Trotz Feuerpause Hunderttausende in Ost-Ghuta warten weiter auf Hilfe

28.2.2018

Durch einen Angriff der syrischen Luftwaffe zerstörter Strassenzug im Rebellengebiet Ost-Ghuta. Foto: Samer Bouidani
Durch einen Angriff der syrischen Luftwaffe zerstörter Strassenzug im Rebellengebiet Ost-Ghuta. Foto: Samer Bouidani
Source: Samer Bouidani/dpa

Die Kriegsparteien im syrischen Ost-Ghuta schieben sich gegenseitig die Schuld für anhaltende Kämpfe zu. Die Hängepartie für Hunderttausende Notleidende in der Region geht weiter.

Auch am zweiten Tag einer mehrstündigen Waffenruhe im syrischen Ost-Ghuta haben die Vereinten Nationen keine Hilfsgüter in das belagerte Gebiet bringen können. «Wir brauchen eine richtige Feuerpause, um reinzugehen», sagte die Sprecherin des UN-Nothilfebüros Ocha, Linda Tom.

Trotz eines deutlichen Rückgangs der Gewalt gingen die Kampfhandlungen am Mittwoch Menschenrechtlern zufolge stellenweise weiter - vier Menschen seien durch Artilleriebeschuss getötet worden. Russland machte die Rebellen für die anhaltenden Kämpfe verantwortlich.

Das von Aufständischen kontrollierte Ost-Ghuta hatte zuletzt eine der schwersten Angriffswellen der syrischen Regierungstruppen seit Beginn des Bürgerkriegs vor fast sieben Jahren erlebt. Nach Angaben der Menschenrechtler kamen in den vergangenen zehn Tagen rund 600 Zivilisten ums Leben. In dem Gebiet sollen etwa 400'000 Menschen eingeschlossen sein. Die humanitäre Situation ist verheerend.

Feuerpause nur als erster Schritt

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow sagte in Genf vor dem Menschenrechtsrat: «Dort verschanzte militante Kämpfer beschiessen weiterhin Damaskus, sie blockieren Hilfskonvois und verhindern die Rettung der Menschen, die flüchten wollen». Russland ist einer der wichtigsten Verbündeten der syrischen Regierung und beteiligt sich mit der Luftwaffe am Bürgerkrieg. Die USA hatten Russland am Dienstag vorgeworfen, sich selbst nicht an die eigene Feuerpause zu halten.

Die von Russland verkündeten Waffenruhen sollen täglich von 8.00 bis 13.00 Uhr MEZ (9.00 bis 14.00 Uhr Ortszeit) gelten und Hilfskonvois für die Notleidenden ermöglichen. Ausserdem sollen Zivilisten das Gebiet verlassen können - auch dies geschah am Mittwoch nicht.

Ocha-Sprecherin Tom zufolge stehen die Hilfsteams für die Belieferung Ost-Ghutas bereit. Dafür werde jedoch ein längeres Zeitfenster für die Kampfpause benötigt. UN-Vertreter betonten, in fünf Stunden könnten keine Hilfsgüter in die Gebiete gefahren, entladen und verteilt werden und Verletzte könnten so schnell nicht gefunden, stabilisiert und herausgebracht werden.

Das Auswärtige Amt in Berlin betonte, die von Russland angebotene Feuerpause sei «wirklich nur ein erster Schritt». Der humanitäre Zugang zu dem Gebiet sei weiterhin nicht möglich.

Türkei will Offensive fortsetzen

Kurz vor Beginn der Feuerpause am Mittwoch meldeten Aktivisten heftige Kämpfe zwischen Armee und Rebellen. Die Regierung habe Ost-Ghuta zudem aus der Luft und mit Artillerie angegriffen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Die Türkei will trotz einer am Wochenende vom UN-Sicherheitsrat geforderten Waffenruhe für ganz Syrien und scharfer US-Kritik ihre Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien fortsetzen. Ankara sehe sich nicht als eine der Kriegsparteien und führe in der Region Afrin einen Kampf gegen «Terrororganisationen» teilte das Aussenministerium in Ankara am Mittwoch zur Begründung mit.

Man empfehle den USA, «statt Erklärungen abzugeben, die Terroristen unterstützen, sich darauf zu konzentrieren, die Angriffe des (syrischen) Regimes auf unschuldige Zivilisten zu stoppen», erklärte das Ministerium. Ankara reagierte damit auf Äusserungen der Sprecherin des US-Aussenministeriums, Heather Nauert. Sie hatte am Dienstag betont, dass die UN eine Waffenruhe in ganz Syrien forderten, und der Türkei empfohlen, den Resolutionstext noch einmal zu lesen.

Unterdessen berichtete die «New York Times», dass Nordkorea Güter an die syrische Regierung geliefert habe, die auch für die Produktion von Chemiewaffen benutzt werden könnten. Dazu gehörten säurefeste Kacheln, Ventile und Thermometer, meldete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf einen Bericht von UN-Ermittlern. Nordkoreanische Raketentechniker seien zudem in bekannten syrischen Anlagen für Chemiewaffen und Raketen gesichtet worden.

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