«Grönland ist keine Immobilie»Grönlands jüngster Premier trotzt Trump und vereint das Land – wie tickt Jens-Frederik Nielsen?
Lea Oetiker
21.6.2025
Jens-Frederik Nielsen ist 33 Jahre alt und gilt als Brückenbauer.
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Jens-Frederik Nielsen ist der jüngste Regierungschef Grönlands. Er vereint sein Land gegen die Übernahmepläne von Donald Trump und kämpft für eine selbstbestimmte Zukunft. Wer ist der Mann, der sein Land keines Falls dem US-Präsidenten überlassen möchte?
Scrollt man durch das Instagram Profil von Jens-Frederik Nielsen, sieht man Bilder von ihm mit der dänischen Premierministerin, ihn an einer Demonstration, ihn lachend mit Menschen aus Grönland, ihn mit der Presse, ihn beim Jagen.
Mit 33 Jahren ist Jens-Frederik Nielsen seit April 2025 der jüngste Regierungschef Grönlands.
Sein öffentliches Auftreten wirkt offen und nahbar – doch die Herausforderungen, denen sich Nielsen stellen muss, sind alles andere als alltäglich. Spätestens seit US-Präsident Donald Trump mehrfach Interesse an Grönland bekundet hat, steht Nielsen im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit.
Wer ist der Mann, der sein Land auf keinen Fall Trump überlassen möchte?
«Nielsen macht ein ausgezeichnetes Rentier im Ofen»
Nielsen ist in der grönländischen Hauptstadt Nuuk aufgewachsen. Seine Mutter kommt von der Insel, sein Vater ist aus Dänemark. Er ist der Jüngste von vier Kindern.
Seine Kindheit war frei gewesen, erzählt eine ältere Schwester dem Magazin «Spiegel». Sie hätten viel draussen gespielt. Ihr Vater habe früher als Fischer gearbeitet. Sie seien keine sehr politische Familie gewesen, aber sie hätten immer gewusst, was los sei in der Welt.
Nielsen ist auch Jäger. Die Tiere, die er fängt, erlegt er selbst. «Nielsen macht ein ausgezeichnetes Rentier im Ofen», sagt ein Freund über ihn gegenüber dem Magazin.
Doch wer an Nielsen denkt, muss auch an Sport denken. Sein Name ist in Grönland untrennbar mit dem Badmintonsport verbunden. Seit 2009 Mitglied der Nationalmannschaft, sammelte Nielsen zahlreiche Titel, darunter mehrere grönländische Meisterschaften und Gold bei den Island Games 2023.
Comeback der Demokraatit
Nielsen ist also Badmintonmeister. Er studierte zudem Gesellschaftswissenschaften, absolvierte eine Ausbildung zum Immobilienmakler und macht in der sozialliberalen Partei Demokraatit Karriere.
2020 wurde Nielsen überraschend Minister für Wirtschaft und Bodenschätze. Kurz darauf wählte ihn die Partei ohne Gegenstimmen zum Parteivorsitzenden.
Nielsen führt die Partei durch schwierige Zeiten, darunter einen Rückzug aus der Regierung und eine Wahlniederlage 2021. Bei der Wahl 2025 gelang ihm das Comeback. Demokraatit holte sich 29.9 Prozent der Stimmen, bei der letzten Wahl im Jahr 2021 waren es 9.1 Prozent. Am 7. April wurde Nielsen schliesslich zum Regierungschef vereidigt. «Ein wenig früher als gedacht», sagt Nielsen zum «Spiegel». «Aber Angst vor Verantwortung hatte ich nie.»
Jens-Frederik Nielsen, als er Mitte März 2025 die Wahlen gewann.
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Demokraatit ist eine sozialliberale Partei. In ihrem Wahlprogramm ist die Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht Dänemark das «ultimative Ziel». Aber: «Wir wollen nicht morgen die Unabhängigkeit, wir wollen eine gute Basis», erklärt Nielsen. Er wird als ehrgeizig und hartnäckig, aber freundlich im Umgang beschrieben.
Trump will Grönland, Nielsen will keinen Trump
Wegen des Anspruchs von US-Präsident Donald Trump auf Grönland lag besonderes Augenmerk auf der Wahl. Trump rechtfertigt seine Ambitionen mit Sicherheitsinteressen der USA, zudem will er die dortigen Bodenschätze für sich beanspruchen. Nach einer Umfrage lehnte die überwiegende Mehrheit der Grönländer*innen ab, Teil der USA zu werden.
Mitte März organisierte Jens-Frederik Nielsen einen der grössten Protestzüge in Nuuk und führte rund 1000 Einwohner*innen der Stadt zum US-Konsulat. Die Demonstrierenden hielten Schilder mit Aufschriften wie «Yankee go home!» in die Höhe.
US-Vizepräsident JD Vance besichtigt Ende März die US-Raumfahrtbasis Pituffik in Grönland.
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Nielsen bezeichnete diese Versammlung als eine der bedeutendsten Protestaktionen in der Geschichte Grönlands. Er erklärte, die Empörung sei nachvollziehbar, da aus den USA immer wieder die gleichen Forderungen in einem unangemessenen Tonfall zu hören seien.
Noch im Herbst liebäugelte die Partei mit einem Assoziierungsabkommen mit den USA, ähnlich wie es die Marshallinseln oder Palau getroffen haben. Doch als Donald Trump mit Übernahme-Drohungen und Versprechen von Reichtum für Grönland auftrat, empfanden viele Menschen dies als anmassend und übergriffig – es erinnerte sie an koloniale Verhaltensweisen.
Eine nie dagewesene Vierparteienkoalition
Auf Trump reagierte Nielsen mit einer nie dagewesenen Vierparteienkoalition. Nur die Partei Naleraq, die sich für eine rasche Annäherung an Amerika ausgesprochen hat, befindet sich nun in der Opposition. Nielsen schmiedete die Koalition, um mit möglichst vielen Wählerstimmen dem amerikanischen Druck standhalten zu können.
Zwischen den Parteien in Grönland gibt es zwar in vielen Feldern inhaltliche Differenzen, doch die Drohungen von Trump bringen die Parteien näher zusammen.
Bei Demonstrationen haben die Grönländer zuletzt klargemacht, was sie von Trumps Buhlerei halten. (Archivbild)
Christian Klindt Soelbeck/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa
«Bisher haben wir nur durch die Presse von den Absichten gehört», sagt Nielsen kürzlich zum «Spiegel». Er ist mit den Berichten über US-Spionageaktivitäten in Grönland ebenso vertraut wie mit den Kalkulationen der Trump-Regierung zu den potenziellen Kosten einer Kontrolle über die Insel. «Sicher ist, es wurde oft gesagt, dass jemand unser Land haben möchte. Das nehmen wir ernst. Grönland ist keine Immobilie», so Nielsen weiter.
Grönland gehöre den Bewohner*innen
Der Premier betont, dass Grönland zwar für wirtschaftliche Partnerschaften mit westlichen Ländern offen sei, dabei aber nicht zum Verkauf steht. Eine Zusammenarbeit mit den USA schliesst er nicht aus, jedoch nur zu Bedingungen, die Grönland selber festlegt. Das Land gehöre den Bewohner*innen und sei nicht käuflich.
Ob er mit Trump persönlich gesprochen hat, weiss man nicht. «No comment», (deutsch: kein Kommentar), sagt er zum Magazin.
Jens-Frederik Nielsen ist vieles. Politiker, Sportler, Jäger und Brückenbauer zwischen verschiedenen Meinungen. Privat ist er Ehemann und Vater von zwei Töchtern. Einige Quellen sprechen auch von drei Kindern. Er ist ein Ruhiger und überlegter Typ, einer der auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren kann.