Angriffe auf russisches GebietKiew setzt die Unterstützung der Nato-Staaten aufs Spiel
tafi
7.6.2023
Russische Behörden rufen Bewohner von Grenzgebiet zur Flucht auf
Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, hat die Bewohner der Grenzregion zur Ukraine aufgerufen, die Gegend zu verlassen. Schützen Sie das, «was das Wichtigste ist: Ihr Leben und das Ihrer Liebsten», sagte Gladkow.
04.06.2023
Immer wieder greifen Exil-Russen von der Ukraine aus die russische Region Belgorod an: Dass Kiew Angriffe auf russisches Staatsgebiet initiiert oder mindestens duldet, ist riskant: Das gefährdet die Militärhilfe des Westens.
tafi
07.06.2023, 19:50
tafi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Mit Angriffen auf die russische Region Belgorod bereitet die Ukraine offenbar ihre Offensive vor.
Das Ablenkungsmanöver jenseits der Grenze könnte für Kiew allerdings gefährlich werden.
Weil Waffen aus Nato-Ländern eingesetzt werden, könnte der Westen seine militärische Unterstützung zurückfahren.
Verwirrung stiften, gegnerische Truppen ablenken und Russland zeigen, dass auch das eigene Gebiet angreifbar ist – dass die Ukraine Kämpfer in das russische Grenzgebiet im Oblast Belgorod vordringen lässt, sieht Strategieexperte Marcel Berni von der Militärakademie an der ETH Zürich im Gespräch mit blue News als «wichtige Vorbereitung der ukrainischen Offensive».
Die Partisanenkämpfe «sind Teil des Austestens der russischen Verteidigungsbereitschaft», sagt Marcel Berni, «und zeigen Russland, dass der Grenzschutz nicht genügt. Die Armee muss allenfalls Truppen abziehen, die eigenen Frontverbände umgruppieren und damit schwächen.»
Allerdings birgt sie auch Gefahren für Kiew. Die Angreifer sind teilweise mit Fahrzeugen und Waffen aus Nato-Ländern ausgestattet. Und das sieht der Westen gar nicht gern.
Kiews Partner wollen keine Angriffe auf Russland
Dennoch nehmen die aus russischen Staatsbürgern bestehenden Einheiten «Russisches Freiwilligenkorps» und «Legion Freiheit Russlands» offenbar mit Billigung der Ukraine die Grenzregion weiter unter Beschuss. Langfristig könnte sich die Strategie Kiews rächen, berichtet das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel».
Denn eigentlich wollen die Partner im Westen «Angriffe auf das Staatsgebiet Russlands vermeiden». Ihre Waffen sollen nur in der Ukraine eingesetzt, Angriffe auf das Staatsgebiet Russlands eigentlich vermieden werden. «Man weiss in Kiew genau, dass Angriffe auf russisches Territorium von der westlichen Staatengemeinschaft nicht begrüsst werden», erklärt auch Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen im Gespräch mit blue News.
Dass westliche Waffen in Russland eingesetzt werden, ist für Kiews Partner also eigentlich inakzeptabel. Aus diesem Grund hat die Ukraine bislang beispielsweise keine Langstrecken-Munition für die US-Raketenwerfer Himars bekommen.
Bei den Kämpfen in der Region Belgorod setzte sich die Ukraine offenbar über die Bedenken ihrer Partner hinweg. Zumindest aber duldete man laut «Washington Post», dass die Angreifer mit minenfesten Fahrzeugen, die von den USA und Polen geliefert worden waren, die Grenze überquerten und in Russland mit Nato-Waffen aus Tschechien und Belgien kämpften.
Kiew spielt ein doppelt riskantes Spiel
«Die Ukraine ist an den Ereignissen in der Region Belgorod nicht direkt beteiligt», hält die ukrainische Führung gegenüber dem «Spiegel» fest. Vielmehr sei es offensichtlich, dass die russischen Behörden die Kontrolle verlören.
Diese Darstellung ist für den britischen Russland-Experten Mark Galeotti nicht haltbar. Dem «Spiegel» sagte er, dass die Milizen «insbesondere vom ukrainischen Militärgeheimdienst aufgestellt, bewaffnet, ausgerüstet, bezahlt und unterstützt» werden.
Obgleich es für den Kreml peinlich ist, dass Russland nicht in der Lage ist, die eigenen Grenzen zu schützen, sind die Angriffe auf Belgorod auch für die Ukraine riskant – und zwar doppelt. Kiew ist «bereits über das hinausgegangen, was in Bezug auf die Verwendung der Ausrüstung [von westlichen Partnern] vereinbart war», analysiert Galeotti.
Sollte Kiew neben Kleinwaffen und gepanzerten Fahrzeugen auch schweres militärisches Gerät jenseits der Grenze einsetzen (lassen), könnte die Unterstützung der Nato-Partner auf dem Spiel stehen. Zudem drohe immer auch die Gefahr einer scharfen Reaktion Moskaus – wenngleich ein Atomschlag oder eine weitere Mobilmachung unwahrscheinlich seien.