«Sie lügen!» Epidemiologe Fauci platzt im US-Kongress der Kragen

Von Philipp Dahm

21.7.2021

Das Komitee zur Verortung des Ursprungs von Covid-19 hört am 20. Juli in Washington den Ausführungen von Anthony Fauci.
Das Komitee zur Verortung des Ursprungs von Covid-19 hört am 20. Juli in Washington den Ausführungen von Anthony Fauci.
AP

In einer Anhörung hat US-Senator Rand Paul Anthony Fauci vorgeworfen, «für den Tod von vier Millionen Menschen verantwortlich» zu sein. Das lässt der beliebte Epidemiologe nicht auf sich sitzen.

Von Philipp Dahm

21.7.2021

Anthony Stephen Fauci ist ein besonnener Mann. Der 80-Jährige hat bereits Donald Trump in epidemiologischen Fragen beraten – und steht auch dem Nachfolger des republikanischen US-Präsidenten zur Seite.

Der dreifache Familienvater hat bei öffentlichen Auftritten stets Contenance gewahrt – selbst wenn Trump die absurdesten Thesen zur Pandemie präsentiert hat. Doch nun hat es ein anderer Republikaner geschafft, den Wissenschaftler aus der Fassung zu bringen: Bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus platzt Anthony Fauci der Kragen.

Der Grund für den Ärger des New Yorkers heisst Rand Paul: Der Senator aus Kentucky will gestern Morgen von Fauci wissen, ob die amerikanische Gesundheitsbehörde gefährliche Virus-Forschungen in China subventioniert hat. Schon wieder.

So nicht: Anthony Fauci ist seit Bestehen Mitglied der Covid-Taskforce und Direktor des U.S. National Institute of Allergy and Infectious Diseases.
So nicht: Anthony Fauci ist seit Bestehen Mitglied der Covid-Taskforce und Direktor des U.S. National Institute of Allergy and Infectious Diseases.
EPA

Denn schon im Mai hat sich Paul mit Fauci einen Schlagabtausch geliefert – und schon damals hat der Republikaner behauptet, das National Institute of Health (NIH) habe Forschungen in Wuhan unterstützt, die Viren, die nur unter Tieren verbreitet werden, auch auf den Menschen übertragbar machen.

Fauci sagte damals auf die Vorwürfe: «Senator Paul, bei allem nötigen Respekt, Sie liegen vollkommen und komplett daneben.» Tatsächlich hat die NIH Forschungen bezuschusst, die dem besseren Verständnis von Viren in Fledermäusen und Säugetieren dienen, aber angeblich keine Experimente, die Erreger gefährlicher machen.

Haben USA gefährliche Forschung unterstützt?

Doch dessen ungeachtet macht Rand Paul gestern da weiter, wo er im Mai aufgehört hat: Erneut greift der 58-jährige Rechtskonservative Fauci frontal an. «Das Labor in Wuhan hat Gelder der NIH genutzt, um neue chimärische, Sars-verwandte Coronaviren zu züchten, die menschliche Zellen und Labortiere infizieren können», zitiert Paul eine Arzt-Aussage zu der «Hochrisiko-Forschung».

Gaaaanz ruhig: Es fällt dem Experten nicht immer leicht, die Fassung zu wahren.
Gaaaanz ruhig: Es fällt dem Experten nicht immer leicht, die Fassung zu wahren.
EPA

Dann sagt Paul: «Doktor Fauci, Sie wissen, dass es ein Verbrechen ist, den Kongress zu belügen: Möchten Sie Ihre Aussage vom 11. Mai widerrufen, in der Sie behaupten, dass das NIH nie [solche] Forschung in Wuhan finanziert hat?» Der 80-Jährige antwortet wie aus der Pistole geschossen: «Senator Paul, ich habe niemals im Kongress gelogen und ich ziehe meine Aussage nicht zurück.»

Das Dokument, auf das sich Paul beziehe, sei von Experten beurteilt worden und unterstütze diese These nicht. Paul unterbricht Fauci: «Sie nehmen ein tierisches Virus und erhöhen die Übertragbarkeit auf Menschen. Und Sie sagen, das ist keine Genveränderung?»

«Für den Tod von vier Millionen Menschen verantwortlich»

Der Epidemiologe kontert: «Senator Paul, offen gesagt wissen Sie nicht, wovon Sie sprechen. Und ich möchte das ganz offiziell sagen: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen. Sie nehmen eine Person ...»

Spricht Bände: Wie Rand Pauls Ausführungen bei den Fachleuten ankommt, kann man gut am Gesicht von Rochelle Walensky (links) ablesen. Sie ist Direktorin des Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Spricht Bände: Wie Rand Pauls Ausführungen bei den Fachleuten ankommt, kann man gut am Gesicht von Rochelle Walensky (links) ablesen. Sie ist Direktorin des Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Screenshot: YouTube

Wieder unterbricht Paul den Experten: Hat nicht seine Behörde gesagt, die Erhöhung der Übertragbarkeit unter Tieren geschehe durch Genveränderung? Wie könne dann es dann keine Genveränderung sein, wenn diese Viren nun auch auf Menschen überspringen könnten? «Sie tänzeln um die Frage herum, weil Sie verschleiern sollen, dass Sie für den Tod von vier Millionen Menschen verantwortlich sind.»

Wenn er sagen wolle, die Unterstützung habe geholfen, um Covid-19 zu kreieren «und darauf wollen Sie hinaus», sagt Fauci – nur um wieder von Paul unterbrochen zu werden: «Ich war nicht da, aber alle Hinweise deuten darauf hin, dass Covid-19 aus dem Labor kommt – und die, die dieses Labor finanziert haben, werden zur Verantwortung gezogen – auch Sie selbst.»

«Wenn hier jemand lügt, Senator, dann sind Sie es»

Fauci wirdwütend: «Ich ärgere mich sehr über die Lüge, die Sie jetzt unters Volk bringen, Senator. Denn wenn Sie sich die Viren ansehen, die wir im Experiment benutzt haben, ist es molekular unmöglich.» Wieder stört Paul die Rede. «Ich verdunkle nicht die Wahrheit», wehrte sich Fauci erneut. «Sie machen das.»

Die Redezeit ist eigentlich vorbei, doch Fauci darf für einmal noch ausreden. «Ich möchte, dass jeder versteht, dass wenn man die Viren ansieht, und das haben qualifizierte Virologen und Experten für evolutionäre Biologie bestätigt, sind sie auf molekularer Ebene nicht fähig ...» Und wieder funkt Paul dazwischen. Die Vorsitzende rief ihn zur Ordnung.

Nochmal Fauci: «Wenn hier jemand lügt, Senator, dann sind sie es», rief Fauci, während er mit dem Finger auf Paul zeigte, um sich dann frustriert und verärgert zurück in den Sitz fallen zu lassen.

So angefressen hat man den Fachmann öffentlich wohl noch nie gesehen: Sie Szene zeigt wieder einmal, wie polarisiert die Pandemie-Politik in den USA inzwischen geworden ist.