Hongkong, Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Provokationen in der Region, etwa mit Blick auf Taiwan. China wiederum sieht Hongkong, Taiwan und Xinjiang als «innere Angelegenheiten Chinas» und verbittet sich Belehrungen jeder Art aus den Vereinigten Staaten.

Im Februar hatte Biden erstmals seit seinem Amtsantritt mit Chinas Präsident Xi Jinping telefoniert. Das zweistündige Gespräch lief wenig harmonisch ab. Dass sich ranghohe Vertreter beider Regierungen am Donnerstag in der Abgeschiedenheit von Alaska begegnen, ist mindestens ungewöhnlich. Die Amerikaner hätten die Chinesen nicht in Washington treffen wollen, meint Glaser. «Das würde ihnen zu viel Bedeutung geben.» Blinken und Sullivan hätten für ein Treffen mit ihren Counterparts aber wohl auch nicht nach Peking fliegen wollen. «Da ist zu viel Bildsprache involviert.» Daher gebe es ein Treffen auf halbem Weg zwischen Peking und Washington, auf amerikanischem Boden, aber so weit wie möglich entfernt von der US-Hauptstadt.



Die US-Regierung werde «aus einer Position der Stärke» in die Gespräche gehen, sagte Sullivan und verwies auch auf die wiederbelebten Allianzen mit Partnern in Europa. Es hätten tief gehende Gespräche über gemeinsame Sorgen zu China begonnen, und man habe erste Handelsstreitigkeiten beseitigt.

Die USA einigten sich mit der EU und Grossbritannien, gegenseitig verhängte Strafzölle vorerst auszusetzen. Auch sonst begegnete Biden den Europäern zum Start auf die sanfte Tour. Im Dauerstreit über die Gaspipeline Nord Stream 2 wurden deutsche Unternehmen bislang vor Sanktionen verschont. Die nur langsam steigenden Militärausausgaben europäischer Partner – seit Jahren ein Ärgernis für die Amerikaner – lobte Biden sogar vorsichtig. Alles versöhnliche Gesten, um nicht nur Schäden aus der Amtszeit von Donald Trump zu reparieren, sondern die Europäer auch im Kräftemessen mit China für sich zu gewinnen?

Chinas wachsende Macht treibt die neue US-Regierung von Präsident Biden besonders um.
Chinas wachsende Macht treibt die neue US-Regierung von Präsident Biden besonders um.
Andy Wong/AP/dpa (Symbolbild)

Bei seiner ersten aussenpolitischen Rede vor europäischem Publikum bei der Münchner Sicherheitskonferenz verkündete Biden jedenfalls das Comeback der transatlantischen Allianz. Er betonte dabei, die USA und Europa müssten zusammenstehen, um gegen Chinas Gebaren anzugehen. Die neue US-Regierung sieht das Land als den mit Abstand grössten Konkurrenten. Blinken formuliert das einigermassen dramatisch und nennt China «das einzige Land, das über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt», um die internationale Ordnung ernsthaft herauszufordern. Die Beziehung zu China sei die «grösste geopolitische Prüfung des 21. Jahrhunderts».



In ihrer Einschätzung Chinas liegen die Trump- und die Biden-Regierung also gar nicht weit auseinander. Im Umgang treten angesichts der engen Abstimmung mit Partnern in Europa und Asien dagegen schon jetzt die Unterschiede zutage. Glaser meint, die US-Regierung bemühe sich, verschiedene Koalitionen für bestimmte Probleme mit China zu schmieden. Europa etwa sei die Sicherheit im indopazifischen Raum weniger wichtig als Menschenrechtsverletzungen Pekings. Sie sehe aber kein Bestreben der USA, grundlegende «Anti-China-Koalitionen» zu bilden und ideologische Fronten wie etwa im Kalten Krieg aufzubauen.

«Extremer Wettbewerb» unausweichlich

Die USA haben in Asien eine bedeutende Militärpräsenz, darunter in Japan, Südkorea und dem US-Aussengebiet Guam. Das wird von China als Bedrohung empfunden. Seit Bidens Amtsantritt haben US-Kriegsschiffe ihre Einsätze um Taiwan und im umstrittenen Südchinesischen Meer verstärkt. Chinesische Kampfflieger wiederum verletzen fast täglich Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung.

Das Risiko einer bewaffneten Konfrontation beider Länder hält Asien-Expertin Glaser aber für gering – zumindest in den nächsten paar Jahren: «Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, weswegen die USA und China in den Krieg ziehen würden.» Es sei denn, China würde Taiwan angreifen, was jedoch nicht wahrscheinlich sei.

Biden selbst sagte kürzlich, es müsse nicht unbedingt einen Konflikt mit China geben. Unausweichlich sei aber ein «extremer Wettbewerb». Sein Sicherheitsberater Sullivan stellte klar: «Und wir beabsichtigen, uns in diesem Wettbewerb durchzusetzen.»