«Ich fühle mich wie Sophie Scholl»«Jana aus Kassel» erntet Spott und Hohn für geschmacklosen Vergleich
tafu
23.11.2020
Mit ihrem Sophie-Scholl-Vergleich sorgte eine Frau auf einer «Querdenker»-Demo in Deutschland für Empörung. In den sozialen Medien erntet «Jana aus Kassel» nicht nur heftige Kritik, sondern auch jede Menge Spott.
Aus Protest gegen die Corona-Politik gingen am Wochenende erneut Tausende Menschen in Deutschland auf die Strassen. Dabei sorgte besonders ein Auftritt für Aufsehen: Eine Frau, die sich als «Jana aus Kassel» vorstellte, sorgte auf einer «Querdenker»-Demo in Hannover mit einem unpassenden Vergleich für Entsetzen.
Ein Video, das auf Twitter geteilt und bis Montagmittag bereits zwei Millionen Mal angesehen wurde, zeigt die junge Frau, die auf der Bühne eine Rede hält. Sie sei «seit Monaten aktiv im Widerstand», sei ebenso 22 Jahre alt, verteile seit Wochen Flyer – und fühle sich deshalb wie Sophie Scholl.
Rednerin in #Hannover fühlt sich wie Sophie Scholl, da sie "seit Monaten aktiv im Widerstand" sei. Ordner wirft daraufhin das Handtuch: "Für so einen Schwachsinn mach ich doch keinen Ordner mehr. Das ist Verharmlosung vom Holocaust." Rednerin weint und wirft auch hin. #h2111pic.twitter.com/BU5AvvlHSD
Der Vergleich ist kaum angemessen: Sophie Scholl kämpfte 1942 mit ihrem Bruder und der Widerstandsgruppe «Weisse Rose» mit grossem Mut gegen das Nazi-Regime und versuchte mit Flugblättern über die Gefahren und das Unrecht, das von den Nationalsozialisten ausging, aufzuklären.
Scholl setzte damit bewusst ihr Leben aufs Spiel, denn Kritik an der Diktatur wurde mit dem Tode bestraft. Am 22. Februar 1943 wurde Sophie Scholl hingerichtet. «Jana aus Kassel» dagegen riskiert wohl kaum ihr Leben: Sie lebt in einem demokratischen Staat, darf öffentlich ihre Meinung äussern, ohne dass sie Sanktionen befürchten müsste.
«Verharmlosung vom Holocaust»
Einem Ordner der Veranstaltung waren die Äusserungen der Frau zu viel: Der Mann kommt zur Bühne und will der Rednerin seine Sicherheitsweste überreichen. «Für so einen Schwachsinn mach' ich doch keinen Ordner mehr. Das ist Verharmlosung vom Holocaust», so seine Erklärung.
Ebenso wie der Ordner reagieren Menschen im Netz. Zahlreiche Tweets machen deutlich, wie sehr die Frau mit ihrem Vergleich danebengegriffen hat. Deutschlands Aussenminister Heiko Maas zeigte sich empört: «Wer sich heute mit Sophie Scholl oder Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es braucht, Haltung gegen Nazis zu zeigen. Das verharmlost den Holocaust und zeigt eine unerträgliche Geschichtsvergessenheit Nichts verbindet Corona-Proteste mit Widerstandskämpfer*Innen. Nichts!»
Wer sich heute mit Sophie Scholl o Anne Frank vergleicht,verhöhnt den Mut, den es brauchte,Haltung gegen Nazis zu zeigen.
Das verharmlost den Holocaust und zeigt eine unerträgliche Geschichtsvergessenheit.
Nichts verbindet Coronaproteste mit Widerstandskämpfer*Innen.
SPD-Politiker Karl Lauterbach lobt den Ordner: «Super Reaktion des Ordners. Eine gesunde 22-Jährige vergleicht sich mit Sophie Scholl. Weil sie wohl nicht in die Kneipen darf. Groteskes Selbstmitleid. Jeder, der schon einmal beatmete Menschen an Lungenentzündung sterben sah, kann einen solchen Schwachsinn nicht ernst nehmen.»
Super Reaktion des Ordners. Eine gesunde 22 Jährige vergleicht sich mit Sophie Scholl. Weil sie wohl nicht in die Kneipen darf. Groteskes Selbstmitleid. Jeder, der schon einmal beatmete Menschen an Lungenentzündung sterben sah kann einen solchen Schwachsinn nicht ernst nehmen. https://t.co/ucbr69Ehz8
«Jede verpasste Geschichtsstunde ist eine zu viel»
Andere User sehen in der Aussage von «Jana aus Kassel» ein perfektes Beispiel für die Wichtigkeit von guter Bildung. «Jana aus Kassel hat ohne es zu wollen der Bedeutung von Geschichtsunterricht ein monumentales Denkmal gesetzt», schreibt die Autorin Katharina Nocun.
Jana aus Kassel hat ohne es zu wollen der Bedeutung von Geschichtsunterricht ein monumentales Denkmal gesetzt.
In diese Kerbe schlägt auch ein Tweet des Satiremagazins «extra3»: «#janaauskassel ist ein starkes Argument gegen Schulschliessungen. Jede verpasste Geschichtsstunde ist eine zu viel.»
#janaauskassel ist ein starkes Argument gegen Schulschließungen. Jede verpasste Geschichtsstunde ist eine zu viel.
Mit Ironie und Humor führen dagegen andere Twitter-User die Absurdität der Aussage «Hallo, ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl» vor. Viele Nutzer verdeutlichen, warum es ihnen ganz genau so gehe wie Jana. «Konnte aufgrund Mindestbestellwert nicht bestellen, was ich wollte, und fühle mich daher nun wie Sophie Scholl», schreibt Aggressive Amsel.
Konnte aufgrund Mindestbestellwert nicht bestellen was ich wollte und fühle mich daher nun wie Sophie Scholl.
Und nicht nur Sophie Scholl, auch andere historische Persönlichkeiten müssen für absurde Vergleiche herhalten. «Habe im Lockdown zwei Kindern Klopapier geschenkt. Fühle mich wie Oskar Schindler», schreibt Rob Vegas.
Habe im Lockdown zwei Kindern Klopapier geschenkt. Fühle mich wie Oskar Schindler.
Ein weiterer User erklärt: «Ja hallo, ich bin Michi aus Karlsruhe und ich fühle mich wie Mahatma Gandhi, weil ich seit Monaten versuche, weniger zu essen.»
Ja hallo, ich bin Michi aus Karlsruhe und ich fühle mich wie Mahatma Gandhi, weil ich seit Monaten versuche, weniger zu essen. #janaauskasselhttps://t.co/zyiIOzbVJx