Deutschland Nach Hanau: Grüne legen Aktionsplan gegen Rechtsextreme vor

22.2.2020

Kerzen und Blumen liegen am Marktplatz in Hanau. Nach dem Terroranschlag machen die Parteien Vorschläge für Präventionsmassnahmen. Foto: Nicolas Armer/dpa
Kerzen und Blumen liegen am Marktplatz in Hanau. Nach dem Terroranschlag machen die Parteien Vorschläge für Präventionsmassnahmen. Foto: Nicolas Armer/dpa
Source: Nicolas Armer

Nach der Bluttat von Hanau überlegen Regierung und Parteien, wie Anschlagspläne besser entdeckt werden können. Dazu gehört auch eine Prüfung der Regeln für den Waffenbesitz.

Nach dem Anschlag in Hanau mit elf Toten dringen die Grünen im deutschen Bundestag auf einen schnellen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in Deutschland. Zu den Sofortmassnahmen sollen ein Krisenstab, ein Rassismus-Beauftragter und schärfere Waffengesetze gehören.

Die FDP forderte, kleinere Verfassungsschutzämter zusammenzulegen. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der «Passauer Neuen Presse», die AfD solle als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz beobachtet werden. Zuvor hatte das schon SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gefordert.



Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, sagte zu, dass die engsten Angehörigen der Opfer der Gewalttat in einigen Tagen eine Soforthilfe von 30.000 Euro erhalten werden. In mehreren deutschen Städten wandten sich auch am Freitagabend wieder Demonstranten gegen rechte Gewalt und Intoleranz. Weitere Kundgebungen sind am Wochenende geplant.

Ein 43 Jahre alter Deutscher hatte am Mittwochabend im hessischen Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Der Sportschütze tötete auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.

Habeck sagte zur Begründung einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz, die Partei schüre Rassismus und leiste Rechtsextremismus Vorschub. Die Relativierungen und Verharmlosungen der Morde von Hanau durch AfD-Politiker seien unerträglich.

Angehörige der Opfer können aus dem Fonds für Härteleistungen innerhalb von zwei Wochen Soforthilfen erhalten, wie Franke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte. «Für Ehepartner, Kinder und Eltern von Getöteten sind das 30.000 Euro, für Geschwister 15.000 Euro.» Das könne das schreckliche Leid des Verlusts der eigenen Eltern oder Kinder nicht lindern. «Aber zumindest ist es eine Hilfe für die nötigsten Dinge, die in diesem Moment wichtig sind.»

Die Fraktion der Grünen schlägt «Sofortmassnahmen für eine sichere Gesellschaft» vor. «Der Rechtsextremismus in Deutschland ist völlig enthemmt», schreiben die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie die Innen- und Integrationsexperten in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Darin fordern sie die Bundesregierung auf, einen Krisenstab mit allen relevanten Akteuren aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft einzurichten. Notwendig sind aus Sicht der Grünen zudem ein Beauftragter gegen Rassismus, eine «verlässliche und dauerhafte Demokratieförderung» und finanzielle Unterstützung für den Schutz besonders gefährdeter Einrichtungen wie Moscheen und Synagogen.

Die Grünen wollen, dass Munition nur noch gelagert werden darf, wo auch geschossen werden darf – bisher sei es Sportschützen möglich, sowohl Waffen als auch Munition zu Hause zu lagern. Zudem reichten die bisherigen Zuverlässigkeitsprüfungen nicht aus.

Zuvor hatte bereits Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine Überprüfung des Waffenrechts angekündigt. Der «Bild»-Zeitung sagte er: «Wenn die Ermittlungen hier einen Anhaltspunkt ergeben, dass wir früher hätten eingreifen müssen, was den Waffenschein betrifft, dann müssen wir das ändern.» Möglicherweise könne es sinnvoll sein, ein medizinisches Gutachten oder eine ärztliche Bestätigung einzufordern, «dass da alles in Ordnung ist und die Verwirrung oder die Krankheit einer Person nicht zur Gefahr für die Allgemeinheit werden», wenn jemand auffällig geworden sei.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will prüfen, ob die gerade erst verschärften Regelungen im Waffenrecht auch konsequent umgesetzt werden. Demnach müssen die Behörden immer beim Verfassungsschutz nachfragen, bevor sie eine Waffenerlaubnis erteilen. Es müsse geprüft werden, ob die Behörden, die über die Zuverlässigkeit entscheiden, die nötigen Informationen bekommen.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg forderte, die Sicherheitsstrukturen in Deutschland den neuen Bedrohungen anzupassen. «Dazu gehört eine Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. So müssten zum Beispiel kleinere Landesämter für Verfassungsschutz zusammengelegt werden.

Die frühere deutsche Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) regte an, in den Sicherheitsbehörden Spezialabteilungen und Arbeitsgruppen zur Überwachung von Rechtsextremisten einzurichten. Die Meldestellen für antiislamische und antisemitische Vorfälle müssten ausgebaut werden, verlangte die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte.

In Hannover versammelten sich am Freitagabend rund 3000 Menschen zu einer Kundgebung, darunter waren Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Die Veranstaltung stand unter dem Titel «Hannover gegen Rassismus – Hannover für Vielfalt». In Köln kamen mehr als 2000 Teilnehmer zu einer Demonstration gegen rechten Terror auf dem Roncalliplatz zusammen.

In Hanau gedachten Menschen erneut der Opfer des Anschlags. Etwa 200 Teilnehmer versammelten sich nach Veranstalter-Angaben auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, fassten sich an den Händen und bildeten eine kreisrunde Menschenkette. Am Samstag will ein Bündnis gegen Hetze und Menschenverachtung in Hanau demonstrieren. Am Nachmittag ist auf dem Marktplatz eine weitere Kundgebung geplant.


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