Hochstapler im US-Kongress George Santos lügt auch als Gewählter munter weiter

uri

8.1.2023

George Santos (vorne links) am 5. Januar im Gespräch mit Parteikollegin Marjorie Taylor Greene, die ebenfalls regelmässig mit ihren kruden Wortmeldungen Aufsehen erregt.
George Santos (vorne links) am 5. Januar im Gespräch mit Parteikollegin Marjorie Taylor Greene, die ebenfalls regelmässig mit ihren kruden Wortmeldungen Aufsehen erregt.
KEYSTONE

Der Republikaner George Santos ist mit einem weitgehend erfundenen Lebenslauf für den Bundesstaat New York ins Repräsentantenhaus gewählt worden. Auch von dort aus verbreitet er Unwahrheiten.

uri

8.1.2023

Der New Yorker Republikaner George Santos hat es mit einem fast komplett erfundenen Lebenslauf in den US-Kongress geschafft. Obwohl der öffentliche Druck gewaltig ist, denkt der 34-Jährige aber keineswegs an einen Amtsverzicht. Dabei läuft es nicht gut für ihn: Es kommen immer mehr Unwahrheiten ans Licht.

Anfang Dezember hat die «New York Times» eine Lawine ins Rollen gebracht, als sie den Lebenslauf des in den US-Kongress gewählten New Yorker Republikaners George Santos überprüft hat.

Seitdem hat Santos bereits zugegeben, dass seine Angaben über jüdische Wurzeln, über seine Berufstätigkeit bei Wall-Street-Banken und über ein College-Diplom erlogen waren. Inzwischen wird im In- und Ausland gegen ihn ermittelt. Und: Es werden immer mehr seiner Lügen und Betrügereien publik.

Der American Dream des Hochstaplers

Der Latino, der als Paradebeispiel des «American Dream» eine Demokraten-Hochburg eroberte, sei vor allem ein Exempel «des Lügens am laufenden Band», kommentiert der «Spiegel».

Laut US-Medien ist inzwischen auch ausgekommen, dass Santos' Mutter, anders als von ihm behauptet, keine Finanzmanagerin, sondern Putzfrau war. Sie starb zudem nicht bei den Anschlägen auf die Twin Towers, sondern erst fünf Jahre später. Auch seien die Grosseltern nicht wie von ihm angegeben im Zuge des Holocaust umgekommen.

Santos' Finanzfirma sei ebenso inexistent wie seine Charity-Organisation, so der «Spiegel». Und um die Unklarheiten um den Mann komplett zu machen, sei auch die Herkunft hoher Geldbeträge unklar, die über private und politische Konten von Santos geflossen sind. Obendrein sei er bis 2019 zwar mit einer Frau verheiratet gewesen, habe die Scheidung aber geheim gehalten. 

Die Demokraten im Repräsentantenhaus haben Santos selbstverständlich bereits angegriffen und ihn für «dienstuntauglich» erklärt. Der Abgeordnete Ritchie Torres kündigte halb scherzhaft ein Gesetz gegen Lügner im Kongress an – den «Stop Another Non-Truthful Office Seeker Act», kurz «SANTOS Act» an.

US- und brasilianische Justiz ermitteln gegen Santos

Neben der US-Staatsanwaltschaft hat inzwischen auch die brasilianische Justiz strafrechtliche Ermittlungen gegen Santos wegen Betrugs aufgenommen und rollt damit einen zehn Jahre zurückliegenden Fall auf.

Er wird dort laut Medienberichten beschuldigt, ein gestohlenes Checkbuch benutzt zu haben, um im Jahr 2008 in einem Geschäft Waren im Wert von 700 Dollar zu kaufen. Der Fall war zu den Akten gelegt worden, weil die Ermittler Santos nicht ausfindig machen konnten. Durch seine Wahl in den US-Kongress sei seine Adresse jedoch «verifiziert», erklärte die Staatsanwaltschaft.

Laut einer Reportage des «Spiegel» wird Santos derzeit im US-Kongress sowohl von den Demokraten als auch von den meisten seiner republikanischen Parteifreund*innen gemieden. Der Schlamassel um die nicht enden wollende Wahl eines Sprechers des Repräsentantenhauses hat ihm zwar eine kleine Verschnaufpause vor der Verfolgung durch die Medien gegönnt. Doch inzwischen haben sich diese an ihn erinnert und wieder mit Fragen zu den erfundenen Stationen seines Lebenslaufs eingedeckt. Er soll sich dann jeweils im Laufschritt in den Parlamentssaal gerettet haben.

Und Santos fantasiert munter weiter. Bereits am Dienstag hat er auf seiner Website erklärt, dass er als Mitglied des US-Repräsentantenhauses vereidigt worden sei, wobei ihm der «Speaker of the House» den Eid abgenommen habe.

Dabei hatte das Repräsentantenhaus wegen der bis dahin nicht erfolgten Wahl von Kevin McCarthy gar keinen Sprecher – und entsprechend war auch noch niemand vereidigt worden. Die Mitteilung sei schnell wieder von Santos' Website verschwunden, offenbar ist sie automatisch dort gelandet. «George Santos hat seine erste Lüge des neuen Jahres erzählt», hat der New Yorker Demokrat Ritchie Torres kommentiert. Offenbar erwartet er weitere.