Bei der ersten Parlamentswahl im Libanon seit neun Jahren zeichnet sich ersten Ergebnissen zufolge eine Mehrheit für die radikal-islamische Hisbollah-Miliz und ihre Verbündeten ab. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 49,2 Prozent.
Das Lager um die vom Iran unterstützte und unter anderem von den USA als Terrorgruppe eingestufte Schiiten-Organisation legt nach Berechnungen der Angaben von Medien und Politikern vom Montag auf mindestens 67 der 128 Sitze zu. Dazu gehört auch die christliche Freie Patriotische Bewegung von Präsident Michel Aoun.
Stärkste Einzelfraktion dürfte demnach trotz Verlusten die sunnitische Zukunftsbewegung des vom Westen unterstützten Ministerpräsident Saad al-Hariri bleiben, der damit nach dem komplizierten Wahlrecht auf eine weitere Amtszeit zusteuert. Die christliche Partei Libanesische Kräfte kann als Hisbollah-Gegner ihre Sitze wohl von acht auf 15 fast verdoppeln.
Überforderte Wähler
Die Wahlbeteiligung sank auf 49,2 Prozent von 54 Prozent 2009. Innenminister Nohad Maschnuk begründete die geringe Wahlbeteiligung mit dem neuen Wahlsystem. Die Wähler und die Leiter der Wahllokale seien damit nicht vertraut gewesen, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz. Die Organisation der Wahl sei schleppend verlaufen. Einige Wähler kamen offenbar mit den vorgedruckten Wahlzetteln nicht zurecht.
Um die bisherige Zweiteilung zwischen dem proiranischen Lager um die Hisbollah-Bewegung und dem prosaudiarabischen Lager um Ministerpräsident Saad Hariri aufzubrechen, war erstmals ein neues Wahlsystem angewendet worden. Durch den Wechsel vom Mehrheits- zum Verhältniswahlrecht sollte kleinen Parteien und unabhängigen Kandidaten jetzt der Einzug ins Parlament erleichtert werden.
Instabile Lage
Der Libanon gilt wegen seiner Mischung von Volksgruppen und Religionen, der Einflussnahme ausländischer Staaten und der grossen Zahl von Flüchtlingen im Land als instabil. Die obersten Ämter sind an bestimmte Religionszugehörigkeiten gebunden: Der Präsident muss maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die Sitze im Parlament sind ebenfalls auf die religiösen Gemeinschaften aufgeteilt.
Grössere politische Veränderungen wurden von der Wahl nicht erwartet. Allerdings könnten die zügige Bildung einer neuen Regierung und anschliessende Reformen für neue Investitionen im Land sorgen und damit die Wirtschaft stabilisieren.
Rund 3,7 Millionen Wähler waren am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen. Insgesamt bewarben sich 597 Kandidaten auf 77 Wahllisten um die 128 Parlamentssitze. Bei der Parlamentswahl 2009 hatte das prowestliche Lager von Hariri die Mehrheit der Stimmen geholt.
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