Dutzende Tote in Kabul Bräutigam hat nach Terroranschlag «die Hoffnung verloren»

tsha/dpa

19.8.2019

Mirwais Elmi hat bei einem Terroranschlag auf seine Hochzeitsfeier in Kabul mehrere Verwandte verloren.
Mirwais Elmi hat bei einem Terroranschlag auf seine Hochzeitsfeier in Kabul mehrere Verwandte verloren.
Bild: TOLOnews/YouTube

Nach dem verheerenden Terroranschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft in Afghanistan stehen die Überlebenden unter Schock. In einem Interview erzählt der Bräutigam, wie sehr er und seine Familie leiden.

Es war der schlimmste Anschlag, den Afghanistan in diesem Jahr erlebt hat: Inmitten einer Hochzeitsgesellschaft sprengte sich am Samstagabend ein Selbstmordattentäter in der Hauptstadt Kabul in die Luft und riss dabei mindestens 63 Menschen in den Tod. Mindestens 182 weitere Menschen wurden verletzt.

In einem Interview hat nun der Bräutigam, der zusammen mit der Braut den Anschlag überlebte, über die Ereignisse gesprochen. «Meine Familie und meine Braut stehen unter Schock, sie können nicht einmal sprechen. Meine Frau wird immer wieder ohnmächtig«, sagte Mirwais Elmi im Gespräch mit Tolo News, wie wiederum die BBC berichtet. «Ich habe die Hoffnung verloren. Ich habe meinen Bruder verloren, ich habe Freunde verloren, ich habe meine Verwandten verloren. Ich werde nie wieder glücklich werden.» 



Er fühle sich zu schwach, um auf die Beerdigungen der Toten zu gehen, so Elmi. In muslimischen Ländern müssen Verstorbene in der Regel binnen eines Tages begraben werden. «Ich weiss, dass das nicht das letze Mal ist, dass die Afghanen leiden», sagte Elmi. «Das Leiden wird weitergehen.» In afghanischen Medien berichtete der Vater des Bräutigams, dass ingesamt 14 Mitglieder seiner Familie bei dem Anschlag ums Leben gekommen seien.

IS bekennt sich

Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). In einer am Sonntag über das Internet verbreiteten Nachricht hiess es, ein Selbstmordattentäter habe bei einer Versammlung von «Häretikern» – also Abweichlern – eine Sprengstoffweste gezündet. Nach UN-Angaben handelte es sich um eine Hochzeitsfeier von Schiiten, rund 1'000 Menschen seien anwesend gewesen. Die sunnitische Terrormiliz IS hat in der Vergangenheit in Afghanistan immer wieder Schiiten angegriffen, die sie als Ungläubige betrachtet.

Nach Angaben aus dem afghanischen Innenministerium ereignete sich die Explosion kurz vor 23 Uhr (Ortszeit) in der Hochzeitshalle «Dubai». Bei Hochzeiten in Kabul feiern Männer und Frauen in getrennten Räumen. Zumeist sind Hunderte Gäste geladen. Das Abendessen wird meist erst nach 22 Uhr serviert.

Noch in der Nacht auf Sonntag über sozialen Medien geteilte Videos zeigten verzweifelte Menschen vor der Hochzeitshalle, die Familienmitglieder vermissten. Bilder von dort zeigten auch leblose Körper, die teils auf blutbefleckten weissen Stühlen, teils am Boden lagen. Auf den Tischen standen noch volle Teller mit Essen und Getränkedosen. Ein Augenzeuge sagte der «New York Times», alle Mitglieder der Musikband seien durch die Explosion von der Bühne gerissen worden.

Unsichere Lage in Afghanistan

Der Anschlag auf die Hochzeitshalle war der 17. grössere Angriff in der Hauptstadt Kabul seit Januar. Bei den vorherigen 16 wurden nach Behördenangaben mindestens 113 Menschen getötet und mehr als 700 verletzt. Zu den Angriffen hatten sich zum Teil die Taliban, zum Teil die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt.



Bei einem weiteren Zwischenfall im Norden des Landes wurden am Sonntag zudem mehrere Zivilisten bei der Explosion einer am Strassenrand versteckten Bombe in der Provinz Balch getötet. Zwischen zehn und zwölf Menschen seien dabei ums Leben gekommen, darunter Frauen und Kinder, wie Polizeisprecher Adil Schah Adil erklärte.

Seit Juli vergangenen Jahres sprechen die USA mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen. Viele Afghanen befürchten jedoch, dass die Gewalt durch IS-Anschläge im Land weiter andauern könnte.

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