EU ringt um neues GesetzGas- und Ölkonzerne sollen ihre Methan-Lecks stopfen
Von Gabriela Beck
17.4.2023
Neue Satellitendaten zeigen, dass Gas- und Erdölfirmen Riesenwolken Methan in die Atmosphäre entweichen lassen. Die Lecks zu stopfen, würde den Klimawandel bremsen. Die EU will die Konzerne nun stärker in die Verantwortung nehmen.
Von Gabriela Beck
17.04.2023, 20:48
Gabriela Beck
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Methan ist ein Klimakiller. Das oft unterschätzte Treibhausgas erhitzt die Welt über eine Zeitspanne von 20 Jahren um über 80-mal stärker als CO2.
Eine Analyse von Satellitenbildern zeigt, dass es weltweit über 1000 grosse Methan-Lecks gibt, die grösstenteils auf die Praxis des Abfackelns oder schlecht gewartete Förderanlagen zurückzuführen sind.
Die EU will Öl- und Gaskonzerne, Kohleförderer sowie Betreiber von Biogasanlagen nun per Gesetz dazu verpflichten, ihre Infrastruktur regelmässig auf Methan-Leckagen zu untersuchen.
Über 1000 Megalecks, bei denen pro Stunde mehr als fünf Tonnen Methan entweichen, hat die französische Analysefirma Kayrros im Jahr 2022 per Satelliten beobachtet. Das grösste einzelne Methan-Leck am Kaspischen Meer stiess demnach 427 Tonnen Gas pro Stunde aus. Das entspricht den Emissionen von 67 Millionen Autos. Dazu kommen die vielen kleinen Lecks.
Methan ist ein regelrechter Klimakiller. Das Gas sei für rund ein Drittel des bisherigen Temperaturanstiegs seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Für rund 40 Prozent der weltweiten Methan-Emissionen sei der Energiesektor verantwortlich.
Erdgas abfackeln ist für Firmen billiger, als es zu sammeln
Bei der Erdölförderung wird Methan als Nebenprodukt der Bohrungen zum Teil absichtlich abgefackelt und so auf schnelle Weise entsorgt. Das ist für die Firmen oft wirtschaftlicher, als es zu sammeln. Andere Methan-Emissionen stammen von schlecht eingestellten oder schlecht gewarteten Anlagen.
Abhilfe soll nun ein Gesetz auf EU-Ebene schaffen. Öl- und Gaskonzerne, Kohleförderer sowie Betreiber von Biogasanlagen sollen dazu verpflichtet werden, ihre Infrastruktur regelmässig auf Methan-Leckagen zu untersuchen. Lecks müssten binnen weniger Wochen repariert werden. Das gezielte Ablassen oder Verbrennen von Erdgas, das zu 75 bis 99 Prozent aus Methan besteht, soll bei der Erdölförderung verboten werden.
Die Europaabgeordnete Jutta Paulus ist federführend mit dem EU-Gesetz befasst. Sie schätzt dessen Potenzial ausserordentlich hoch ein: «Dieses unauffällige Gesetz könnte von allen in dieser Legislaturperiode die grösste Klimawirkung weltweit erzielen.»
Vorgaben müssen auch für Importe gelten
Allerdings entstehen die allermeisten Methan-Emissionen nicht in der EU. Das Gesetz hat also nur eine Wirkung, wenn für importiertes Gas und Öl dieselben Förderstandards gelten wie für Bohrinseln in der Nordsee.
Insbesondere in den USA, woher Europa seit dem russischen Überfall auf die Ukraine verstärkt fossile Energie bezieht, sei der Methan-Ausstoss kaum reguliert, berichtet Kayrros-Chef Antoine Rostand in der «Süddeutschen Zeitung». Beim «Fracking» von Gesteinsschichten ströme oft sowohl Erdgas als auch Erdöl an die Oberfläche. Pipelines und Speicherbehälter für das Erdgas fehlten aber häufig.
Die Energielobby mischt sich ein
Das EU-Gesetz auf den Weg zu bringen, gestaltet sich ohnehin als zäh. Zwar legte die Kommission bereits im Dezember 2021 einen Entwurf für eine Verordnung vor, doch einige Mitgliedsstaaten haben Änderungsanträge vorgelegt. Diese entsprächen fast exakt dem Wortlaut jener Forderungen, die zuvor grosse Energiekonzerne formuliert hätten, berichtet «Der Standard». Demnach werden mehr Ausnahmen für das Abfackeln von Erdgas, laschere Messmethoden und längere Fristen für die Umsetzung der Regeln verlangt.
Noch haben sich die beteiligten Ausschüsse für Industrie und für Umwelt nicht auf eine Position geeinigt. Strittig ist vor allem, inwieweit das Gesetz auch für Importe gelten soll, und wie oft die Konzerne ihre Bohrlöcher und Leitungen überprüfen müssen.
Amerika ist da schon einen Schritt weiter. Die US-Umweltschutzbehörde EPA und das US-Innenministerium haben inzwischen strengere Industrievorgaben angekündigt.