Protest gegen DemokratieabbauHunderttausende demonstrieren in Warschau gegen die polnische Regierung
tjnj
5.6.2023
Ein Gesetz, mit dem die Regierung Gegner ausschalten könnte, vereint die polnische Opposition. Zahlreiche Menschen gingen in Warschau gegen die Rechtskonservativen auf die Strasse.
tjnj
05.06.2023, 21:50
tjnj
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In Warschau demonstrierten 100'000 bis 500'000 Menschen gegen die rechtskonservative Regierung.
Mehrere oppositionelle Gruppen hatten sich zu der Demonstration zusammengeschlossen.
Angeführt wurden die Proteste von Oppositionsführer Donald Tusk, der bereits von 2007 bis 2014 polnischer Ministerpräsident war.
Die Opposition wird derzeit von einem Gesetz zusammengeschweisst, mit dem Politiker*innen, die zwischen 2007 und 2022 mit Russland kooperiert haben, daran gehindert werden sollen, öffentliche Ämter zu bekleiden.
Kritiker*innen zufolge soll durch das Gesetz mit Tusk der grösste Konkurrent der Regierung ausgeschalten werden.
Als Präsident hat Tusk Öl- und Benzin-Deals mit dem Kreml abgeschlossen.
In Warschau sind am vergangenen Sonntag Hunderttausende Menschen zusammengekommen, um gegen die Politik der rechtskonservativen Regierung des Landes zu demonstrieren. Angeführt wurde die Demonstration von Oppositionsführer Donald Tusk.
Tusk gilt als aussichtsreicher Kandidat für das Präsidentenamt bei einem Sieg seiner Partei, der PO, bei den Wahlen im Herbst. Er hatte das Amt bereits von 2007 bis 2014 inne.
«Suchst du nach Hoffnung, komm am 4. Juni nach Warschau», lautete Tusks Aufruf. Nach seinen Angaben kamen rund 500‘000 Menschen seinem Aufruf nach. Dabei handle es sich um die grösste Demonstration seit Polens Unabhängigkeit.
Teilnehmerzahl umstritten
Die Stadt Warschau bestätigte die Zahl. Ihr Bürgermeister ist jedoch selbst Mitglied in Tusks PO (Bürgerplattform). Die Polizei spricht laut der Nachrichtenagentur PAP von lediglich 100‘000 bis 150‘000 Demonstrierenden.
Das Datum haben Tusk und seine Verbündeten sich bewusst ausgesucht: Am 4. Und 18. Juni 1989 fanden die ersten teilweise freien Wahlen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs statt. In der Nachkriegszeit fiel Polen in den Einflussbereich der Sowjetunion und wurde zu einer kommunistischen Diktatur.
Kontroverses Gesetz vereinigt Opposition
Dass so viele Menschen gegen die Regierungspartei PiS zusammenkamen, liegt auch daran, dass sich mehrere oppositionelle Gruppierungen zusammengeschlossen hatten. Zuvor war das noch an Tusk als Gallionsfigur gescheitert. Nicht wenige PiS-Gegner*innen sehen den liberalkonservativen Ex-Präsidenten und Europapolitiker kritisch.
Dass die Opposition nun dennoch unter der Führung Tusks zusammenrückt und der PiS damit immer gefährlicher werden könnte, hat die Regierungspartei selbst zu verantworten: Sie verabschiedete ein umstrittenes Gesetz, das es dem Parlament erlaubt, russische Einflussnahme in den Jahren von 2007 bis 2022 zu untersuchen.
Soll der Star der Opposition ausgeschalten werden?
Kommt diese Kommission zu dem Schluss, ein Politiker habe sich vom Kreml beeinflussen lassen, kann dieser zehn Jahre lang von öffentlichen Posten ausgeschlossen werden.
Da die polnische Regierung unter Tusk russisches Gas und Öl eingekauft hat, glauben viele, die PiS habe das Gesetz explizit auf den Weg gebracht, um ihren gefährlichsten Konkurrenten auszuschalten. Regierungskritiker*innen haben es deswegen «Lex Tusk» getauft.
Die PiS steht dafür in der Kritik, die polnische Demokratie geschwächt zu haben. Die Pressefreiheit hat unter der Regierung genauso gelitten wie die Unabhängigkeit der Justiz. Polen wurde deswegen, ähnlich wie Ungarn, wiederholt in der EU gerügt.
Knapper Wahlausgang vorhergesagt
Zuletzt ist diese Kritik jedoch leiser geworden. Das liegt auch an der Rolle des Landes im Ukraine-Konflikt, in dem es eine tragende Rolle innerhalb der westlichen Allianz zur Unterstützung der Ukraine spielt.
Innerhalb der eigenen Grenzen konnte die PiS von dieser Rolle ebenfalls profitieren. Die Regierung hat ausserdem die Beiträge der Sozialhilfe erhöht. Auch das verbessert ihr Ansehen in der Bevölkerung.
Bislang zeichnet sich weder ein Sieg der PiS noch von Tusks PO im Herbst ab. Stattdessen könnte die zukünftige Regierung in Warschau vom Abschneiden der Kleinparteien bestimmt werden: Sowohl PiS als auch PO würden aktuellen Umfragen zufolge von einem Koalitionspartner abhängig sein.